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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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gen zu machen. Ein mir durch die Seele gehendes
Ach! war die ganze vielbedeutende Beantwor-
tung meiner ganzen philosophischen Dissertation
über die Genügsamkeit.

Verdrießlich und ohne zu wissen, wohin ich ge-
hen sollte, verließ ich meine Wohnung und ging auf
die Mail. An diesem Orte, einer Schenke einen
Büchsenschuß vor der Stadt, findet man beynahe
immer muntere Gesellschaft, aber keine aus-
schweifende und renommistische, daher schämen
sich auch angesehene Männer und Frauenzimmer
nicht, die Mail zu besuchen. Hier traf ich ein
juristisches Animal disputax an, das heißt, ein
Menschenkind, welches von nichts redet, als von
Pandekten, Codex, Novellen und Feudalbüchern.
Dieser Hochgelehrte Herr nahm mich aufs Korn,
und kaum hatte ich eine Kanone vor mir, die ich
von Jungfer Dorchen auf Credit nahm, so packte
er mich fest, und räsonnirte mir da ein Langes
und ein Breites über die berühmte Constitution
Omnem des Kaisers Justinianus vor: besonders
beschäftigte ihn die wichtige Frage, warum in
der Ueberschrift der Constitution der Antecessor
Salaminius nicht vir illustris wie die übrigen
sieben, sondern bloß vir disertissimus genannt
werde. Zum guten Glück hatte ich einst die
Constitutio Omnem auch gelesen und zwar mit

gen zu machen. Ein mir durch die Seele gehendes
Ach! war die ganze vielbedeutende Beantwor-
tung meiner ganzen philoſophiſchen Diſſertation
uͤber die Genuͤgſamkeit.

Verdrießlich und ohne zu wiſſen, wohin ich ge-
hen ſollte, verließ ich meine Wohnung und ging auf
die Mail. An dieſem Orte, einer Schenke einen
Buͤchſenſchuß vor der Stadt, findet man beynahe
immer muntere Geſellſchaft, aber keine aus-
ſchweifende und renommiſtiſche, daher ſchaͤmen
ſich auch angeſehene Maͤnner und Frauenzimmer
nicht, die Mail zu beſuchen. Hier traf ich ein
juriſtiſches Animal diſputax an, das heißt, ein
Menſchenkind, welches von nichts redet, als von
Pandekten, Codex, Novellen und Feudalbuͤchern.
Dieſer Hochgelehrte Herr nahm mich aufs Korn,
und kaum hatte ich eine Kanone vor mir, die ich
von Jungfer Dorchen auf Credit nahm, ſo packte
er mich feſt, und raͤſonnirte mir da ein Langes
und ein Breites uͤber die beruͤhmte Conſtitution
Omnem des Kaiſers Juſtinianus vor: beſonders
beſchaͤftigte ihn die wichtige Frage, warum in
der Ueberſchrift der Conſtitution der Anteceſſor
Salaminius nicht vir illustris wie die uͤbrigen
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werde. Zum guten Gluͤck hatte ich einſt die
Conſtitutio Omnem auch geleſen und zwar mit

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[14/0022] gen zu machen. Ein mir durch die Seele gehendes Ach! war die ganze vielbedeutende Beantwor- tung meiner ganzen philoſophiſchen Diſſertation uͤber die Genuͤgſamkeit. Verdrießlich und ohne zu wiſſen, wohin ich ge- hen ſollte, verließ ich meine Wohnung und ging auf die Mail. An dieſem Orte, einer Schenke einen Buͤchſenſchuß vor der Stadt, findet man beynahe immer muntere Geſellſchaft, aber keine aus- ſchweifende und renommiſtiſche, daher ſchaͤmen ſich auch angeſehene Maͤnner und Frauenzimmer nicht, die Mail zu beſuchen. Hier traf ich ein juriſtiſches Animal diſputax an, das heißt, ein Menſchenkind, welches von nichts redet, als von Pandekten, Codex, Novellen und Feudalbuͤchern. Dieſer Hochgelehrte Herr nahm mich aufs Korn, und kaum hatte ich eine Kanone vor mir, die ich von Jungfer Dorchen auf Credit nahm, ſo packte er mich feſt, und raͤſonnirte mir da ein Langes und ein Breites uͤber die beruͤhmte Conſtitution Omnem des Kaiſers Juſtinianus vor: beſonders beſchaͤftigte ihn die wichtige Frage, warum in der Ueberſchrift der Conſtitution der Anteceſſor Salaminius nicht vir illustris wie die uͤbrigen ſieben, ſondern bloß vir diſertiſſimus genannt werde. Zum guten Gluͤck hatte ich einſt die Conſtitutio Omnem auch geleſen und zwar mit

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/22>, abgerufen am 29.03.2024.