werden, daß das gewöhnliche Taufformular ab- geschmackt und zweckwidrig, folglich allerdings ab- zustellen sey. Erst noch kürzlich sagte ein gewisser Hallischer Geistlicher auf der Kanzel, Christus selbst (!) und die Apostel hätten Kinder getauft: der Herr muß nicht viel in der Kirchengeschichte studiert haben. *) Ich hatte lange Zeit keiner Taufhandlung zugesehen, und hätte beynahe über das allerliebste Formular laut aufgelacht, doch hielt ich an mich, und mein Fritzemann wurde ohne Scandal hingetauft. Ich konnte nichts anders er- warten, als Hr. Pr. Güte würde das alte Formu- lar wieder herbringen, als er meinen zweyten Jungen der heil. Kirche durchs Wasserbad im Wort einverleibte: aber ich wurde sehr angenehm überrascht, als Herr Güte ein neues sehr vernünf- tiges Formular gebrauchte, welches ihm, als Con- cipienten, wahre Ehre macht, und hinlänglich be- weist, daß er wisse, wofür man die Taufe über- haupt, und die der kleinen Kinder insbesondere zu halten habe.
Diesen Winter über habe ich fürchterlich aus- gestanden: ich hatte mir nur wenig Holz ange- geschafft, und mußte hernach bloß Torfsteine bren- nen, und das dazu nöthige Holz bey den Höcken
*)Tertull. de baptismo Cap. 18. Walchli Hist. Paedobapt. IV. prior. secul.
werden, daß das gewoͤhnliche Taufformular ab- geſchmackt und zweckwidrig, folglich allerdings ab- zuſtellen ſey. Erſt noch kuͤrzlich ſagte ein gewiſſer Halliſcher Geiſtlicher auf der Kanzel, Chriſtus ſelbſt (!) und die Apoſtel haͤtten Kinder getauft: der Herr muß nicht viel in der Kirchengeſchichte ſtudiert haben. *) Ich hatte lange Zeit keiner Taufhandlung zugeſehen, und haͤtte beynahe uͤber das allerliebſte Formular laut aufgelacht, doch hielt ich an mich, und mein Fritzemann wurde ohne Scandal hingetauft. Ich konnte nichts anders er- warten, als Hr. Pr. Guͤte wuͤrde das alte Formu- lar wieder herbringen, als er meinen zweyten Jungen der heil. Kirche durchs Waſſerbad im Wort einverleibte: aber ich wurde ſehr angenehm uͤberraſcht, als Herr Guͤte ein neues ſehr vernuͤnf- tiges Formular gebrauchte, welches ihm, als Con- cipienten, wahre Ehre macht, und hinlaͤnglich be- weiſt, daß er wiſſe, wofuͤr man die Taufe uͤber- haupt, und die der kleinen Kinder insbeſondere zu halten habe.
Dieſen Winter uͤber habe ich fuͤrchterlich aus- geſtanden: ich hatte mir nur wenig Holz ange- geſchafft, und mußte hernach bloß Torfſteine bren- nen, und das dazu noͤthige Holz bey den Hoͤcken
*)Tertull. de baptismo Cap. 18. Walchli Hiſt. Paedobapt. IV. prior. ſecul.
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werden, daß das gewoͤhnliche Taufformular ab-
geſchmackt und zweckwidrig, folglich allerdings ab-
zuſtellen ſey. Erſt noch kuͤrzlich ſagte ein gewiſſer
Halliſcher Geiſtlicher auf der Kanzel, Chriſtus
ſelbſt (!) und die Apoſtel haͤtten Kinder getauft:
der Herr muß nicht viel in der Kirchengeſchichte
ſtudiert haben. *) Ich hatte lange Zeit keiner
Taufhandlung zugeſehen, und haͤtte beynahe uͤber
das allerliebſte Formular laut aufgelacht, doch
hielt ich an mich, und mein Fritzemann wurde ohne
Scandal hingetauft. Ich konnte nichts anders er-
warten, als Hr. Pr. Guͤte wuͤrde das alte Formu-
lar wieder herbringen, als er meinen zweyten
Jungen der heil. Kirche durchs Waſſerbad im
Wort einverleibte: aber ich wurde ſehr angenehm
uͤberraſcht, als Herr Guͤte ein neues ſehr vernuͤnf-
tiges Formular gebrauchte, welches ihm, als Con-
cipienten, wahre Ehre macht, und hinlaͤnglich be-
weiſt, daß er wiſſe, wofuͤr man die Taufe uͤber-
haupt, und die der kleinen Kinder insbeſondere
zu halten habe.
Dieſen Winter uͤber habe ich fuͤrchterlich aus-
geſtanden: ich hatte mir nur wenig Holz ange-
geſchafft, und mußte hernach bloß Torfſteine bren-
nen, und das dazu noͤthige Holz bey den Hoͤcken
*) Tertull. de baptismo Cap. 18. Walchli Hiſt.
Paedobapt. IV. prior. ſecul.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/165>, abgerufen am 24.11.2024.
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