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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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eine pour la rarete du fait meinen gelehrten Lesern
mittheilen will. Die Aufschrift des hohen Lieds
heißt: Schir haschschirim ascher lischlomo. Dieß über-
sezt man fälschlich: Lied der Lieder Salomos. Das
Buch ist eine Sammlung von Liedern, das erste Wort
Schir heißt nicht Lied; es ist das praeteritum Hiphil
rysh statt ryshkh, vid. Danz. Gram. de Aphaer: es
heißt also: er hat gesungen d. h. eingegeben: denn
diese Bedeutung hat das Heb. rysh das griechische
adein und das lateinische canere. Aber wer hat
eingegeben? wer sonst, als der Adonai? -- Das
Wort Jehovah sprach Herr von Briesen, so wie die
ächten Juden, um alles in der Welt nicht aus --
Wem hat er eingegeben? Lischlomo dem Salo-
mon. Was hat er ihm eingegeben? Haschschirim,
diese Lieder, diese Liedersammlung: also heißt es
nun: Adonai hat dem Salomon diese folgende Lie-
dersammlung vorgesungen, das ist: eingegeben,
und nun folgt eine weiläufige Dissertation über
das Eingeben durch Vorsingen. Man kann sich
nach dieser Probe schon vorstellen, wie seine übri-
gen Exegesen beschaffen waren. Die Studenten
hatten immer ihren Spaß mit dem guten Briesen
und er verdiente auch so viel, daß er würde haben
auskommen können; aber oft hinderten ihn seine
Grillen monatlang Stunden zu geben, und so
mußte er nicht selten darben, zumal da er endlich

eine pour la rareté du fait meinen gelehrten Leſern
mittheilen will. Die Aufſchrift des hohen Lieds
heißt: Schir haſchſchirim aſcher liſchlomo. Dieß uͤber-
ſezt man faͤlſchlich: Lied der Lieder Salomos. Das
Buch iſt eine Sammlung von Liedern, das erſte Wort
Schir heißt nicht Lied; es iſt das praeteritum Hiphil
ריש ſtatt רישח, vid. Danz. Gram. de Aphaer: es
heißt alſo: er hat geſungen d. h. eingegeben: denn
dieſe Bedeutung hat das Heb. ריש das griechiſche
ἀδειν und das lateiniſche canere. Aber wer hat
eingegeben? wer ſonſt, als der Adonai? — Das
Wort Jehovah ſprach Herr von Brieſen, ſo wie die
aͤchten Juden, um alles in der Welt nicht aus —
Wem hat er eingegeben? Lischlomo dem Salo-
mon. Was hat er ihm eingegeben? Haſchſchirim,
dieſe Lieder, dieſe Liederſammlung: alſo heißt es
nun: Adonai hat dem Salomon dieſe folgende Lie-
derſammlung vorgeſungen, das iſt: eingegeben,
und nun folgt eine weilaͤufige Diſſertation uͤber
das Eingeben durch Vorſingen. Man kann ſich
nach dieſer Probe ſchon vorſtellen, wie ſeine uͤbri-
gen Exegeſen beſchaffen waren. Die Studenten
hatten immer ihren Spaß mit dem guten Brieſen
und er verdiente auch ſo viel, daß er wuͤrde haben
auskommen koͤnnen; aber oft hinderten ihn ſeine
Grillen monatlang Stunden zu geben, und ſo
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[93/0101] eine pour la rareté du fait meinen gelehrten Leſern mittheilen will. Die Aufſchrift des hohen Lieds heißt: Schir haſchſchirim aſcher liſchlomo. Dieß uͤber- ſezt man faͤlſchlich: Lied der Lieder Salomos. Das Buch iſt eine Sammlung von Liedern, das erſte Wort Schir heißt nicht Lied; es iſt das praeteritum Hiphil ריש ſtatt רישח, vid. Danz. Gram. de Aphaer: es heißt alſo: er hat geſungen d. h. eingegeben: denn dieſe Bedeutung hat das Heb. ריש das griechiſche ἀδειν und das lateiniſche canere. Aber wer hat eingegeben? wer ſonſt, als der Adonai? — Das Wort Jehovah ſprach Herr von Brieſen, ſo wie die aͤchten Juden, um alles in der Welt nicht aus — Wem hat er eingegeben? Lischlomo dem Salo- mon. Was hat er ihm eingegeben? Haſchſchirim, dieſe Lieder, dieſe Liederſammlung: alſo heißt es nun: Adonai hat dem Salomon dieſe folgende Lie- derſammlung vorgeſungen, das iſt: eingegeben, und nun folgt eine weilaͤufige Diſſertation uͤber das Eingeben durch Vorſingen. Man kann ſich nach dieſer Probe ſchon vorſtellen, wie ſeine uͤbri- gen Exegeſen beſchaffen waren. Die Studenten hatten immer ihren Spaß mit dem guten Brieſen und er verdiente auch ſo viel, daß er wuͤrde haben auskommen koͤnnen; aber oft hinderten ihn ſeine Grillen monatlang Stunden zu geben, und ſo mußte er nicht ſelten darben, zumal da er endlich

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/101>, abgerufen am 28.04.2024.