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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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schnur der Administration: "daß es besser sey, zehn
Unschuldige zu verdammen, als einen Schuldigen
ungestraft zu lassen." Ein abscheulicher Grund-
satz, den nichts rechtfertigen kann, und den blos
die Nothwendigkeit entschuldiget. Mögten aber
die Emigranten bedenken, vorzüglich die Häupter
unter ihnen, nebst ihrem aktiven Anhang unter
ihren Adlichen und Priestern -- doch diese Men-
schen können nichts bedenken: also mögten doch
meine Landsleute, die Deutschen, überlegen und
sich überzeugen, daß die Emigranten und ihr da-
mals noch starker Anhang in Frankreich allein
Schuld gewesen sind, daß so viele Menschen viel-
leicht unschuldiger Weise auf der Guillotine star-
ben, oder in den Gefängnissen verschmachtet sind,
um endlich einmal dieses unwürdige Gesindel nach
Verdienst zu würdigen! In meinen Augen ist ein
Straßenräuber noch mehr zu achten, als ein Emi-
grant von der genannten Klasse.

Ich komme wieder auf den fürchterlichen Grund-
satz zurück, welcher nur so lange gelten sollte, als
das Vaterland in Gefahr wäre. Das Wort: la
patrie est en danger,
fuhr wie ein elektrischer Schlag
durchs ganze Land, und erfüllte alles mit Schre-
cken und Furcht. So aber hieß es seit dem 10ten
August 1792, und vorzüglich nach der Rebellion
von Toulon und Lyon, und den Fortschritten

ſchnur der Adminiſtration: „daß es beſſer ſey, zehn
Unſchuldige zu verdammen, als einen Schuldigen
ungeſtraft zu laſſen.“ Ein abſcheulicher Grund-
ſatz, den nichts rechtfertigen kann, und den blos
die Nothwendigkeit entſchuldiget. Moͤgten aber
die Emigranten bedenken, vorzuͤglich die Haͤupter
unter ihnen, nebſt ihrem aktiven Anhang unter
ihren Adlichen und Prieſtern — doch dieſe Men-
ſchen koͤnnen nichts bedenken: alſo moͤgten doch
meine Landsleute, die Deutſchen, uͤberlegen und
ſich uͤberzeugen, daß die Emigranten und ihr da-
mals noch ſtarker Anhang in Frankreich allein
Schuld geweſen ſind, daß ſo viele Menſchen viel-
leicht unſchuldiger Weiſe auf der Guillotine ſtar-
ben, oder in den Gefaͤngniſſen verſchmachtet ſind,
um endlich einmal dieſes unwuͤrdige Geſindel nach
Verdienſt zu wuͤrdigen! In meinen Augen iſt ein
Straßenraͤuber noch mehr zu achten, als ein Emi-
grant von der genannten Klaſſe.

Ich komme wieder auf den fuͤrchterlichen Grund-
ſatz zuruͤck, welcher nur ſo lange gelten ſollte, als
das Vaterland in Gefahr waͤre. Das Wort: la
patrie eſt en danger,
fuhr wie ein elektriſcher Schlag
durchs ganze Land, und erfuͤllte alles mit Schre-
cken und Furcht. So aber hieß es ſeit dem 10ten
Auguſt 1792, und vorzuͤglich nach der Rebellion
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[95/0099] ſchnur der Adminiſtration: „daß es beſſer ſey, zehn Unſchuldige zu verdammen, als einen Schuldigen ungeſtraft zu laſſen.“ Ein abſcheulicher Grund- ſatz, den nichts rechtfertigen kann, und den blos die Nothwendigkeit entſchuldiget. Moͤgten aber die Emigranten bedenken, vorzuͤglich die Haͤupter unter ihnen, nebſt ihrem aktiven Anhang unter ihren Adlichen und Prieſtern — doch dieſe Men- ſchen koͤnnen nichts bedenken: alſo moͤgten doch meine Landsleute, die Deutſchen, uͤberlegen und ſich uͤberzeugen, daß die Emigranten und ihr da- mals noch ſtarker Anhang in Frankreich allein Schuld geweſen ſind, daß ſo viele Menſchen viel- leicht unſchuldiger Weiſe auf der Guillotine ſtar- ben, oder in den Gefaͤngniſſen verſchmachtet ſind, um endlich einmal dieſes unwuͤrdige Geſindel nach Verdienſt zu wuͤrdigen! In meinen Augen iſt ein Straßenraͤuber noch mehr zu achten, als ein Emi- grant von der genannten Klaſſe. Ich komme wieder auf den fuͤrchterlichen Grund- ſatz zuruͤck, welcher nur ſo lange gelten ſollte, als das Vaterland in Gefahr waͤre. Das Wort: la patrie eſt en danger, fuhr wie ein elektriſcher Schlag durchs ganze Land, und erfuͤllte alles mit Schre- cken und Furcht. So aber hieß es ſeit dem 10ten Auguſt 1792, und vorzuͤglich nach der Rebellion von Toulon und Lyon, und den Fortſchritten

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/99>, abgerufen am 21.11.2024.