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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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gehen, und bald da, bald dort mein Fortkommen
zu suchen: aber allemal war es mir unmöglich,
einen Ort zu verlassen, wo ich noch viele Pflich-
ten zu erfüllen hatte.

Ich verstehe hier gewisse Pflichten gegen mei-
ne redlichen Freunde, welche ich aber durch mei-
nen verzögerten Abgang von Halle doch nicht
nur nicht erfüllte, sondern sogar noch mehrte.
Indessen muß ich den guten Willen und die red-
liche Gesinnung meiner Freunde dankbar rüh-
men, wenn sie gleich ihren Rath mir nur nach
ihren Gedanken gaben, da sie das, was in
mir
vorging, weder fühlen noch verstehen
konnten, und da ich selbst, aus Mangel an dem
tertium comparationis, ihnen keinen Begriff da-
von machen konnte.

Meine Empfindung mahlte mir meine
damalige Lage ganz anders vor, als sie nach
ihren Gedanken sie fanden; und darum ver-
zeihen sie mir mein lästiges Widerkäuen gewiß
gern, vorzüglich Hr. Bispink. Sie hatten,
wie ich jezt einsehe, vollkommen recht; aber der
Sturm in mir ließ mich damals das nicht er-
kennen. Wohl mir, wohl jedem, der bey Unge-
wittern von der Art Freunde zur Stütze hat,
deren unbefangene, kalte Vernunft den Able[iter]

Viert. Th. 2te Abth. X

gehen, und bald da, bald dort mein Fortkommen
zu ſuchen: aber allemal war es mir unmoͤglich,
einen Ort zu verlaſſen, wo ich noch viele Pflich-
ten zu erfuͤllen hatte.

Ich verſtehe hier gewiſſe Pflichten gegen mei-
ne redlichen Freunde, welche ich aber durch mei-
nen verzoͤgerten Abgang von Halle doch nicht
nur nicht erfuͤllte, ſondern ſogar noch mehrte.
Indeſſen muß ich den guten Willen und die red-
liche Geſinnung meiner Freunde dankbar ruͤh-
men, wenn ſie gleich ihren Rath mir nur nach
ihren Gedanken gaben, da ſie das, was in
mir
vorging, weder fuͤhlen noch verſtehen
konnten, und da ich ſelbſt, aus Mangel an dem
tertium comparationis, ihnen keinen Begriff da-
von machen konnte.

Meine Empfindung mahlte mir meine
damalige Lage ganz anders vor, als ſie nach
ihren Gedanken ſie fanden; und darum ver-
zeihen ſie mir mein laͤſtiges Widerkaͤuen gewiß
gern, vorzuͤglich Hr. Bispink. Sie hatten,
wie ich jezt einſehe, vollkommen recht; aber der
Sturm in mir ließ mich damals das nicht er-
kennen. Wohl mir, wohl jedem, der bey Unge-
wittern von der Art Freunde zur Stuͤtze hat,
deren unbefangene, kalte Vernunft den Able[iter]

Viert. Th. 2te Abth. X
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[321/0325] gehen, und bald da, bald dort mein Fortkommen zu ſuchen: aber allemal war es mir unmoͤglich, einen Ort zu verlaſſen, wo ich noch viele Pflich- ten zu erfuͤllen hatte. Ich verſtehe hier gewiſſe Pflichten gegen mei- ne redlichen Freunde, welche ich aber durch mei- nen verzoͤgerten Abgang von Halle doch nicht nur nicht erfuͤllte, ſondern ſogar noch mehrte. Indeſſen muß ich den guten Willen und die red- liche Geſinnung meiner Freunde dankbar ruͤh- men, wenn ſie gleich ihren Rath mir nur nach ihren Gedanken gaben, da ſie das, was in mir vorging, weder fuͤhlen noch verſtehen konnten, und da ich ſelbſt, aus Mangel an dem tertium comparationis, ihnen keinen Begriff da- von machen konnte. Meine Empfindung mahlte mir meine damalige Lage ganz anders vor, als ſie nach ihren Gedanken ſie fanden; und darum ver- zeihen ſie mir mein laͤſtiges Widerkaͤuen gewiß gern, vorzuͤglich Hr. Bispink. Sie hatten, wie ich jezt einſehe, vollkommen recht; aber der Sturm in mir ließ mich damals das nicht er- kennen. Wohl mir, wohl jedem, der bey Unge- wittern von der Art Freunde zur Stuͤtze hat, deren unbefangene, kalte Vernunft den Ableiter Viert. Th. 2te Abth. X

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/325>, abgerufen am 22.11.2024.