denten und Ande[r]n hören mußte, wer Schuld dar- an seyn sollte. Dieß aufgeregte Schmerzgefühl trieb mich jedesmal von neuem unstät umher. Schon der Anblick irgend eines Soldaten, eines Studenten oder Professors versenkte mich in tiefen Kummer, und machte mich gleichgültig gegen Alles.
Hr. Bispink verschaffte mir Gelegenheit, dann und wann in Gesellschaft von Honoratioren mitzukommen, um, wie er sagte, mich allmälig an einen liberalen Umgang mit Menschen zu ge- wöhnen, deren Unterhaltung eben so sehr belehre, als ergötze. Ich habe aber, wie man weiß, die Assambleen der Honoratioren nie gesucht, weil ich für sie nicht passe und mich überhaupt allemal sche- nirt finde, wenn ich bey Leuten bin, die vorneh- mer sind, als ich, das heißt, welche besser geklei- det sind, mehr Geld, mehr Einsicht oder mehr Werth haben, als ich. Alsdaun fühlt man seinen Abstand schmerzhaft, zumal, wenn man ihn selbst verschuldet hat, und sich zu sehr verwöhnt findet, als daß man sich zu ihnen wieder heranheben, oder wenigstens wieder nähern könne. Das Bewußt- seyn davon macht im Innern verlegen, und im Aeußern linkisch. Mein damaliger Zustand spannte mich auch zu sehr, als daß ich für die sanftern Verguügungen hätte empfänglich seyn können.
denten und Ande[r]n hoͤren mußte, wer Schuld dar- an ſeyn ſollte. Dieß aufgeregte Schmerzgefuͤhl trieb mich jedesmal von neuem unſtaͤt umher. Schon der Anblick irgend eines Soldaten, eines Studenten oder Profeſſors verſenkte mich in tiefen Kummer, und machte mich gleichguͤltig gegen Alles.
Hr. Bispink verſchaffte mir Gelegenheit, dann und wann in Geſellſchaft von Honoratioren mitzukommen, um, wie er ſagte, mich allmaͤlig an einen liberalen Umgang mit Menſchen zu ge- woͤhnen, deren Unterhaltung eben ſo ſehr belehre, als ergoͤtze. Ich habe aber, wie man weiß, die Aſſambleen der Honoratioren nie geſucht, weil ich fuͤr ſie nicht paſſe und mich uͤberhaupt allemal ſche- nirt finde, wenn ich bey Leuten bin, die vorneh- mer ſind, als ich, das heißt, welche beſſer geklei- det ſind, mehr Geld, mehr Einſicht oder mehr Werth haben, als ich. Alsdaun fuͤhlt man ſeinen Abſtand ſchmerzhaft, zumal, wenn man ihn ſelbſt verſchuldet hat, und ſich zu ſehr verwoͤhnt findet, als daß man ſich zu ihnen wieder heranheben, oder wenigſtens wieder naͤhern koͤnne. Das Bewußt- ſeyn davon macht im Innern verlegen, und im Aeußern linkiſch. Mein damaliger Zuſtand ſpannte mich auch zu ſehr, als daß ich fuͤr die ſanftern Verguuͤgungen haͤtte empfaͤnglich ſeyn koͤnnen.
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denten und Andern hoͤren mußte, wer Schuld dar-
an ſeyn ſollte. Dieß aufgeregte Schmerzgefuͤhl
trieb mich jedesmal von neuem unſtaͤt umher.
Schon der Anblick irgend eines Soldaten, eines
Studenten oder Profeſſors verſenkte mich in tiefen
Kummer, und machte mich gleichguͤltig gegen
Alles.
Hr. Bispink verſchaffte mir Gelegenheit,
dann und wann in Geſellſchaft von Honoratioren
mitzukommen, um, wie er ſagte, mich allmaͤlig
an einen liberalen Umgang mit Menſchen zu ge-
woͤhnen, deren Unterhaltung eben ſo ſehr belehre,
als ergoͤtze. Ich habe aber, wie man weiß, die
Aſſambleen der Honoratioren nie geſucht, weil ich
fuͤr ſie nicht paſſe und mich uͤberhaupt allemal ſche-
nirt finde, wenn ich bey Leuten bin, die vorneh-
mer ſind, als ich, das heißt, welche beſſer geklei-
det ſind, mehr Geld, mehr Einſicht oder mehr
Werth haben, als ich. Alsdaun fuͤhlt man ſeinen
Abſtand ſchmerzhaft, zumal, wenn man ihn ſelbſt
verſchuldet hat, und ſich zu ſehr verwoͤhnt findet,
als daß man ſich zu ihnen wieder heranheben, oder
wenigſtens wieder naͤhern koͤnne. Das Bewußt-
ſeyn davon macht im Innern verlegen, und im
Aeußern linkiſch. Mein damaliger Zuſtand ſpannte
mich auch zu ſehr, als daß ich fuͤr die ſanftern
Verguuͤgungen haͤtte empfaͤnglich ſeyn koͤnnen.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/288>, abgerufen am 23.11.2024.
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