men, verlas dann von einem Zettel fünf bis sechs Namen von ihnen, und diesen sagte er, daß sie frey wären. Dann händigte er einem jeden ein Papier ein, mir also auch eins, worin enthalten war, daß keine Ursache zur Anklage gegen sie vor- handen wäre, folglich daß sie in Freyheit gesezt werden m[üß]ten, und das auf der Stelle.
Ich kann die Freude nicht beschreiben, die ich empfand, als ich mein Papier in Händen hatte. Ich dankte dem Ankläger, den ich als die Mit- u[r]sache meiner glücklichen Entlassung ansah. N[ - 1 Zeichen fehlt]cht doch -- sagte er ganz kurz: Es ist das Ge- setz, welches dich frey macht! Dann rieth er mir, nicht eher Macon zu verlassen, bis ich für jeden Tag, auch für jene, die ich im Gefängniß zu Di- jon gesessen wäre, 1[5] Sous ausgezahlt bekommen hätte: denn so viel erhält jeder, der unschuldig im Gefängniß sizt. Ich sollte mich deshalb nur auf dem T[ri]bunal melden. Ich bemerkte ihm, daß ich mich da nicht zu finden müßte, und er versprach mir, für mich das Wort zu führen. Ich gieng aus dem Gefängniß, und um 11 Uhr auf [die] Inquisition, wo der Ankläger schon einen Zettel für mich fertig hatte. Ich trug diesen zum Kriegskommissär, und erhielt mein Geld. Ich war im ganzen 32 Tage gesessen, und hatte also durch meine Angst 24 Livres verdient! --
men, verlas dann von einem Zettel fuͤnf bis ſechs Namen von ihnen, und dieſen ſagte er, daß ſie frey waͤren. Dann haͤndigte er einem jeden ein Papier ein, mir alſo auch eins, worin enthalten war, daß keine Urſache zur Anklage gegen ſie vor- handen waͤre, folglich daß ſie in Freyheit geſezt werden m[uͤß]ten, und das auf der Stelle.
Ich kann die Freude nicht beſchreiben, die ich empfand, als ich mein Papier in Haͤnden hatte. Ich dankte dem Anklaͤger, den ich als die Mit- u[r]ſache meiner gluͤcklichen Entlaſſung anſah. N[ – 1 Zeichen fehlt]cht doch — ſagte er ganz kurz: Es iſt das Ge- ſetz, welches dich frey macht! Dann rieth er mir, nicht eher Mâcon zu verlaſſen, bis ich fuͤr jeden Tag, auch fuͤr jene, die ich im Gefaͤngniß zu Di- jon geſeſſen waͤre, 1[5] Sous ausgezahlt bekommen haͤtte: denn ſo viel erhaͤlt jeder, der unſchuldig im Gefaͤngniß ſizt. Ich ſollte mich deshalb nur auf dem T[ri]bunal melden. Ich bemerkte ihm, daß ich mich da nicht zu finden muͤßte, und er verſprach mir, fuͤr mich das Wort zu fuͤhren. Ich gieng aus dem Gefaͤngniß, und um 11 Uhr auf [die] Inquiſition, wo der Anklaͤger ſchon einen Zettel fuͤr mich fertig hatte. Ich trug dieſen zum Kriegskommiſſaͤr, und erhielt mein Geld. Ich war im ganzen 32 Tage geſeſſen, und hatte alſo durch meine Angſt 24 Livres verdient! —
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men, verlas dann von einem Zettel fuͤnf bis ſechs
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Papier ein, mir alſo auch eins, worin enthalten
war, daß keine Urſache zur Anklage gegen ſie vor-
handen waͤre, folglich daß ſie in Freyheit geſezt
werden muͤßten, und das auf der Stelle.
Ich kann die Freude nicht beſchreiben, die ich
empfand, als ich mein Papier in Haͤnden hatte.
Ich dankte dem Anklaͤger, den ich als die Mit-
urſache meiner gluͤcklichen Entlaſſung anſah.
N_cht doch — ſagte er ganz kurz: Es iſt das Ge-
ſetz, welches dich frey macht! Dann rieth er mir,
nicht eher Mâcon zu verlaſſen, bis ich fuͤr jeden
Tag, auch fuͤr jene, die ich im Gefaͤngniß zu Di-
jon geſeſſen waͤre, 15 Sous ausgezahlt bekommen
haͤtte: denn ſo viel erhaͤlt jeder, der unſchuldig
im Gefaͤngniß ſizt. Ich ſollte mich deshalb nur
auf dem Tribunal melden. Ich bemerkte ihm,
daß ich mich da nicht zu finden muͤßte, und er
verſprach mir, fuͤr mich das Wort zu fuͤhren.
Ich gieng aus dem Gefaͤngniß, und um 11 Uhr
auf die Inquiſition, wo der Anklaͤger ſchon einen
Zettel fuͤr mich fertig hatte. Ich trug dieſen zum
Kriegskommiſſaͤr, und erhielt mein Geld. Ich
war im ganzen 32 Tage geſeſſen, und hatte alſo
durch meine Angſt 24 Livres verdient! —
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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