den meisten Mützen las man die Worte: mort aux rois, oder mort aux tyrans! So eine Mütze war ein Hauptkennzeichen des Civismus. Sogar an den verschnittenen und ungepuderten Haaren wollte man den bessern Patrioten kennen können; und kurze Hosen sah man fast gar nicht mehr: sie schie- nen aristokratisch zu seyn. Wer nicht gerade eine Nationaluniform hatte, zog eine kurze Jacke (ma- telote) an, und damit holla!
Unter den unsinnigen Jakobinern gab es einige, die des Abends unter den Fenstern herumschlichen und horchten, ob irgend jemand laut betete, wie es sonst bey einigen Katholiken Mode ist. Hörten sie laut beten, so gaben sie die Leute an, daß sie heimlich Gottesdienst hielten, und durch Gebete den König und die alte Verfassung wollten herstellen. Man hat diese Anklagen oft gehört; und die Beter wurden verdächtig, und kamen ins Gefängniß. Der Rosenkranz war vollends ein deutliches Zei- chen des Aristokratismus. Wer noch so dumm seyn konnte, den zu beten, so einen hielt man auch für dumm genug, das Königthum der Repu- blik vorzuziehen, und behandelte ihn als ver- dächtig.
Selbst die französische Sprache hat während des Schreckensystems gewaltige Veränderungen er- litten. Viele Wörter, welche sonst etwas ehr-
den meiſten Muͤtzen las man die Worte: mort aux rois, oder mort aux tyrans! So eine Muͤtze war ein Hauptkennzeichen des Civismus. Sogar an den verſchnittenen und ungepuderten Haaren wollte man den beſſern Patrioten kennen koͤnnen; und kurze Hoſen ſah man faſt gar nicht mehr: ſie ſchie- nen ariſtokratiſch zu ſeyn. Wer nicht gerade eine Nationaluniform hatte, zog eine kurze Jacke (ma- telote) an, und damit holla!
Unter den unſinnigen Jakobinern gab es einige, die des Abends unter den Fenſtern herumſchlichen und horchten, ob irgend jemand laut betete, wie es ſonſt bey einigen Katholiken Mode iſt. Hoͤrten ſie laut beten, ſo gaben ſie die Leute an, daß ſie heimlich Gottesdienſt hielten, und durch Gebete den Koͤnig und die alte Verfaſſung wollten herſtellen. Man hat dieſe Anklagen oft gehoͤrt; und die Beter wurden verdaͤchtig, und kamen ins Gefaͤngniß. Der Roſenkranz war vollends ein deutliches Zei- chen des Ariſtokratismus. Wer noch ſo dumm ſeyn konnte, den zu beten, ſo einen hielt man auch fuͤr dumm genug, das Koͤnigthum der Repu- blik vorzuziehen, und behandelte ihn als ver- daͤchtig.
Selbſt die franzoͤſiſche Sprache hat waͤhrend des Schreckenſyſtems gewaltige Veraͤnderungen er- litten. Viele Woͤrter, welche ſonſt etwas ehr-
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den meiſten Muͤtzen las man die Worte: mort aux
rois, oder mort aux tyrans! So eine Muͤtze war
ein Hauptkennzeichen des Civismus. Sogar an
den verſchnittenen und ungepuderten Haaren wollte
man den beſſern Patrioten kennen koͤnnen; und
kurze Hoſen ſah man faſt gar nicht mehr: ſie ſchie-
nen ariſtokratiſch zu ſeyn. Wer nicht gerade eine
Nationaluniform hatte, zog eine kurze Jacke (ma-
telote) an, und damit holla!
Unter den unſinnigen Jakobinern gab es einige,
die des Abends unter den Fenſtern herumſchlichen
und horchten, ob irgend jemand laut betete, wie
es ſonſt bey einigen Katholiken Mode iſt. Hoͤrten
ſie laut beten, ſo gaben ſie die Leute an, daß ſie
heimlich Gottesdienſt hielten, und durch Gebete
den Koͤnig und die alte Verfaſſung wollten herſtellen.
Man hat dieſe Anklagen oft gehoͤrt; und die Beter
wurden verdaͤchtig, und kamen ins Gefaͤngniß.
Der Roſenkranz war vollends ein deutliches Zei-
chen des Ariſtokratismus. Wer noch ſo dumm
ſeyn konnte, den zu beten, ſo einen hielt man
auch fuͤr dumm genug, das Koͤnigthum der Repu-
blik vorzuziehen, und behandelte ihn als ver-
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Selbſt die franzoͤſiſche Sprache hat waͤhrend
des Schreckenſyſtems gewaltige Veraͤnderungen er-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/103>, abgerufen am 24.11.2024.
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