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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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Todesurtheil beruhen konnte. Wenn mich ihrer
zwey vom Brode helfen wollten, so durften sie
mich nur angeben, und siehe, Morgen floß mein
Blut auf der Guillotine. Eine Brannteweinbren-
nerin zu Dijon am Thor Marat -- vor Alters
Petersthor -- hat durch ihre Denunciationen mehr
als zehn Personen zum Tode und ins Gefängniß
gebracht. Man hat Beyspiele, daß sogar Brüder
einander angegeben, und daß Eheleute einander
revolutionnärer Verbrechen beschuldiget haben. Das
ist freylich abscheulich: allein man sehe Kochs
institutiones juris criminalis, und man wird im Ka-
pitel de crimine laesae majestatis finden, daß der-
gleichen widerrechtliche Anwendungen der Gesetze
auch in Deutschland in gewissen Fällen legal seyn
sollen. Was man bey uns beleidigte Maje-
stät nennt, nannte man in Frankreich belei-
digte Nation.

Um diese Zeit hörte aller freundschaftliche Um-
gang im ganzen Reiche auf, und der sonst so ge-
schwätzige Franzose mußte damals seine Worte ab-
wägen, und auf seiner Hut seyn. Es war sicherer
zu stehlen, oder zu morden, als gegen die Konsti-
tution, oder vielmehr wider den Jakobinismus zu
reden. Kein Mensch besuchte mehr den andern in
seinem Hause, keiner wagte einen freundlichen

Viert. Th. 2te Abth. G

Todesurtheil beruhen konnte. Wenn mich ihrer
zwey vom Brode helfen wollten, ſo durften ſie
mich nur angeben, und ſiehe, Morgen floß mein
Blut auf der Guillotine. Eine Brannteweinbren-
nerin zu Dijon am Thor Marat — vor Alters
Petersthor — hat durch ihre Denunciationen mehr
als zehn Perſonen zum Tode und ins Gefaͤngniß
gebracht. Man hat Beyſpiele, daß ſogar Bruͤder
einander angegeben, und daß Eheleute einander
revolutionnaͤrer Verbrechen beſchuldiget haben. Das
iſt freylich abſcheulich: allein man ſehe Kochs
inſtitutiones juris criminalis, und man wird im Ka-
pitel de crimine laeſae majeſtatis finden, daß der-
gleichen widerrechtliche Anwendungen der Geſetze
auch in Deutſchland in gewiſſen Faͤllen legal ſeyn
ſollen. Was man bey uns beleidigte Maje-
ſtaͤt nennt, nannte man in Frankreich belei-
digte Nation.

Um dieſe Zeit hoͤrte aller freundſchaftliche Um-
gang im ganzen Reiche auf, und der ſonſt ſo ge-
ſchwaͤtzige Franzoſe mußte damals ſeine Worte ab-
waͤgen, und auf ſeiner Hut ſeyn. Es war ſicherer
zu ſtehlen, oder zu morden, als gegen die Konſti-
tution, oder vielmehr wider den Jakobinismus zu
reden. Kein Menſch beſuchte mehr den andern in
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Viert. Th. 2te Abth. G
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[97/0101] Todesurtheil beruhen konnte. Wenn mich ihrer zwey vom Brode helfen wollten, ſo durften ſie mich nur angeben, und ſiehe, Morgen floß mein Blut auf der Guillotine. Eine Brannteweinbren- nerin zu Dijon am Thor Marat — vor Alters Petersthor — hat durch ihre Denunciationen mehr als zehn Perſonen zum Tode und ins Gefaͤngniß gebracht. Man hat Beyſpiele, daß ſogar Bruͤder einander angegeben, und daß Eheleute einander revolutionnaͤrer Verbrechen beſchuldiget haben. Das iſt freylich abſcheulich: allein man ſehe Kochs inſtitutiones juris criminalis, und man wird im Ka- pitel de crimine laeſae majeſtatis finden, daß der- gleichen widerrechtliche Anwendungen der Geſetze auch in Deutſchland in gewiſſen Faͤllen legal ſeyn ſollen. Was man bey uns beleidigte Maje- ſtaͤt nennt, nannte man in Frankreich belei- digte Nation. Um dieſe Zeit hoͤrte aller freundſchaftliche Um- gang im ganzen Reiche auf, und der ſonſt ſo ge- ſchwaͤtzige Franzoſe mußte damals ſeine Worte ab- waͤgen, und auf ſeiner Hut ſeyn. Es war ſicherer zu ſtehlen, oder zu morden, als gegen die Konſti- tution, oder vielmehr wider den Jakobinismus zu reden. Kein Menſch beſuchte mehr den andern in ſeinem Hauſe, keiner wagte einen freundlichen Viert. Th. 2te Abth. G

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/101>, abgerufen am 22.11.2024.