Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Er: Und ich noch weniger. Ich lief aber gleich
zum Märe, und fragte ihn, warum du arretirt
wärest. Er wies mir den Befehl von Paris, aber
da fand ich weiter nichts, als daß man dich eines
kontrerevolutionnären Verbrechens im allgemeinen
beschuldiget. Der öffentliche Ankläger, heißt es,
solle in einigen Tagen seine Instruktion deinetwe-
gen erhalten.

Nun ging mir ein fürchterliches Licht auf!
Sollte mein Brief an Dentzel dem Wohlfahrts-
ausschuß übergeben seyn? Das war mir jezt ge-
wiß. Aber wer hat dem Wohlfahrtsausschuß denn
gesagt, was ich in Landau habe machen sollen?
Mein Verdacht fiel gleich auf Dentzel; und da
bemeisterte sich eine sehr unedle Rachsucht meiner
Seele: ich wollte ihn verderben, ohne meiner selbst
zu schonen. Es schien mir so süß, so angenehm,
den, der mich hätte verrathen können, mit mir
ins Verderben zu reißen. Ich schäme mich noch
jezt dieser sehr unedlen Empfindung, welche ich
damals in der ersten Aufwallung hatte; aber da-
mals war sie mir vielleicht zu vergeben. Der Er-
folg scheint indessen doch zu beweisen, daß Den-
tzel, als ehrlicher Mann, mir Wort gehalten, und
an meiner Gefangennehmung keinen Antheil gehabt
hat: denn er kam bald nach Robespierre's Tode

Er: Und ich noch weniger. Ich lief aber gleich
zum Maͤre, und fragte ihn, warum du arretirt
waͤreſt. Er wies mir den Befehl von Paris, aber
da fand ich weiter nichts, als daß man dich eines
kontrerevolutionnaͤren Verbrechens im allgemeinen
beſchuldiget. Der oͤffentliche Anklaͤger, heißt es,
ſolle in einigen Tagen ſeine Inſtruktion deinetwe-
gen erhalten.

Nun ging mir ein fuͤrchterliches Licht auf!
Sollte mein Brief an Dentzel dem Wohlfahrts-
ausſchuß uͤbergeben ſeyn? Das war mir jezt ge-
wiß. Aber wer hat dem Wohlfahrtsausſchuß denn
geſagt, was ich in Landau habe machen ſollen?
Mein Verdacht fiel gleich auf Dentzel; und da
bemeiſterte ſich eine ſehr unedle Rachſucht meiner
Seele: ich wollte ihn verderben, ohne meiner ſelbſt
zu ſchonen. Es ſchien mir ſo ſuͤß, ſo angenehm,
den, der mich haͤtte verrathen koͤnnen, mit mir
ins Verderben zu reißen. Ich ſchaͤme mich noch
jezt dieſer ſehr unedlen Empfindung, welche ich
damals in der erſten Aufwallung hatte; aber da-
mals war ſie mir vielleicht zu vergeben. Der Er-
folg ſcheint indeſſen doch zu beweiſen, daß Den-
tzel, als ehrlicher Mann, mir Wort gehalten, und
an meiner Gefangennehmung keinen Antheil gehabt
hat: denn er kam bald nach Robespierre's Tode

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0511" n="507"/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>: Und ich noch weniger. Ich lief aber gleich<lb/>
zum Ma&#x0364;re, und fragte ihn, warum du arretirt<lb/>
wa&#x0364;re&#x017F;t. Er wies mir den Befehl von Paris, aber<lb/>
da fand ich weiter nichts, als daß man dich eines<lb/>
kontrerevolutionna&#x0364;ren Verbrechens im allgemeinen<lb/>
be&#x017F;chuldiget. Der o&#x0364;ffentliche Ankla&#x0364;ger, heißt es,<lb/>
&#x017F;olle in einigen Tagen &#x017F;eine In&#x017F;truktion deinetwe-<lb/>
gen erhalten.</p><lb/>
        <p>Nun ging mir ein fu&#x0364;rchterliches Licht auf!<lb/>
Sollte mein Brief an <hi rendition="#g">Dentzel</hi> dem Wohlfahrts-<lb/>
aus&#x017F;chuß u&#x0364;bergeben &#x017F;eyn? Das war mir jezt ge-<lb/>
wiß. Aber wer hat dem Wohlfahrtsaus&#x017F;chuß denn<lb/>
ge&#x017F;agt, was ich in <hi rendition="#g">Landau</hi> habe machen &#x017F;ollen?<lb/>
Mein Verdacht fiel gleich auf <hi rendition="#g">Dentzel</hi>; und da<lb/>
bemei&#x017F;terte &#x017F;ich eine &#x017F;ehr unedle Rach&#x017F;ucht meiner<lb/>
Seele: ich wollte ihn verderben, ohne meiner &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu &#x017F;chonen. Es &#x017F;chien mir &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ß, &#x017F;o angenehm,<lb/>
den, der mich ha&#x0364;tte verrathen ko&#x0364;nnen, mit mir<lb/>
ins Verderben zu reißen. Ich &#x017F;cha&#x0364;me mich noch<lb/>
jezt die&#x017F;er &#x017F;ehr unedlen Empfindung, welche ich<lb/>
damals in der er&#x017F;ten Aufwallung hatte; aber da-<lb/>
mals war &#x017F;ie mir vielleicht zu vergeben. Der Er-<lb/>
folg &#x017F;cheint inde&#x017F;&#x017F;en doch zu bewei&#x017F;en, daß <hi rendition="#g">Den</hi>-<lb/><hi rendition="#g">tzel</hi>, als ehrlicher Mann, mir Wort gehalten, und<lb/>
an meiner Gefangennehmung keinen Antheil gehabt<lb/>
hat: denn er kam bald nach Robespierre's Tode<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[507/0511] Er: Und ich noch weniger. Ich lief aber gleich zum Maͤre, und fragte ihn, warum du arretirt waͤreſt. Er wies mir den Befehl von Paris, aber da fand ich weiter nichts, als daß man dich eines kontrerevolutionnaͤren Verbrechens im allgemeinen beſchuldiget. Der oͤffentliche Anklaͤger, heißt es, ſolle in einigen Tagen ſeine Inſtruktion deinetwe- gen erhalten. Nun ging mir ein fuͤrchterliches Licht auf! Sollte mein Brief an Dentzel dem Wohlfahrts- ausſchuß uͤbergeben ſeyn? Das war mir jezt ge- wiß. Aber wer hat dem Wohlfahrtsausſchuß denn geſagt, was ich in Landau habe machen ſollen? Mein Verdacht fiel gleich auf Dentzel; und da bemeiſterte ſich eine ſehr unedle Rachſucht meiner Seele: ich wollte ihn verderben, ohne meiner ſelbſt zu ſchonen. Es ſchien mir ſo ſuͤß, ſo angenehm, den, der mich haͤtte verrathen koͤnnen, mit mir ins Verderben zu reißen. Ich ſchaͤme mich noch jezt dieſer ſehr unedlen Empfindung, welche ich damals in der erſten Aufwallung hatte; aber da- mals war ſie mir vielleicht zu vergeben. Der Er- folg ſcheint indeſſen doch zu beweiſen, daß Den- tzel, als ehrlicher Mann, mir Wort gehalten, und an meiner Gefangennehmung keinen Antheil gehabt hat: denn er kam bald nach Robespierre's Tode

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/511
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/511>, abgerufen am 03.05.2024.