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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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chen, wie es die Vernunft nach dem Spruch des
Gesetzes fodert.

Man entdeckt gar bald, welcher Richter ein
Schurke, und welcher ein ehrlicher Mann ist. Wir
wissen z. B. alle, daß Hr. Linksum die Pupillenkasse
bestohlen hat; daß Hr. Rath Schurkius falsche
Zeugnisse gerichtlich ausstellt; daß der Justizkom-
missar Rabula zwey Gegenpartheyen zugleich be-
dient, und beyde betrügt; daß der Justiz-Amtmann
Schleicher für den Putz seiner Frau und Kinder
mehr ausgiebt, als er rechtmäßiges Einkommen
hat: das und noch tausendmal mehr wissen wir,
aber wozu hilft es, daß wir es wissen? Die Her-
ren hab[e]n Aemter d. i. Gewalt. Nehmt aber
dem Herrn Linksum, Schurkius, Rabula, Schlei-
cher und andern dieses Gelichters ihre Aemter, so
werden sie gar bald der Gegenstand der allgemeinen
Verachtung und des wohlverdienten [H]asses aller
Rechtschaffnen und selbst des Pöbels seyn, und so
ihre Strafe leiden. Wüßten diese Herren, daß man
sie einmal zur bestimmten Zeit absetzen werde: sie
würden ihr Amt weit ehrlicher verwalten. *)


*) Wer das Unwesen unsrer deutschen Justiz vielleicht noch nicht
aus Erfahrung kennt, kann es beschrieben finden in dem
"Grab der Chikane, worin, daß haufige Processe das
größte Uebel eines Staats sind, gezeigt, die wahren Quellen,
woraus sie entstehen, oder nachdem sie entstanden sind, sorg-

chen, wie es die Vernunft nach dem Spruch des
Geſetzes fodert.

Man entdeckt gar bald, welcher Richter ein
Schurke, und welcher ein ehrlicher Mann iſt. Wir
wiſſen z. B. alle, daß Hr. Linksum die Pupillenkaſſe
beſtohlen hat; daß Hr. Rath Schurkius falſche
Zeugniſſe gerichtlich ausſtellt; daß der Juſtizkom-
miſſar Rabula zwey Gegenpartheyen zugleich be-
dient, und beyde betruͤgt; daß der Juſtiz-Amtmann
Schleicher fuͤr den Putz ſeiner Frau und Kinder
mehr ausgiebt, als er rechtmaͤßiges Einkommen
hat: das und noch tauſendmal mehr wiſſen wir,
aber wozu hilft es, daß wir es wiſſen? Die Her-
ren hab[e]n Aemter d. i. Gewalt. Nehmt aber
dem Herrn Linksum, Schurkius, Rabula, Schlei-
cher und andern dieſes Gelichters ihre Aemter, ſo
werden ſie gar bald der Gegenſtand der allgemeinen
Verachtung und des wohlverdienten [H]aſſes aller
Rechtſchaffnen und ſelbſt des Poͤbels ſeyn, und ſo
ihre Strafe leiden. Wuͤßten dieſe Herren, daß man
ſie einmal zur beſtimmten Zeit abſetzen werde: ſie
wuͤrden ihr Amt weit ehrlicher verwalten. *)


*) Wer das Unweſen unſrer deutſchen Juſtiz vielleicht noch nicht
aus Erfahrung kennt, kann es beſchrieben finden in dem
Grab der Chikane, worin, daß haufige Proceſſe das
größte Uebel eines Staats ſind, gezeigt, die wahren Quellen,
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[487/0491] chen, wie es die Vernunft nach dem Spruch des Geſetzes fodert. Man entdeckt gar bald, welcher Richter ein Schurke, und welcher ein ehrlicher Mann iſt. Wir wiſſen z. B. alle, daß Hr. Linksum die Pupillenkaſſe beſtohlen hat; daß Hr. Rath Schurkius falſche Zeugniſſe gerichtlich ausſtellt; daß der Juſtizkom- miſſar Rabula zwey Gegenpartheyen zugleich be- dient, und beyde betruͤgt; daß der Juſtiz-Amtmann Schleicher fuͤr den Putz ſeiner Frau und Kinder mehr ausgiebt, als er rechtmaͤßiges Einkommen hat: das und noch tauſendmal mehr wiſſen wir, aber wozu hilft es, daß wir es wiſſen? Die Her- ren haben Aemter d. i. Gewalt. Nehmt aber dem Herrn Linksum, Schurkius, Rabula, Schlei- cher und andern dieſes Gelichters ihre Aemter, ſo werden ſie gar bald der Gegenſtand der allgemeinen Verachtung und des wohlverdienten Haſſes aller Rechtſchaffnen und ſelbſt des Poͤbels ſeyn, und ſo ihre Strafe leiden. Wuͤßten dieſe Herren, daß man ſie einmal zur beſtimmten Zeit abſetzen werde: ſie wuͤrden ihr Amt weit ehrlicher verwalten. *) *) Wer das Unweſen unſrer deutſchen Juſtiz vielleicht noch nicht aus Erfahrung kennt, kann es beſchrieben finden in dem „Grab der Chikane, worin, daß haufige Proceſſe das größte Uebel eines Staats ſind, gezeigt, die wahren Quellen, woraus ſie entſtehen, oder nachdem ſie entſtanden ſind, ſorg-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/491>, abgerufen am 21.05.2024.