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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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Die Ursache der schnellen Justiz in Frankreich
mag wohl nicht an den Gesetzen allein, und nicht
einmal größtentheils an den Gesetzen liegen. Diese
sind zwar sehr deutlich und bestimmt, und es kostet
kein Kopfbrechen, sie zu verstehen, und im gehörigen
Fall anzuwenden. Aber die Gesetze in andern Län-
dern sind auch deutlich und bestimmt, wie man
denn dem neuen Gesetzbuch in Preußen meist nur
den Vorwurf der Weitschweifigkeit machen kann.
Aber daß in Frankreich die Justiz rasch von statten
gehe, in andern Ländern aber so sehr schneckengän-
gig, daran scheinen andre Dinge Schuld zu seyn.
In Frankreich gilt der hohe Grundsatz der Gleich-
heit, nach welchem jeder Mensch, in Rücksicht
auf Gesetz und Recht, so gut ist, als jeder andere;
folglich darf und kan[n] da keine Person angesehen
werden. Aber in Deutschland -- du lieber Gott,
da kann mancher zugleich Kläger und Zeuge seyn;
da frägt man erst wer es ist? Und findet sichs,
daß der Beklagte ein Mann von Einfluß, ein rei-
cher, vornehmer Herr ist, je nun, so verliert er
seinen Proceß gewiß nicht, gesezt auch, er habe
das größte Unrecht von der Welt. Ich kann mit
Beyspielen aufwarten.

Eine andere Hauptursache der schnellen Justiz-
pflege in Frankreich ist, daß keine Advokaten da
sind, keine Justizkommissarien, welche für Geld

Die Urſache der ſchnellen Juſtiz in Frankreich
mag wohl nicht an den Geſetzen allein, und nicht
einmal groͤßtentheils an den Geſetzen liegen. Dieſe
ſind zwar ſehr deutlich und beſtimmt, und es koſtet
kein Kopfbrechen, ſie zu verſtehen, und im gehoͤrigen
Fall anzuwenden. Aber die Geſetze in andern Laͤn-
dern ſind auch deutlich und beſtimmt, wie man
denn dem neuen Geſetzbuch in Preußen meiſt nur
den Vorwurf der Weitſchweifigkeit machen kann.
Aber daß in Frankreich die Juſtiz raſch von ſtatten
gehe, in andern Laͤndern aber ſo ſehr ſchneckengaͤn-
gig, daran ſcheinen andre Dinge Schuld zu ſeyn.
In Frankreich gilt der hohe Grundſatz der Gleich-
heit, nach welchem jeder Menſch, in Ruͤckſicht
auf Geſetz und Recht, ſo gut iſt, als jeder andere;
folglich darf und kan[n] da keine Perſon angeſehen
werden. Aber in Deutſchland — du lieber Gott,
da kann mancher zugleich Klaͤger und Zeuge ſeyn;
da fraͤgt man erſt wer es iſt? Und findet ſichs,
daß der Beklagte ein Mann von Einfluß, ein rei-
cher, vornehmer Herr iſt, je nun, ſo verliert er
ſeinen Proceß gewiß nicht, geſezt auch, er habe
das groͤßte Unrecht von der Welt. Ich kann mit
Beyſpielen aufwarten.

Eine andere Haupturſache der ſchnellen Juſtiz-
pflege in Frankreich iſt, daß keine Advokaten da
ſind, keine Juſtizkommiſſarien, welche fuͤr Geld

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[485/0489] Die Urſache der ſchnellen Juſtiz in Frankreich mag wohl nicht an den Geſetzen allein, und nicht einmal groͤßtentheils an den Geſetzen liegen. Dieſe ſind zwar ſehr deutlich und beſtimmt, und es koſtet kein Kopfbrechen, ſie zu verſtehen, und im gehoͤrigen Fall anzuwenden. Aber die Geſetze in andern Laͤn- dern ſind auch deutlich und beſtimmt, wie man denn dem neuen Geſetzbuch in Preußen meiſt nur den Vorwurf der Weitſchweifigkeit machen kann. Aber daß in Frankreich die Juſtiz raſch von ſtatten gehe, in andern Laͤndern aber ſo ſehr ſchneckengaͤn- gig, daran ſcheinen andre Dinge Schuld zu ſeyn. In Frankreich gilt der hohe Grundſatz der Gleich- heit, nach welchem jeder Menſch, in Ruͤckſicht auf Geſetz und Recht, ſo gut iſt, als jeder andere; folglich darf und kann da keine Perſon angeſehen werden. Aber in Deutſchland — du lieber Gott, da kann mancher zugleich Klaͤger und Zeuge ſeyn; da fraͤgt man erſt wer es iſt? Und findet ſichs, daß der Beklagte ein Mann von Einfluß, ein rei- cher, vornehmer Herr iſt, je nun, ſo verliert er ſeinen Proceß gewiß nicht, geſezt auch, er habe das groͤßte Unrecht von der Welt. Ich kann mit Beyſpielen aufwarten. Eine andere Haupturſache der ſchnellen Juſtiz- pflege in Frankreich iſt, daß keine Advokaten da ſind, keine Juſtizkommiſſarien, welche fuͤr Geld

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/489>, abgerufen am 21.05.2024.