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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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So lehnte ich selbst das Aufseher-Amt von mir ab,
als Belin mir es antrug: denn wer thun wollte,
was sein Amt mit sich brachte, war seines Lebens
bey den Unmenschen nicht sicher.

Einst kam der Kommendant selbst ins Kloster,
um gewissen Unordnungen abzuhelfen: aber da er-
griffen ihn einige, welche vorher ihre Röcke aus-
gezogen, und ihre Gesichter mit Schnupftüchern
verbunden hatten, um unkenntlich zu seyn, gaben
ihm derbe Rippenstöße, und warfen ihn zum Thor
hinaus auf die Gasse. Er holte zwar Wache, aber
wer hatte es nun gethan! Wie konnte man unter
1000 Spitzbuben die Viere herausfinden, welche
den Kommendanten mishandelt hatten?

Das Kloster, worin die Deserteurs ihr Wesen
hatten, war ein adeliches Stift gewesen, und hatte
herrliche Bequemlichkeit: aber bald sah es aus,
wie eine Spelunke. Die meisten Zimmer waren
getäfelt, und sehr viele tapezirt gewesen, weil hier
ehemals, nach der Mode in Frankreich, viele junge
Damen erzogen wurden. Aber die Deserteurs ris-
sen die Tapeten und das Getäfel herunter, und
verbrannten alles, Thüren, Stühle, Bänke, Fuß-
boden, sogar die Sparren vom Dache. So we-
nigstens fand ichs, als ich im Jänner 1795 noch
einmal dahin ging.


So lehnte ich ſelbſt das Aufſeher-Amt von mir ab,
als Belin mir es antrug: denn wer thun wollte,
was ſein Amt mit ſich brachte, war ſeines Lebens
bey den Unmenſchen nicht ſicher.

Einſt kam der Kommendant ſelbſt ins Kloſter,
um gewiſſen Unordnungen abzuhelfen: aber da er-
griffen ihn einige, welche vorher ihre Roͤcke aus-
gezogen, und ihre Geſichter mit Schnupftuͤchern
verbunden hatten, um unkenntlich zu ſeyn, gaben
ihm derbe Rippenſtoͤße, und warfen ihn zum Thor
hinaus auf die Gaſſe. Er holte zwar Wache, aber
wer hatte es nun gethan! Wie konnte man unter
1000 Spitzbuben die Viere herausfinden, welche
den Kommendanten mishandelt hatten?

Das Kloſter, worin die Deſerteurs ihr Weſen
hatten, war ein adeliches Stift geweſen, und hatte
herrliche Bequemlichkeit: aber bald ſah es aus,
wie eine Spelunke. Die meiſten Zimmer waren
getaͤfelt, und ſehr viele tapezirt geweſen, weil hier
ehemals, nach der Mode in Frankreich, viele junge
Damen erzogen wurden. Aber die Deſerteurs riſ-
ſen die Tapeten und das Getaͤfel herunter, und
verbrannten alles, Thuͤren, Stuͤhle, Baͤnke, Fuß-
boden, ſogar die Sparren vom Dache. So we-
nigſtens fand ichs, als ich im Jaͤnner 1795 noch
einmal dahin ging.


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[475/0479] So lehnte ich ſelbſt das Aufſeher-Amt von mir ab, als Belin mir es antrug: denn wer thun wollte, was ſein Amt mit ſich brachte, war ſeines Lebens bey den Unmenſchen nicht ſicher. Einſt kam der Kommendant ſelbſt ins Kloſter, um gewiſſen Unordnungen abzuhelfen: aber da er- griffen ihn einige, welche vorher ihre Roͤcke aus- gezogen, und ihre Geſichter mit Schnupftuͤchern verbunden hatten, um unkenntlich zu ſeyn, gaben ihm derbe Rippenſtoͤße, und warfen ihn zum Thor hinaus auf die Gaſſe. Er holte zwar Wache, aber wer hatte es nun gethan! Wie konnte man unter 1000 Spitzbuben die Viere herausfinden, welche den Kommendanten mishandelt hatten? Das Kloſter, worin die Deſerteurs ihr Weſen hatten, war ein adeliches Stift geweſen, und hatte herrliche Bequemlichkeit: aber bald ſah es aus, wie eine Spelunke. Die meiſten Zimmer waren getaͤfelt, und ſehr viele tapezirt geweſen, weil hier ehemals, nach der Mode in Frankreich, viele junge Damen erzogen wurden. Aber die Deſerteurs riſ- ſen die Tapeten und das Getaͤfel herunter, und verbrannten alles, Thuͤren, Stuͤhle, Baͤnke, Fuß- boden, ſogar die Sparren vom Dache. So we- nigſtens fand ichs, als ich im Jaͤnner 1795 noch einmal dahin ging.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/479>, abgerufen am 22.11.2024.