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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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hart, aber ein Institut dieser Art muß auch vor aller
Betrügerey gesichert seyn: sonst kann es nicht bestehen.

Die Langeweile fand sich aber endlich bey mir
ein: denn da ich nur selten ausging, indem der
Oberkrankenwärter es dahin gebracht hatte, daß je-
der Krankenwärter sich bey ihm melden mußte,
wenn er weggehen wollte, so mogte ich nur alle zwey
oder drey Tage um diese Erlaubniß anhalten, und
blieb also lieber auf meinem Zimmer. Im Grunde
kann ich es dem Fraipon nicht verdenken, daß er
solche Verfügungen traf; denn es gab wirklich Ge-
sellen, welche halbe Tage lang wegblieben, und
ihre Kranken versäumten.

Um mir aber die Zeit zu vertreiben, borgte ich
mir Bücher vom Feldscheer Gibasier, und ent-
deckte endlich eine Lesebibliothek (Cabinet de Litte-
rature
), wo ich für 2 Liv. monatliche Vorausbezah-
lung Bücher in Menge haben konnte. Da las ich
nun Rousseaus neue Heloise wieder, und meh-
rere Schriften von Voltaire; eine Reihe Bän-
de von dem großen Werk, das unter dem Titel:
Recucil de Voyages imaginaires noch immer fort-
gesezt wird. Ich schaffte mir auch das [I]ournal de
Perlet
an, woraus ich die politischen Neuigkeiten
so lernen konnte, wie sie ein Erzjakobiner auf-
tischte. Als meine Mitkonsorten merkten, daß ich Zei-
tungen las, kamen sie häufig auf mein Zimmer, und

hart, aber ein Inſtitut dieſer Art muß auch vor aller
Betruͤgerey geſichert ſeyn: ſonſt kann es nicht beſtehen.

Die Langeweile fand ſich aber endlich bey mir
ein: denn da ich nur ſelten ausging, indem der
Oberkrankenwaͤrter es dahin gebracht hatte, daß je-
der Krankenwaͤrter ſich bey ihm melden mußte,
wenn er weggehen wollte, ſo mogte ich nur alle zwey
oder drey Tage um dieſe Erlaubniß anhalten, und
blieb alſo lieber auf meinem Zimmer. Im Grunde
kann ich es dem Fraipon nicht verdenken, daß er
ſolche Verfuͤgungen traf; denn es gab wirklich Ge-
ſellen, welche halbe Tage lang wegblieben, und
ihre Kranken verſaͤumten.

Um mir aber die Zeit zu vertreiben, borgte ich
mir Buͤcher vom Feldſcheer Gibaſier, und ent-
deckte endlich eine Leſebibliothek (Cabinet de Litte-
rature
), wo ich fuͤr 2 Liv. monatliche Vorausbezah-
lung Buͤcher in Menge haben konnte. Da las ich
nun Rouſſeaus neue Heloiſe wieder, und meh-
rere Schriften von Voltaire; eine Reihe Baͤn-
de von dem großen Werk, das unter dem Titel:
Recucil de Voyages imaginaires noch immer fort-
geſezt wird. Ich ſchaffte mir auch das [I]ournal de
Perlet
an, woraus ich die politiſchen Neuigkeiten
ſo lernen konnte, wie ſie ein Erzjakobiner auf-
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[450/0454] hart, aber ein Inſtitut dieſer Art muß auch vor aller Betruͤgerey geſichert ſeyn: ſonſt kann es nicht beſtehen. Die Langeweile fand ſich aber endlich bey mir ein: denn da ich nur ſelten ausging, indem der Oberkrankenwaͤrter es dahin gebracht hatte, daß je- der Krankenwaͤrter ſich bey ihm melden mußte, wenn er weggehen wollte, ſo mogte ich nur alle zwey oder drey Tage um dieſe Erlaubniß anhalten, und blieb alſo lieber auf meinem Zimmer. Im Grunde kann ich es dem Fraipon nicht verdenken, daß er ſolche Verfuͤgungen traf; denn es gab wirklich Ge- ſellen, welche halbe Tage lang wegblieben, und ihre Kranken verſaͤumten. Um mir aber die Zeit zu vertreiben, borgte ich mir Buͤcher vom Feldſcheer Gibaſier, und ent- deckte endlich eine Leſebibliothek (Cabinet de Litte- rature), wo ich fuͤr 2 Liv. monatliche Vorausbezah- lung Buͤcher in Menge haben konnte. Da las ich nun Rouſſeaus neue Heloiſe wieder, und meh- rere Schriften von Voltaire; eine Reihe Baͤn- de von dem großen Werk, das unter dem Titel: Recucil de Voyages imaginaires noch immer fort- geſezt wird. Ich ſchaffte mir auch das Iournal de Perlet an, woraus ich die politiſchen Neuigkeiten ſo lernen konnte, wie ſie ein Erzjakobiner auf- tiſchte. Als meine Mitkonſorten merkten, daß ich Zei- tungen las, kamen ſie haͤufig auf mein Zimmer, und

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/454>, abgerufen am 18.05.2024.