Ganze Reihen Häuser waren weggebrannt, und gerade die allerschönsten. Kirchen, Klöster und alle Gebäude der ehemaligen großen Herren, wa- ren ruinirt. Auch hatten die Hospitäler während der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche wenig Stunden vorher waren geköpft worden, noch auf dem Platze. Dieser Anblick machte mich schau- dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem Haufen Ohnehosen, und sagte: Es würde doch hübsch seyn, das Menschenblut dort wegzuschaffen. Warum? antwortete einer: das ist aristokratisches Rebellen-Blut, das müssen die Hunde auflecken. Hast du heute guillotiniren sehen? -- Nein! -- Nun gut: Morgen spielt man das nämliche Spiel: dann kannst du zuschauen. --
Die Leute sprachen vom Kopfabschlagen, wie wenn sie von Nußklopfen gesprochen hätten: Alles, was aristokratisch ist, muß sterben, war allemal der Refrän. Man ging bey der Untersuchung auch nicht immer sehr genau zu Werke, und es war schon hinlänglich, von Adel oder Priester gewesen zu seyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man auch sonst nichts begangen hatte. La noblesse, la pretrise ce sont des crimes, hieß es; und das Urtheil war fertig.
Ganze Reihen Haͤuſer waren weggebrannt, und gerade die allerſchoͤnſten. Kirchen, Kloͤſter und alle Gebaͤude der ehemaligen großen Herren, wa- ren ruinirt. Auch hatten die Hoſpitaͤler waͤhrend der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche wenig Stunden vorher waren gekoͤpft worden, noch auf dem Platze. Dieſer Anblick machte mich ſchau- dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem Haufen Ohnehoſen, und ſagte: Es wuͤrde doch huͤbſch ſeyn, das Menſchenblut dort wegzuſchaffen. Warum? antwortete einer: das iſt ariſtokratiſches Rebellen-Blut, das muͤſſen die Hunde auflecken. Haſt du heute guillotiniren ſehen? — Nein! — Nun gut: Morgen ſpielt man das naͤmliche Spiel: dann kannſt du zuſchauen. —
Die Leute ſprachen vom Kopfabſchlagen, wie wenn ſie von Nußklopfen geſprochen haͤtten: Alles, was ariſtokratiſch iſt, muß ſterben, war allemal der Refraͤn. Man ging bey der Unterſuchung auch nicht immer ſehr genau zu Werke, und es war ſchon hinlaͤnglich, von Adel oder Prieſter geweſen zu ſeyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man auch ſonſt nichts begangen hatte. La nobleſſe, la prêtriſe ce ſont des crimes, hieß es; und das Urtheil war fertig.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0360"n="356"/>
Ganze Reihen Haͤuſer waren weggebrannt, und<lb/>
gerade die allerſchoͤnſten. Kirchen, Kloͤſter und<lb/>
alle Gebaͤude der ehemaligen großen Herren, wa-<lb/>
ren ruinirt. Auch hatten die Hoſpitaͤler waͤhrend<lb/>
der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich<lb/>
an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche<lb/>
wenig Stunden vorher waren gekoͤpft worden, noch<lb/>
auf dem Platze. Dieſer Anblick machte mich ſchau-<lb/>
dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem<lb/>
Haufen Ohnehoſen, und ſagte: Es wuͤrde doch<lb/>
huͤbſch ſeyn, das Menſchenblut dort wegzuſchaffen.<lb/>
Warum? antwortete einer: das iſt ariſtokratiſches<lb/>
Rebellen-Blut, das muͤſſen die Hunde auflecken.<lb/>
Haſt du heute guillotiniren ſehen? — Nein! —<lb/>
Nun gut: Morgen ſpielt man das naͤmliche Spiel:<lb/>
dann kannſt du zuſchauen. —</p><lb/><p>Die Leute ſprachen vom Kopfabſchlagen, wie<lb/>
wenn ſie von Nußklopfen geſprochen haͤtten: Alles,<lb/>
was ariſtokratiſch iſt, muß ſterben, war allemal<lb/>
der Refraͤn. Man ging bey der Unterſuchung auch<lb/>
nicht immer ſehr genau zu Werke, und es war<lb/>ſchon hinlaͤnglich, von Adel oder Prieſter geweſen<lb/>
zu ſeyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man<lb/>
auch ſonſt nichts begangen hatte. <hirendition="#aq">La nobleſſe, la<lb/>
prêtriſe ce ſont des crimes,</hi> hieß es; und das Urtheil<lb/>
war fertig.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[356/0360]
Ganze Reihen Haͤuſer waren weggebrannt, und
gerade die allerſchoͤnſten. Kirchen, Kloͤſter und
alle Gebaͤude der ehemaligen großen Herren, wa-
ren ruinirt. Auch hatten die Hoſpitaͤler waͤhrend
der Belagerung großen Schaden erlitten. Als ich
an die Guillotine kam, floß das Blut derer, welche
wenig Stunden vorher waren gekoͤpft worden, noch
auf dem Platze. Dieſer Anblick machte mich ſchau-
dern. Ich trat in eine nahe Schenke, zu einem
Haufen Ohnehoſen, und ſagte: Es wuͤrde doch
huͤbſch ſeyn, das Menſchenblut dort wegzuſchaffen.
Warum? antwortete einer: das iſt ariſtokratiſches
Rebellen-Blut, das muͤſſen die Hunde auflecken.
Haſt du heute guillotiniren ſehen? — Nein! —
Nun gut: Morgen ſpielt man das naͤmliche Spiel:
dann kannſt du zuſchauen. —
Die Leute ſprachen vom Kopfabſchlagen, wie
wenn ſie von Nußklopfen geſprochen haͤtten: Alles,
was ariſtokratiſch iſt, muß ſterben, war allemal
der Refraͤn. Man ging bey der Unterſuchung auch
nicht immer ſehr genau zu Werke, und es war
ſchon hinlaͤnglich, von Adel oder Prieſter geweſen
zu ſeyn, um den Kopf zu verlieren, wenn man
auch ſonſt nichts begangen hatte. La nobleſſe, la
prêtriſe ce ſont des crimes, hieß es; und das Urtheil
war fertig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/360>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.