Kommando. Dieser Mann hatte einen äußerst feurigen rothen Kopf, und ich versprach mir eben darum wenig Gutes von ihm nach dem al[t]en deut- schen Sprichwort: "roth Haar und Erlenholz wächst auf keinem guten Boden." Aber ich ward bald zu meiner Freude gewahr, daß ich mich an Haupt- mann Landrin geirrt hatte. Einige Stunden von Strasburg hielten wir in einem Orte an, weil noch eine Fuhre herbeygeschafft werden mußte, um einige erkrankte Kaiserliche mit wegzubringen. Es ist doch vom Teufel, sagte der Hauptmann zum Sergeanten, daß keiner von uns deutsch, und keiner von den Gefangnen französisch versteht! Da kann ich nun nicht einmal den Leuten sagen, was ich haben will. -- Ich hörte dieses, lief hin und sagte, daß ich deutsch und französisch verstünde. Das ist brav, sagte der Hauptmann: von nun an sollst du mein Dollmetscher seyn. Ich mußte sofort mit ihm trinken, und den ganzen Weg bis Schlettstadt mit ihm sprechen. Es war ein sehr muntrer Mann, dem aber schon bey einer Attake der linke Arm lahm geschossen war. Er war aber nicht abgegangen, und hatte die Pension nicht genommen, die doch jedem Verstümmelten, nach der Verordnung der Na- tion, von Rechtswegen zukömmt.
Ich bin in dieses Landrins Gesellschaft von Strasburg bis Besancon in der Franche Com-
Kommando. Dieſer Mann hatte einen aͤußerſt feurigen rothen Kopf, und ich verſprach mir eben darum wenig Gutes von ihm nach dem al[t]en deut- ſchen Sprichwort: „roth Haar und Erlenholz waͤchſt auf keinem guten Boden.“ Aber ich ward bald zu meiner Freude gewahr, daß ich mich an Haupt- mann Landrin geirrt hatte. Einige Stunden von Strasburg hielten wir in einem Orte an, weil noch eine Fuhre herbeygeſchafft werden mußte, um einige erkrankte Kaiſerliche mit wegzubringen. Es iſt doch vom Teufel, ſagte der Hauptmann zum Sergeanten, daß keiner von uns deutſch, und keiner von den Gefangnen franzoͤſiſch verſteht! Da kann ich nun nicht einmal den Leuten ſagen, was ich haben will. — Ich hoͤrte dieſes, lief hin und ſagte, daß ich deutſch und franzoͤſiſch verſtuͤnde. Das iſt brav, ſagte der Hauptmann: von nun an ſollſt du mein Dollmetſcher ſeyn. Ich mußte ſofort mit ihm trinken, und den ganzen Weg bis Schlettſtadt mit ihm ſprechen. Es war ein ſehr muntrer Mann, dem aber ſchon bey einer Attake der linke Arm lahm geſchoſſen war. Er war aber nicht abgegangen, und hatte die Penſion nicht genommen, die doch jedem Verſtuͤmmelten, nach der Verordnung der Na- tion, von Rechtswegen zukoͤmmt.
Ich bin in dieſes Landrins Geſellſchaft von Strasburg bis Beſançon in der Franche Com-
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Kommando. Dieſer Mann hatte einen aͤußerſt
feurigen rothen Kopf, und ich verſprach mir eben
darum wenig Gutes von ihm nach dem alten deut-
ſchen Sprichwort: „roth Haar und Erlenholz
waͤchſt auf keinem guten Boden.“ Aber ich ward bald
zu meiner Freude gewahr, daß ich mich an Haupt-
mann Landrin geirrt hatte. Einige Stunden
von Strasburg hielten wir in einem Orte an, weil
noch eine Fuhre herbeygeſchafft werden mußte, um
einige erkrankte Kaiſerliche mit wegzubringen. Es
iſt doch vom Teufel, ſagte der Hauptmann zum
Sergeanten, daß keiner von uns deutſch, und
keiner von den Gefangnen franzoͤſiſch verſteht! Da
kann ich nun nicht einmal den Leuten ſagen, was ich
haben will. — Ich hoͤrte dieſes, lief hin und ſagte,
daß ich deutſch und franzoͤſiſch verſtuͤnde. Das iſt
brav, ſagte der Hauptmann: von nun an ſollſt du
mein Dollmetſcher ſeyn. Ich mußte ſofort mit ihm
trinken, und den ganzen Weg bis Schlettſtadt mit
ihm ſprechen. Es war ein ſehr muntrer Mann,
dem aber ſchon bey einer Attake der linke Arm lahm
geſchoſſen war. Er war aber nicht abgegangen,
und hatte die Penſion nicht genommen, die doch
jedem Verſtuͤmmelten, nach der Verordnung der Na-
tion, von Rechtswegen zukoͤmmt.
Ich bin in dieſes Landrins Geſellſchaft von
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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