gesittetes, d. [i]. nach guten Gesetzen regiertes Volk denken. Noch mehr, wenn man Christi Lehre rein auffaßt, und sie von aller Einwirkung der Zeit, des Orts und der Personen entblößt: so war ihr Zweck unwidersprechlich: die Moral der Vernunft zur Alleinherrscherin in der Gesell- schaft zu machen, und die Religion als die Privatsache des einzelnen Menschen aufzu- stellen. Dadurch war das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft im ganzen gesichert, aber die Gewis- sensfreiheit der Bürger im Einzelnen von der ge- waltthätigen Bedrückung und Fesselung der Priester auch erlöset. Vorher war Alles Priester-Religion, und durch diese Alles den Priestern sklavisch unter- worfen. Um nun von diesem Joche die Menschen zu befreyen, lehrte Christus: daß die wahre Wür- de und das wahre Wohl des Menschen nur durch eig- nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch Opfer und den übrigen Apparat der Priester- Religion begründet und gesichert werden könne.
In diese Fußstapfen traten alle einsichtige Für- sten, welche die Kunst inne hatten, den Menschen nach dem Menschen, und nicht nach phantastischer Priester-Maschinerie zu behandeln. "In mei- nem Lande, sagte Friedrich, der Zweyte, kann jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich ist." Das war ganz in Christi Lehrsinn, ganz Christlich in
geſittetes, d. [i]. nach guten Geſetzen regiertes Volk denken. Noch mehr, wenn man Chriſti Lehre rein auffaßt, und ſie von aller Einwirkung der Zeit, des Orts und der Perſonen entbloͤßt: ſo war ihr Zweck unwiderſprechlich: die Moral der Vernunft zur Alleinherrſcherin in der Geſell- ſchaft zu machen, und die Religion als die Privatſache des einzelnen Menſchen aufzu- ſtellen. Dadurch war das Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft im ganzen geſichert, aber die Gewiſ- ſensfreiheit der Buͤrger im Einzelnen von der ge- waltthaͤtigen Bedruͤckung und Feſſelung der Prieſter auch erloͤſet. Vorher war Alles Prieſter-Religion, und durch dieſe Alles den Prieſtern ſklaviſch unter- worfen. Um nun von dieſem Joche die Menſchen zu befreyen, lehrte Chriſtus: daß die wahre Wuͤr- de und das wahre Wohl des Menſchen nur durch eig- nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch Opfer und den uͤbrigen Apparat der Prieſter- Religion begruͤndet und geſichert werden koͤnne.
In dieſe Fußſtapfen traten alle einſichtige Fuͤr- ſten, welche die Kunſt inne hatten, den Menſchen nach dem Menſchen, und nicht nach phantaſtiſcher Prieſter-Maſchinerie zu behandeln. „In mei- nem Lande, ſagte Friedrich, der Zweyte, kann jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich iſt.“ Das war ganz in Chriſti Lehrſinn, ganz Chriſtlich in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0295"n="291"/>
geſittetes, d. <supplied>i</supplied>. nach guten Geſetzen regiertes Volk<lb/>
denken. Noch mehr, wenn man <hirendition="#g">Chriſti</hi> Lehre<lb/><hirendition="#g">rein</hi> auffaßt, und ſie von aller Einwirkung der<lb/>
Zeit, des Orts und der Perſonen entbloͤßt: ſo war<lb/>
ihr Zweck unwiderſprechlich: die <hirendition="#g">Moral der<lb/>
Vernunft</hi> zur Alleinherrſcherin in der <hirendition="#g">Geſell</hi>-<lb/><hirendition="#g">ſchaft</hi> zu machen, und die <hirendition="#g">Religion</hi> als die<lb/><hirendition="#g">Privatſache</hi> des <hirendition="#g">einzelnen</hi> Menſchen aufzu-<lb/>ſtellen. Dadurch war das Wohl der buͤrgerlichen<lb/>
Geſellſchaft im ganzen geſichert, aber die Gewiſ-<lb/>ſensfreiheit der Buͤrger im Einzelnen von der ge-<lb/>
waltthaͤtigen Bedruͤckung und Feſſelung der Prieſter<lb/>
auch erloͤſet. Vorher war Alles Prieſter-Religion,<lb/>
und durch dieſe Alles den Prieſtern ſklaviſch unter-<lb/>
worfen. Um nun von dieſem Joche die Menſchen zu<lb/>
befreyen, lehrte <hirendition="#g">Chriſtus</hi>: daß die wahre Wuͤr-<lb/>
de und das wahre Wohl des Menſchen nur durch <hirendition="#g">eig</hi>-<lb/><hirendition="#g">nes</hi> Handeln, nur durch <hirendition="#g">Moral</hi>, und nicht durch<lb/>
Opfer und den uͤbrigen Apparat der <hirendition="#g">Prieſter</hi>-<lb/><hirendition="#g">Religion</hi> begruͤndet und geſichert werden koͤnne.</p><lb/><p>In dieſe Fußſtapfen traten alle einſichtige Fuͤr-<lb/>ſten, welche die Kunſt inne hatten, den Menſchen<lb/>
nach dem Menſchen, und nicht nach phantaſtiſcher<lb/>
Prieſter-Maſchinerie zu behandeln. „In mei-<lb/>
nem Lande, ſagte <hirendition="#g">Friedrich</hi>, <hirendition="#g">der Zweyte</hi>, kann<lb/>
jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich iſt.“<lb/>
Das war ganz in Chriſti Lehrſinn, ganz Chriſtlich in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[291/0295]
geſittetes, d. i. nach guten Geſetzen regiertes Volk
denken. Noch mehr, wenn man Chriſti Lehre
rein auffaßt, und ſie von aller Einwirkung der
Zeit, des Orts und der Perſonen entbloͤßt: ſo war
ihr Zweck unwiderſprechlich: die Moral der
Vernunft zur Alleinherrſcherin in der Geſell-
ſchaft zu machen, und die Religion als die
Privatſache des einzelnen Menſchen aufzu-
ſtellen. Dadurch war das Wohl der buͤrgerlichen
Geſellſchaft im ganzen geſichert, aber die Gewiſ-
ſensfreiheit der Buͤrger im Einzelnen von der ge-
waltthaͤtigen Bedruͤckung und Feſſelung der Prieſter
auch erloͤſet. Vorher war Alles Prieſter-Religion,
und durch dieſe Alles den Prieſtern ſklaviſch unter-
worfen. Um nun von dieſem Joche die Menſchen zu
befreyen, lehrte Chriſtus: daß die wahre Wuͤr-
de und das wahre Wohl des Menſchen nur durch eig-
nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch
Opfer und den uͤbrigen Apparat der Prieſter-
Religion begruͤndet und geſichert werden koͤnne.
In dieſe Fußſtapfen traten alle einſichtige Fuͤr-
ſten, welche die Kunſt inne hatten, den Menſchen
nach dem Menſchen, und nicht nach phantaſtiſcher
Prieſter-Maſchinerie zu behandeln. „In mei-
nem Lande, ſagte Friedrich, der Zweyte, kann
jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich iſt.“
Das war ganz in Chriſti Lehrſinn, ganz Chriſtlich in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/295>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.