Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

nellen Priester vergossen worden. Daher auch
endlich die harte Strafe aller dieser widerspenstigen
Städte! *)


*) Viele Deutsche haben das anfängliche Verfahren der Franzö-
sischen Nation gegen die widerspenstigen Priester, Edelleute
und den Hof barbarisch gefunden; aber in Frankreich wollte
man das Gegentheil finden. Der beste Dolmetscher darüber
ist Salaville, Herausgeber der Annales patriotiques.
Dieser schreibt in seinen Betrachtungen über revo-
lutionäre Meynungen: "Gleich von Anfange der
Revolution war man in Rücksicht auf die Art, sie zu leiten,
in zwey Meynungen getheilt. Diejenige, die seither unter
der Benennung Moderantismus so sehr in Ungunst ge-
kommen ist, war zu jener Zeit beynahe allein herrschend. --
(Und daß sie das nicht blieb, wer war Schuld daran?) --
Alle mit Einsicht begabten Männer glaubten an die Möglich-
keit einer ruhigen, einzig durch die Fortschritte der Aufklä-
rung bewirkten Revolution. Die Blätter der Geschichte, ge-
färbt vom Blute, welches politische Revolutionen fließen
machten, die Schilderungen aller Unordnungen, Drangsalen
und alles Jammers, denen die Volker in jenen stürmischen
Zeiten unterlagen, schreckten die Männer, die sich einbildeten,
in ganz verschiedener Lage zu seyn, nicht ab: sie brachten alle
jene Erscheinungen auf Rechnung der Unwissenheit und Un-
kenntniß der Grundsätze, und der Herrschaft der Vorurtheile,
die unter uns völlig verschwunden zu seyn schienen." --
"Mirabeau -- theilte diesen allgemeinen Irrthum
nicht. Ich glaube nicht, sagte er, an eine ruhige, ohne
Blutvergießen mögliche Revolution: Entweder werden
wir die Freyheit nicht erlangen, oder, wenn wir sie erlan-
gen, so seyd versichert, daß wir sie mit großen Aufopferungen
erkaufen müssen."
"Auch zeigte er, alles seines bekannten Ungestüms unge-
achtet, in den ersten Schritten eine Mäßigung, deren man
ihn kaum fähig gehalten hätte. Jene weise Taktik des dritten
Standes, die selbst die Arglist der Geistlichkeit zu Schanden
machte, war beynahe ganz sein Werk; und es war eine höchst
bemerkenswerthe Erscheinung, wie der Mann vom heftigsten
Charakter, voll Kühnheit und Unternehmungsgeist, sich einen
Monat lang damit beschäftigte, den unzeitigen Ungestüm sei-

nellen Prieſter vergoſſen worden. Daher auch
endlich die harte Strafe aller dieſer widerſpenſtigen
Staͤdte! *)


*) Viele Deutſche haben das anfängliche Verfahren der Franzö-
ſiſchen Nation gegen die widerſpenſtigen Prieſter, Edelleute
und den Hof barbariſch gefunden; aber in Frankreich wollte
man das Gegentheil finden. Der beſte Dolmetſcher darüber
iſt Salaville, Herausgeber der Annales patriotiques.
Dieſer ſchreibt in ſeinen Betrachtungen über revo-
lutionäre Meynungen: „Gleich von Anfange der
Revolution war man in Rückſicht auf die Art, ſie zu leiten,
in zwey Meynungen getheilt. Diejenige, die ſeither unter
der Benennung Moderantismus ſo ſehr in Ungunſt ge-
kommen iſt, war zu jener Zeit beynahe allein herrſchend. —
(Und daß ſie das nicht blieb, wer war Schuld daran?) —
Alle mit Einſicht begabten Männer glaubten an die Möglich-
keit einer ruhigen, einzig durch die Fortſchritte der Aufklä-
rung bewirkten Revolution. Die Blätter der Geſchichte, ge-
färbt vom Blute, welches politiſche Revolutionen fließen
machten, die Schilderungen aller Unordnungen, Drangſalen
und alles Jammers, denen die Volker in jenen ſtürmiſchen
Zeiten unterlagen, ſchreckten die Männer, die ſich einbildeten,
in ganz verſchiedener Lage zu ſeyn, nicht ab: ſie brachten alle
jene Erſcheinungen auf Rechnung der Unwiſſenheit und Un-
kenntniß der Grundſätze, und der Herrſchaft der Vorurtheile,
die unter uns völlig verſchwunden zu ſeyn ſchienen.“ —
Mirabeau — theilte dieſen allgemeinen Irrthum
nicht. Ich glaube nicht, ſagte er, an eine ruhige, ohne
Blutvergießen mögliche Revolution: Entweder werden
wir die Freyheit nicht erlangen, oder, wenn wir ſie erlan-
gen, ſo ſeyd verſichert, daß wir ſie mit großen Aufopferungen
erkaufen müſſen.“
„Auch zeigte er, alles ſeines bekannten Ungeſtüms unge-
achtet, in den erſten Schritten eine Mäßigung, deren man
ihn kaum fähig gehalten hätte. Jene weiſe Taktik des dritten
Standes, die ſelbſt die Argliſt der Geiſtlichkeit zu Schanden
machte, war beynahe ganz ſein Werk; und es war eine höchſt
bemerkenswerthe Erſcheinung, wie der Mann vom heftigſten
Charakter, voll Kühnheit und Unternehmungsgeiſt, ſich einen
Monat lang damit beſchäftigte, den unzeitigen Ungeſtüm ſei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="253"/>
nellen Prie&#x017F;ter vergo&#x017F;&#x017F;en worden. Daher auch<lb/>
endlich die harte Strafe aller die&#x017F;er wider&#x017F;pen&#x017F;tigen<lb/>
Sta&#x0364;dte! <note xml:id="note-0257" next="#note-0258" place="foot" n="*)"><p>Viele Deut&#x017F;che haben das anfängliche Verfahren der Franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Nation gegen die wider&#x017F;pen&#x017F;tigen Prie&#x017F;ter, Edelleute<lb/>
und den Hof barbari&#x017F;ch gefunden; aber in Frankreich wollte<lb/>
man das Gegentheil finden. Der be&#x017F;te Dolmet&#x017F;cher darüber<lb/>
i&#x017F;t <hi rendition="#g">Salaville</hi>, Herausgeber der <hi rendition="#aq">Annales patriotiques.</hi><lb/>
Die&#x017F;er &#x017F;chreibt in &#x017F;einen <hi rendition="#g">Betrachtungen über revo</hi>-<lb/><hi rendition="#g">lutionäre Meynungen</hi>: &#x201E;Gleich von Anfange der<lb/>
Revolution war man in Rück&#x017F;icht auf die Art, &#x017F;ie zu leiten,<lb/>
in zwey Meynungen getheilt. Diejenige, die &#x017F;either unter<lb/>
der Benennung <hi rendition="#g">Moderantismus</hi> &#x017F;o &#x017F;ehr in Ungun&#x017F;t ge-<lb/>
kommen i&#x017F;t, war zu jener Zeit beynahe allein herr&#x017F;chend. &#x2014;<lb/>
(Und daß &#x017F;ie das nicht blieb, wer war Schuld daran?) &#x2014;<lb/>
Alle mit Ein&#x017F;icht begabten Männer glaubten an die Möglich-<lb/>
keit einer ruhigen, einzig durch die Fort&#x017F;chritte der Aufklä-<lb/>
rung bewirkten Revolution. Die Blätter der Ge&#x017F;chichte, ge-<lb/>
färbt vom Blute, welches politi&#x017F;che Revolutionen fließen<lb/>
machten, die Schilderungen aller Unordnungen, Drang&#x017F;alen<lb/>
und alles Jammers, denen die Volker in jenen &#x017F;türmi&#x017F;chen<lb/>
Zeiten unterlagen, &#x017F;chreckten die Männer, die &#x017F;ich einbildeten,<lb/>
in ganz ver&#x017F;chiedener Lage zu &#x017F;eyn, nicht ab: &#x017F;ie brachten alle<lb/>
jene Er&#x017F;cheinungen auf Rechnung der Unwi&#x017F;&#x017F;enheit und Un-<lb/>
kenntniß der Grund&#x017F;ätze, und der Herr&#x017F;chaft der Vorurtheile,<lb/>
die unter uns völlig ver&#x017F;chwunden zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen.&#x201C; &#x2014;</p><lb/><p>&#x201E;<hi rendition="#g">Mirabeau</hi> &#x2014; theilte die&#x017F;en allgemeinen Irrthum<lb/>
nicht. Ich glaube nicht, &#x017F;agte er, an eine ruhige, ohne<lb/>
Blutvergießen mögliche Revolution: <hi rendition="#g">Entweder</hi> werden<lb/>
wir die Freyheit nicht erlangen, <hi rendition="#g">oder</hi>, wenn wir &#x017F;ie erlan-<lb/>
gen, &#x017F;o &#x017F;eyd ver&#x017F;ichert, daß wir &#x017F;ie mit großen Aufopferungen<lb/>
erkaufen mü&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/><p>&#x201E;Auch zeigte er, alles &#x017F;eines bekannten Unge&#x017F;tüms unge-<lb/>
achtet, in den er&#x017F;ten Schritten eine Mäßigung, deren man<lb/>
ihn kaum fähig gehalten hätte. Jene wei&#x017F;e Taktik des dritten<lb/>
Standes, die &#x017F;elb&#x017F;t die Argli&#x017F;t der Gei&#x017F;tlichkeit zu Schanden<lb/>
machte, war beynahe ganz &#x017F;ein Werk; und es war eine höch&#x017F;t<lb/>
bemerkenswerthe Er&#x017F;cheinung, wie der Mann vom heftig&#x017F;ten<lb/>
Charakter, voll Kühnheit und Unternehmungsgei&#x017F;t, &#x017F;ich einen<lb/>
Monat lang damit be&#x017F;chäftigte, den unzeitigen Unge&#x017F;tüm &#x017F;ei-</p></note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0257] nellen Prieſter vergoſſen worden. Daher auch endlich die harte Strafe aller dieſer widerſpenſtigen Staͤdte! *) *) Viele Deutſche haben das anfängliche Verfahren der Franzö- ſiſchen Nation gegen die widerſpenſtigen Prieſter, Edelleute und den Hof barbariſch gefunden; aber in Frankreich wollte man das Gegentheil finden. Der beſte Dolmetſcher darüber iſt Salaville, Herausgeber der Annales patriotiques. Dieſer ſchreibt in ſeinen Betrachtungen über revo- lutionäre Meynungen: „Gleich von Anfange der Revolution war man in Rückſicht auf die Art, ſie zu leiten, in zwey Meynungen getheilt. Diejenige, die ſeither unter der Benennung Moderantismus ſo ſehr in Ungunſt ge- kommen iſt, war zu jener Zeit beynahe allein herrſchend. — (Und daß ſie das nicht blieb, wer war Schuld daran?) — Alle mit Einſicht begabten Männer glaubten an die Möglich- keit einer ruhigen, einzig durch die Fortſchritte der Aufklä- rung bewirkten Revolution. Die Blätter der Geſchichte, ge- färbt vom Blute, welches politiſche Revolutionen fließen machten, die Schilderungen aller Unordnungen, Drangſalen und alles Jammers, denen die Volker in jenen ſtürmiſchen Zeiten unterlagen, ſchreckten die Männer, die ſich einbildeten, in ganz verſchiedener Lage zu ſeyn, nicht ab: ſie brachten alle jene Erſcheinungen auf Rechnung der Unwiſſenheit und Un- kenntniß der Grundſätze, und der Herrſchaft der Vorurtheile, die unter uns völlig verſchwunden zu ſeyn ſchienen.“ — „Mirabeau — theilte dieſen allgemeinen Irrthum nicht. Ich glaube nicht, ſagte er, an eine ruhige, ohne Blutvergießen mögliche Revolution: Entweder werden wir die Freyheit nicht erlangen, oder, wenn wir ſie erlan- gen, ſo ſeyd verſichert, daß wir ſie mit großen Aufopferungen erkaufen müſſen.“ „Auch zeigte er, alles ſeines bekannten Ungeſtüms unge- achtet, in den erſten Schritten eine Mäßigung, deren man ihn kaum fähig gehalten hätte. Jene weiſe Taktik des dritten Standes, die ſelbſt die Argliſt der Geiſtlichkeit zu Schanden machte, war beynahe ganz ſein Werk; und es war eine höchſt bemerkenswerthe Erſcheinung, wie der Mann vom heftigſten Charakter, voll Kühnheit und Unternehmungsgeiſt, ſich einen Monat lang damit beſchäftigte, den unzeitigen Ungeſtüm ſei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/257
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/257>, abgerufen am 22.11.2024.