Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Staatskörpers gereinigt und geheilt werden, ehe
man eben diesem Staatskörper eine ungehinderte
Wirksamkeit gestatten konnte.

Aber nachdem dieses geschehen war, mußten
jene violenten Mittel, die man bey der Vor-Kur
angewandt hatte, auch aufhören. Bey wildem
Fleisch ist lapis infernalis oder Höllenstein noth-
wendig: wer aber auf das frischanwachsende, ge-
sunde, und die Wunde zuheilende Fleisch noch
kaustische Mittel bringen wollte, wäre ein einge-
machter Narr, oder Tyrann.

Daß der Jakobinismus an schrecklichen Auf-
tritten Schuld war, ist außer allem Zweifel: ich
selbst habe Scenen gesehen, und von andern, die
ich nicht gesehen habe, Folgen wahrgenommen,
bey deren Andenken mir die Haut noch schaudert.
Also war der Jakobinismus allerdings ein Uebel,
ein schreckliches Uebel: aber war er ein nothwen-
diges Uebel?

Um diese Frage mit Unpartheilichkeit zu beant-
worten, muß man kaltblütig zu Werke gehen;
und wer dieses thut, dem werden folgende Betrach-
tungen von selbst einfallen.

Frankreich war durch die Regierung an
den Rand des Verderbens gebracht, und seinem
Untergange nahe: dieß konnte der Hof nicht läug-
nen. Die Nation, oder vielmehr der bessere Theil

Staatskoͤrpers gereinigt und geheilt werden, ehe
man eben dieſem Staatskoͤrper eine ungehinderte
Wirkſamkeit geſtatten konnte.

Aber nachdem dieſes geſchehen war, mußten
jene violenten Mittel, die man bey der Vor-Kur
angewandt hatte, auch aufhoͤren. Bey wildem
Fleiſch iſt lapis infernalis oder Hoͤllenſtein noth-
wendig: wer aber auf das friſchanwachſende, ge-
ſunde, und die Wunde zuheilende Fleiſch noch
kauſtiſche Mittel bringen wollte, waͤre ein einge-
machter Narr, oder Tyrann.

Daß der Jakobinismus an ſchrecklichen Auf-
tritten Schuld war, iſt außer allem Zweifel: ich
ſelbſt habe Scenen geſehen, und von andern, die
ich nicht geſehen habe, Folgen wahrgenommen,
bey deren Andenken mir die Haut noch ſchaudert.
Alſo war der Jakobinismus allerdings ein Uebel,
ein ſchreckliches Uebel: aber war er ein nothwen-
diges Uebel?

Um dieſe Frage mit Unpartheilichkeit zu beant-
worten, muß man kaltbluͤtig zu Werke gehen;
und wer dieſes thut, dem werden folgende Betrach-
tungen von ſelbſt einfallen.

Frankreich war durch die Regierung an
den Rand des Verderbens gebracht, und ſeinem
Untergange nahe: dieß konnte der Hof nicht laͤug-
nen. Die Nation, oder vielmehr der beſſere Theil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="115"/>
Staatsko&#x0364;rpers gereinigt und geheilt werden, ehe<lb/>
man eben die&#x017F;em Staatsko&#x0364;rper eine ungehinderte<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit ge&#x017F;tatten konnte.</p><lb/>
        <p>Aber nachdem die&#x017F;es ge&#x017F;chehen war, mußten<lb/>
jene violenten Mittel, die man bey der Vor-Kur<lb/>
angewandt hatte, auch aufho&#x0364;ren. Bey wildem<lb/>
Flei&#x017F;ch i&#x017F;t <hi rendition="#aq">lapis infernalis</hi> oder Ho&#x0364;llen&#x017F;tein noth-<lb/>
wendig: wer aber auf das fri&#x017F;chanwach&#x017F;ende, ge-<lb/>
&#x017F;unde, und die Wunde zuheilende Flei&#x017F;ch noch<lb/>
kau&#x017F;ti&#x017F;che Mittel bringen wollte, wa&#x0364;re ein einge-<lb/>
machter Narr, oder Tyrann.</p><lb/>
        <p>Daß der Jakobinismus an &#x017F;chrecklichen Auf-<lb/>
tritten Schuld war, i&#x017F;t außer allem Zweifel: ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t habe Scenen ge&#x017F;ehen, und von andern, die<lb/>
ich nicht ge&#x017F;ehen habe, Folgen wahrgenommen,<lb/>
bey deren Andenken mir die Haut noch &#x017F;chaudert.<lb/>
Al&#x017F;o war der Jakobinismus allerdings ein Uebel,<lb/>
ein &#x017F;chreckliches Uebel: aber war er ein nothwen-<lb/>
diges Uebel?</p><lb/>
        <p>Um die&#x017F;e Frage mit Unpartheilichkeit zu beant-<lb/>
worten, muß man kaltblu&#x0364;tig zu Werke gehen;<lb/>
und wer die&#x017F;es thut, dem werden folgende Betrach-<lb/>
tungen von &#x017F;elb&#x017F;t einfallen.</p><lb/>
        <p>Frankreich war <hi rendition="#g">durch die Regierung</hi> an<lb/>
den Rand des Verderbens gebracht, und &#x017F;einem<lb/>
Untergange nahe: dieß konnte der Hof nicht la&#x0364;ug-<lb/>
nen. Die Nation, oder vielmehr der be&#x017F;&#x017F;ere Theil<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0119] Staatskoͤrpers gereinigt und geheilt werden, ehe man eben dieſem Staatskoͤrper eine ungehinderte Wirkſamkeit geſtatten konnte. Aber nachdem dieſes geſchehen war, mußten jene violenten Mittel, die man bey der Vor-Kur angewandt hatte, auch aufhoͤren. Bey wildem Fleiſch iſt lapis infernalis oder Hoͤllenſtein noth- wendig: wer aber auf das friſchanwachſende, ge- ſunde, und die Wunde zuheilende Fleiſch noch kauſtiſche Mittel bringen wollte, waͤre ein einge- machter Narr, oder Tyrann. Daß der Jakobinismus an ſchrecklichen Auf- tritten Schuld war, iſt außer allem Zweifel: ich ſelbſt habe Scenen geſehen, und von andern, die ich nicht geſehen habe, Folgen wahrgenommen, bey deren Andenken mir die Haut noch ſchaudert. Alſo war der Jakobinismus allerdings ein Uebel, ein ſchreckliches Uebel: aber war er ein nothwen- diges Uebel? Um dieſe Frage mit Unpartheilichkeit zu beant- worten, muß man kaltbluͤtig zu Werke gehen; und wer dieſes thut, dem werden folgende Betrach- tungen von ſelbſt einfallen. Frankreich war durch die Regierung an den Rand des Verderbens gebracht, und ſeinem Untergange nahe: dieß konnte der Hof nicht laͤug- nen. Die Nation, oder vielmehr der beſſere Theil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/119
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/119>, abgerufen am 15.05.2024.