Gesellschaften, in allen Wirthshäusern und Schen- ken wurde von nichts gesprochen, als von der ab- scheulichen Hinrichtung des armen Königs von Frankreich. Aber jemehr man von dieser unge- wöhnten Trauerscene sprach, jemehr man das Grau- sende derselben ruminirte, desto mehr verschwand das Gräßliche derselben, und die ruhige Untersu- chung darüber folgte auf die Deklamationen. Viele meynten, die Franzosen müßten doch wohl Ursache gehabt haben, so was vorzunehmen: es müßten doch auch gescheide und gewissenhafte Leute in Paris seyn. --
Während dieser Epoche war ich einst im Schwan, einem Gasthofe zu Höchst, mit Herrn Ruff. Das Gespräch kam von Ludwig XVI. auf die je hinge- richteten Könige. Ich sprach, daß ihrer nur drey bekannt wären, welche durch das Gesetz seyen hin- gerichtet worden: Agis von Lacedämon, CarlI. von Großbritannien und LudwigXVI von Frank- reich. Tausend Monarchen seyen zwar ermordet worden nach dem bekannten Spruch des Juve- nalis:
Ad generum Cereris sine caede et sanguine pauci Descendunt reges, et sicca morte tyranni;*)
*) Sat. X.
Dritter Theil. U
Geſellſchaften, in allen Wirthshaͤuſern und Schen- ken wurde von nichts geſprochen, als von der ab- ſcheulichen Hinrichtung des armen Koͤnigs von Frankreich. Aber jemehr man von dieſer unge- woͤhnten Trauerſcene ſprach, jemehr man das Grau- ſende derſelben ruminirte, deſto mehr verſchwand das Graͤßliche derſelben, und die ruhige Unterſu- chung daruͤber folgte auf die Deklamationen. Viele meynten, die Franzoſen muͤßten doch wohl Urſache gehabt haben, ſo was vorzunehmen: es muͤßten doch auch geſcheide und gewiſſenhafte Leute in Paris ſeyn. —
Waͤhrend dieſer Epoche war ich einſt im Schwan, einem Gaſthofe zu Hoͤchſt, mit Herrn Ruff. Das Geſpraͤch kam von Ludwig XVI. auf die je hinge- richteten Koͤnige. Ich ſprach, daß ihrer nur drey bekannt waͤren, welche durch das Geſetz ſeyen hin- gerichtet worden: Agis von Lacedaͤmon, CarlI. von Großbritannien und LudwigXVI von Frank- reich. Tauſend Monarchen ſeyen zwar ermordet worden nach dem bekannten Spruch des Juve- nalis:
Ad generum Cereris ſine caede et ſanguine pauci Deſcendunt reges, et ſicca morte tyranni;*)
*) Sat. X.
Dritter Theil. U
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0317"n="305"/>
Geſellſchaften, in allen Wirthshaͤuſern und Schen-<lb/>
ken wurde von nichts geſprochen, als von der ab-<lb/>ſcheulichen Hinrichtung des armen Koͤnigs von<lb/>
Frankreich. Aber jemehr man von dieſer unge-<lb/>
woͤhnten Trauerſcene ſprach, jemehr man das Grau-<lb/>ſende derſelben ruminirte, deſto mehr verſchwand<lb/>
das Graͤßliche derſelben, und die ruhige Unterſu-<lb/>
chung daruͤber folgte auf die Deklamationen. Viele<lb/>
meynten, die Franzoſen muͤßten doch wohl Urſache<lb/>
gehabt haben, ſo was vorzunehmen: es muͤßten<lb/>
doch auch geſcheide und gewiſſenhafte Leute in<lb/>
Paris ſeyn. —</p><lb/><p>Waͤhrend dieſer Epoche war ich einſt im Schwan,<lb/>
einem Gaſthofe zu Hoͤchſt, mit Herrn <hirendition="#g">Ruff</hi>. Das<lb/>
Geſpraͤch kam von Ludwig <hirendition="#aq">XVI.</hi> auf die je hinge-<lb/>
richteten Koͤnige. Ich ſprach, daß ihrer nur drey<lb/>
bekannt waͤren, welche durch das Geſetz ſeyen hin-<lb/>
gerichtet worden: <hirendition="#g">Agis</hi> von Lacedaͤmon, <hirendition="#g">Carl</hi><hirendition="#aq">I.</hi><lb/>
von Großbritannien und <hirendition="#g">Ludwig</hi><hirendition="#aq">XVI</hi> von Frank-<lb/>
reich. Tauſend Monarchen ſeyen zwar ermordet<lb/>
worden nach dem bekannten Spruch des <hirendition="#g">Juve</hi>-<lb/><hirendition="#g">nalis</hi>:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#et"><hirendition="#aq">Ad generum Cereris ſine caede et ſanguine pauci<lb/>
Deſcendunt reges, et ſicca morte tyranni;</hi><noteplace="foot"n="*)"><lb/>
Sat. <hirendition="#aq">X.</hi></note></hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Dritter Theil. U</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[305/0317]
Geſellſchaften, in allen Wirthshaͤuſern und Schen-
ken wurde von nichts geſprochen, als von der ab-
ſcheulichen Hinrichtung des armen Koͤnigs von
Frankreich. Aber jemehr man von dieſer unge-
woͤhnten Trauerſcene ſprach, jemehr man das Grau-
ſende derſelben ruminirte, deſto mehr verſchwand
das Graͤßliche derſelben, und die ruhige Unterſu-
chung daruͤber folgte auf die Deklamationen. Viele
meynten, die Franzoſen muͤßten doch wohl Urſache
gehabt haben, ſo was vorzunehmen: es muͤßten
doch auch geſcheide und gewiſſenhafte Leute in
Paris ſeyn. —
Waͤhrend dieſer Epoche war ich einſt im Schwan,
einem Gaſthofe zu Hoͤchſt, mit Herrn Ruff. Das
Geſpraͤch kam von Ludwig XVI. auf die je hinge-
richteten Koͤnige. Ich ſprach, daß ihrer nur drey
bekannt waͤren, welche durch das Geſetz ſeyen hin-
gerichtet worden: Agis von Lacedaͤmon, Carl I.
von Großbritannien und Ludwig XVI von Frank-
reich. Tauſend Monarchen ſeyen zwar ermordet
worden nach dem bekannten Spruch des Juve-
nalis:
Ad generum Cereris ſine caede et ſanguine pauci
Deſcendunt reges, et ſicca morte tyranni; *)
*)
Sat. X.
Dritter Theil. U
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/317>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.