Sicherheit und Ruhe ansehen, und als solche be- handeln würde. Das war freilich derbe, und dient als Wink über die Qualität unseres Rückzugs. --
Unser Lager stand dicht an einem Dorfe, wo- hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager war noch immer Mangel an allem, sogar an Brod. Der Pfarrer des Dorfes hatte besonders gute Bir- nen, die er selbst ausgab, und das Geld dafür einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er mögte mir doch auch Obst geben für Geld und gute Worte. Mein Latein that treffliche Dienste: denn Seine Hochwürden gaben mir nicht nur Birnen und Kartoffeln genug und ohne Geld, sondern speisten mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und tränkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher Tag für mich, desgleichen ich seit langer Zeit nicht gehabt hatte! Der geistliche Herr sprach viel mit mir, auch über die Religion, und meynte, die Franzosen müßten allerdings zu Grunde gehen, da sie keine rechten Priester mehr hätten, und ein Land ohne kanonisch geweihte Priester nicht bestehen könnte. Navita de ventis! --
Auch in diesem Lager war das Wetter abscheu- lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-
Sicherheit und Ruhe anſehen, und als ſolche be- handeln wuͤrde. Das war freilich derbe, und dient als Wink uͤber die Qualitaͤt unſeres Ruͤckzugs. —
Unſer Lager ſtand dicht an einem Dorfe, wo- hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager war noch immer Mangel an allem, ſogar an Brod. Der Pfarrer des Dorfes hatte beſonders gute Bir- nen, die er ſelbſt ausgab, und das Geld dafuͤr einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er moͤgte mir doch auch Obſt geben fuͤr Geld und gute Worte. Mein Latein that treffliche Dienſte: denn Seine Hochwuͤrden gaben mir nicht nur Birnen und Kartoffeln genug und ohne Geld, ſondern ſpeiſten mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und traͤnkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher Tag fuͤr mich, desgleichen ich ſeit langer Zeit nicht gehabt hatte! Der geiſtliche Herr ſprach viel mit mir, auch uͤber die Religion, und meynte, die Franzoſen muͤßten allerdings zu Grunde gehen, da ſie keine rechten Prieſter mehr haͤtten, und ein Land ohne kanoniſch geweihte Prieſter nicht beſtehen koͤnnte. Navita de ventis! —
Auch in dieſem Lager war das Wetter abſcheu- lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="236"/>
Sicherheit und Ruhe anſehen, und als ſolche be-<lb/>
handeln wuͤrde. Das war freilich derbe, und dient<lb/>
als Wink uͤber die Qualitaͤt unſeres Ruͤckzugs. —</p><lb/><p>Unſer Lager ſtand dicht an einem Dorfe, wo-<lb/>
hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und<lb/>
andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager<lb/>
war noch immer Mangel an allem, ſogar an Brod.<lb/>
Der Pfarrer des Dorfes hatte beſonders gute Bir-<lb/>
nen, die er ſelbſt ausgab, und das Geld dafuͤr<lb/>
einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der<lb/>
Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun<lb/>
die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er<lb/>
moͤgte mir doch auch Obſt geben fuͤr Geld und gute<lb/>
Worte. Mein Latein that treffliche Dienſte: denn<lb/>
Seine Hochwuͤrden gaben mir nicht nur Birnen und<lb/>
Kartoffeln genug und ohne Geld, ſondern ſpeiſten<lb/>
mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und<lb/>
traͤnkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher<lb/>
Tag fuͤr mich, desgleichen ich ſeit langer Zeit nicht<lb/>
gehabt hatte! Der geiſtliche Herr ſprach viel mit<lb/>
mir, auch uͤber die Religion, und meynte, die<lb/>
Franzoſen muͤßten allerdings zu Grunde gehen, da<lb/>ſie keine rechten Prieſter mehr haͤtten, und ein<lb/>
Land ohne kanoniſch geweihte Prieſter nicht beſtehen<lb/>
koͤnnte. <hirendition="#aq">Navita de ventis!</hi>—</p><lb/><p>Auch in dieſem Lager war das Wetter abſcheu-<lb/>
lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[236/0248]
Sicherheit und Ruhe anſehen, und als ſolche be-
handeln wuͤrde. Das war freilich derbe, und dient
als Wink uͤber die Qualitaͤt unſeres Ruͤckzugs. —
Unſer Lager ſtand dicht an einem Dorfe, wo-
hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und
andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager
war noch immer Mangel an allem, ſogar an Brod.
Der Pfarrer des Dorfes hatte beſonders gute Bir-
nen, die er ſelbſt ausgab, und das Geld dafuͤr
einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der
Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun
die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er
moͤgte mir doch auch Obſt geben fuͤr Geld und gute
Worte. Mein Latein that treffliche Dienſte: denn
Seine Hochwuͤrden gaben mir nicht nur Birnen und
Kartoffeln genug und ohne Geld, ſondern ſpeiſten
mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und
traͤnkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher
Tag fuͤr mich, desgleichen ich ſeit langer Zeit nicht
gehabt hatte! Der geiſtliche Herr ſprach viel mit
mir, auch uͤber die Religion, und meynte, die
Franzoſen muͤßten allerdings zu Grunde gehen, da
ſie keine rechten Prieſter mehr haͤtten, und ein
Land ohne kanoniſch geweihte Prieſter nicht beſtehen
koͤnnte. Navita de ventis! —
Auch in dieſem Lager war das Wetter abſcheu-
lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/248>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.