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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Sicherheit und Ruhe ansehen, und als solche be-
handeln würde. Das war freilich derbe, und dient
als Wink über die Qualität unseres Rückzugs. --

Unser Lager stand dicht an einem Dorfe, wo-
hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und
andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager
war noch immer Mangel an allem, sogar an Brod.
Der Pfarrer des Dorfes hatte besonders gute Bir-
nen, die er selbst ausgab, und das Geld dafür
einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der
Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun
die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er
mögte mir doch auch Obst geben für Geld und gute
Worte. Mein Latein that treffliche Dienste: denn
Seine Hochwürden gaben mir nicht nur Birnen und
Kartoffeln genug und ohne Geld, sondern speisten
mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und
tränkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher
Tag für mich, desgleichen ich seit langer Zeit nicht
gehabt hatte! Der geistliche Herr sprach viel mit
mir, auch über die Religion, und meynte, die
Franzosen müßten allerdings zu Grunde gehen, da
sie keine rechten Priester mehr hätten, und ein
Land ohne kanonisch geweihte Priester nicht bestehen
könnte. Navita de ventis! --

Auch in diesem Lager war das Wetter abscheu-
lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-

Sicherheit und Ruhe anſehen, und als ſolche be-
handeln wuͤrde. Das war freilich derbe, und dient
als Wink uͤber die Qualitaͤt unſeres Ruͤckzugs. —

Unſer Lager ſtand dicht an einem Dorfe, wo-
hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und
andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager
war noch immer Mangel an allem, ſogar an Brod.
Der Pfarrer des Dorfes hatte beſonders gute Bir-
nen, die er ſelbſt ausgab, und das Geld dafuͤr
einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der
Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun
die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er
moͤgte mir doch auch Obſt geben fuͤr Geld und gute
Worte. Mein Latein that treffliche Dienſte: denn
Seine Hochwuͤrden gaben mir nicht nur Birnen und
Kartoffeln genug und ohne Geld, ſondern ſpeiſten
mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und
traͤnkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher
Tag fuͤr mich, desgleichen ich ſeit langer Zeit nicht
gehabt hatte! Der geiſtliche Herr ſprach viel mit
mir, auch uͤber die Religion, und meynte, die
Franzoſen muͤßten allerdings zu Grunde gehen, da
ſie keine rechten Prieſter mehr haͤtten, und ein
Land ohne kanoniſch geweihte Prieſter nicht beſtehen
koͤnnte. Navita de ventis!

Auch in dieſem Lager war das Wetter abſcheu-
lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-

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[236/0248] Sicherheit und Ruhe anſehen, und als ſolche be- handeln wuͤrde. Das war freilich derbe, und dient als Wink uͤber die Qualitaͤt unſeres Ruͤckzugs. — Unſer Lager ſtand dicht an einem Dorfe, wo- hin wir giengen, um uns Kartoffeln, Birnen und andere Lebensmittel einzukaufen: denn im Lager war noch immer Mangel an allem, ſogar an Brod. Der Pfarrer des Dorfes hatte beſonders gute Bir- nen, die er ſelbſt ausgab, und das Geld dafuͤr einnahm. Ich gieng hin, konnte aber wegen der Menge nicht zum Herrn gelangen. Als mir nun die Zeit lang ward, rief ich ihm auf latein zu, er moͤgte mir doch auch Obſt geben fuͤr Geld und gute Worte. Mein Latein that treffliche Dienſte: denn Seine Hochwuͤrden gaben mir nicht nur Birnen und Kartoffeln genug und ohne Geld, ſondern ſpeiſten mich noch obendrein mit Speck und Weißbrod, und traͤnkten mich mit Wein. Das war ein herrlicher Tag fuͤr mich, desgleichen ich ſeit langer Zeit nicht gehabt hatte! Der geiſtliche Herr ſprach viel mit mir, auch uͤber die Religion, und meynte, die Franzoſen muͤßten allerdings zu Grunde gehen, da ſie keine rechten Prieſter mehr haͤtten, und ein Land ohne kanoniſch geweihte Prieſter nicht beſtehen koͤnnte. Navita de ventis! — Auch in dieſem Lager war das Wetter abſcheu- lich, denn es regnete beynahe noch immer ohne Un-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/248>, abgerufen am 03.12.2024.