ten hat sich keiner gefürchtet: jeder hat sie zurechte gemacht, und hernach mit dem besten Appetit ver- zehrt.
Eines Tages nahm mich, als Dolmetscher, Hr. von Soyazinsky, unser Oberleutnant, mit nach einem Dorfe, wo er die Schutzwache machen sollte. Wir traten in ein Haus, wo sich der Haus- herr zwar anfangs verläugnen ließ, hernach aber erschien, als ich die Frau im Namen des Leut- nants versicherte, daß er sich nicht zu fürchten hätte, und daß wir ihn nicht im geringsten kränken, viel- mehr überall schützen würden. Unser gutes Be- nehmen erwarb uns endlich Zutrauen, und der Wirth, nebst seiner Frau, welche in mich, als ihren Vermittler, viel Vertrauen setzten, reichten mir Brodsuppe und Speck. Ich both meinen hungri- gen Kameraden davon an, aber sie dankten, weil sie fürchteten, die Speisen mögten vergiftet seyn: sie riethen mir sogar, ja nicht davon zu kosten, denn es sey den Patrioten auf keinen Fall zu trauen. Aber ich aß unbekümmert, und als die Leute her- nach sahen, daß mir wohl blieb, so verzehrten sie, was ich übrig gelassen hatte. -- Man hat sogar von Vergiften der Brunnen radotirt; aber wer könnte das veranstalten! Kein mineralisches Gift, auch in noch so großer Quantität in einen Brun- nen geworfen, kann, wie ich gehört habe, das
ten hat ſich keiner gefuͤrchtet: jeder hat ſie zurechte gemacht, und hernach mit dem beſten Appetit ver- zehrt.
Eines Tages nahm mich, als Dolmetſcher, Hr. von Soyazinsky, unſer Oberleutnant, mit nach einem Dorfe, wo er die Schutzwache machen ſollte. Wir traten in ein Haus, wo ſich der Haus- herr zwar anfangs verlaͤugnen ließ, hernach aber erſchien, als ich die Frau im Namen des Leut- nants verſicherte, daß er ſich nicht zu fuͤrchten haͤtte, und daß wir ihn nicht im geringſten kraͤnken, viel- mehr uͤberall ſchuͤtzen wuͤrden. Unſer gutes Be- nehmen erwarb uns endlich Zutrauen, und der Wirth, nebſt ſeiner Frau, welche in mich, als ihren Vermittler, viel Vertrauen ſetzten, reichten mir Brodſuppe und Speck. Ich both meinen hungri- gen Kameraden davon an, aber ſie dankten, weil ſie fuͤrchteten, die Speiſen moͤgten vergiftet ſeyn: ſie riethen mir ſogar, ja nicht davon zu koſten, denn es ſey den Patrioten auf keinen Fall zu trauen. Aber ich aß unbekuͤmmert, und als die Leute her- nach ſahen, daß mir wohl blieb, ſo verzehrten ſie, was ich uͤbrig gelaſſen hatte. — Man hat ſogar von Vergiften der Brunnen radotirt; aber wer koͤnnte das veranſtalten! Kein mineraliſches Gift, auch in noch ſo großer Quantitaͤt in einen Brun- nen geworfen, kann, wie ich gehoͤrt habe, das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0139"n="127"/>
ten hat ſich keiner gefuͤrchtet: jeder hat ſie zurechte<lb/>
gemacht, und hernach mit dem beſten Appetit ver-<lb/>
zehrt.</p><lb/><p>Eines Tages nahm mich, als Dolmetſcher,<lb/>
Hr. von <hirendition="#g">Soyazinsky</hi>, unſer Oberleutnant, mit<lb/>
nach einem Dorfe, wo er die Schutzwache machen<lb/>ſollte. Wir traten in ein Haus, wo ſich der Haus-<lb/>
herr zwar anfangs verlaͤugnen ließ, hernach aber<lb/>
erſchien, als ich die Frau im Namen des Leut-<lb/>
nants verſicherte, daß er ſich nicht zu fuͤrchten haͤtte,<lb/>
und daß wir ihn nicht im geringſten kraͤnken, viel-<lb/>
mehr uͤberall ſchuͤtzen wuͤrden. Unſer gutes Be-<lb/>
nehmen erwarb uns endlich Zutrauen, und der<lb/>
Wirth, nebſt ſeiner Frau, welche in mich, als<lb/>
ihren Vermittler, viel Vertrauen ſetzten, reichten<lb/>
mir Brodſuppe und Speck. Ich both meinen hungri-<lb/>
gen Kameraden davon an, aber ſie dankten, weil<lb/>ſie fuͤrchteten, die Speiſen moͤgten vergiftet ſeyn:<lb/>ſie riethen mir ſogar, ja nicht davon zu koſten,<lb/>
denn es ſey den Patrioten auf keinen Fall zu trauen.<lb/>
Aber ich aß unbekuͤmmert, und als die Leute her-<lb/>
nach ſahen, daß mir wohl blieb, ſo verzehrten ſie,<lb/>
was ich uͤbrig gelaſſen hatte. — Man hat ſogar<lb/>
von Vergiften der Brunnen radotirt; aber wer<lb/>
koͤnnte das veranſtalten! Kein mineraliſches Gift,<lb/>
auch in noch ſo großer Quantitaͤt in einen Brun-<lb/>
nen geworfen, kann, wie ich gehoͤrt habe, das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0139]
ten hat ſich keiner gefuͤrchtet: jeder hat ſie zurechte
gemacht, und hernach mit dem beſten Appetit ver-
zehrt.
Eines Tages nahm mich, als Dolmetſcher,
Hr. von Soyazinsky, unſer Oberleutnant, mit
nach einem Dorfe, wo er die Schutzwache machen
ſollte. Wir traten in ein Haus, wo ſich der Haus-
herr zwar anfangs verlaͤugnen ließ, hernach aber
erſchien, als ich die Frau im Namen des Leut-
nants verſicherte, daß er ſich nicht zu fuͤrchten haͤtte,
und daß wir ihn nicht im geringſten kraͤnken, viel-
mehr uͤberall ſchuͤtzen wuͤrden. Unſer gutes Be-
nehmen erwarb uns endlich Zutrauen, und der
Wirth, nebſt ſeiner Frau, welche in mich, als
ihren Vermittler, viel Vertrauen ſetzten, reichten
mir Brodſuppe und Speck. Ich both meinen hungri-
gen Kameraden davon an, aber ſie dankten, weil
ſie fuͤrchteten, die Speiſen moͤgten vergiftet ſeyn:
ſie riethen mir ſogar, ja nicht davon zu koſten,
denn es ſey den Patrioten auf keinen Fall zu trauen.
Aber ich aß unbekuͤmmert, und als die Leute her-
nach ſahen, daß mir wohl blieb, ſo verzehrten ſie,
was ich uͤbrig gelaſſen hatte. — Man hat ſogar
von Vergiften der Brunnen radotirt; aber wer
koͤnnte das veranſtalten! Kein mineraliſches Gift,
auch in noch ſo großer Quantitaͤt in einen Brun-
nen geworfen, kann, wie ich gehoͤrt habe, das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/139>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.