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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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daß sie mich wieder hatten: denn der Herr Si-
mon, mein Vorgänger und Nachfolger, war ein
trauriger Wicht gewesen, der auf der Kanzel wie
ein Hahn krähete und alle seine Weisheit wörtlich
herlas. Ich las niemals etwas ab, und das gefiel
den Bauern. Einer derselben schüttelte mir ganz
traulich die Hand und sagte: "Mer seyn grausam
"froh, daß mer Se wedder hun: der Anner (An-
"dere) war ach gar neischt guts: der hot alles ab-
"geles. Mer wolle Se gehrn (gern) beholen, wann
"Se sich schund (schon) mannichmol behaen (betrin-
"ken); Se seyn doch ä guter Parre."

Meine Leser glauben vielleicht, daß so vielfäl-
tige Züchtigungen mich werden gewitzigt haben und
ich endlich einmal zu einer bessern Lebensart geschrit-
ten sey; aber Sie irren sich, meine Leser! Ich fuhr
fort, wie ichs ehedem getrieben hatte. Der Dichter
hat recht:

Quo semel est imbura recens, servabit odorem testa
diu.
- - Und
Naturam expellas furca, tamen usque recurret.

Natura heißt mir in dieser Stelle; unartige Ge-
wohnheit. Ich war des wilden Lebens zu sehr
gewohnt, als daß ich mich ins Ordentliche hätte fü-
gen können. Ausserdem hatte ich zu wenig Interesse
bei der Pfafferei, als daß ich mir hätte wehe thun

daß ſie mich wieder hatten: denn der Herr Si-
mon, mein Vorgaͤnger und Nachfolger, war ein
trauriger Wicht geweſen, der auf der Kanzel wie
ein Hahn kraͤhete und alle ſeine Weisheit woͤrtlich
herlas. Ich las niemals etwas ab, und das gefiel
den Bauern. Einer derſelben ſchuͤttelte mir ganz
traulich die Hand und ſagte: „Mer ſeyn grauſam
„froh, daß mer Se wedder hun: der Anner (An-
„dere) war ach gar neiſcht guts: der hot alles ab-
„geles. Mer wolle Se gehrn (gern) beholen, wann
„Se ſich ſchund (ſchon) mannichmol behaen (betrin-
„ken); Se ſeyn doch aͤ guter Parre.“

Meine Leſer glauben vielleicht, daß ſo vielfaͤl-
tige Zuͤchtigungen mich werden gewitzigt haben und
ich endlich einmal zu einer beſſern Lebensart geſchrit-
ten ſey; aber Sie irren ſich, meine Leſer! Ich fuhr
fort, wie ichs ehedem getrieben hatte. Der Dichter
hat recht:

Quo ſemel eſt imbura recens, ſervabit odorem teſta
diu.
– – Und
Naturam expellas furca, tamen usque recurret.

Natura heißt mir in dieſer Stelle; unartige Ge-
wohnheit. Ich war des wilden Lebens zu ſehr
gewohnt, als daß ich mich ins Ordentliche haͤtte fuͤ-
gen koͤnnen. Auſſerdem hatte ich zu wenig Intereſſe
bei der Pfafferei, als daß ich mir haͤtte wehe thun

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[69/0071] daß ſie mich wieder hatten: denn der Herr Si- mon, mein Vorgaͤnger und Nachfolger, war ein trauriger Wicht geweſen, der auf der Kanzel wie ein Hahn kraͤhete und alle ſeine Weisheit woͤrtlich herlas. Ich las niemals etwas ab, und das gefiel den Bauern. Einer derſelben ſchuͤttelte mir ganz traulich die Hand und ſagte: „Mer ſeyn grauſam „froh, daß mer Se wedder hun: der Anner (An- „dere) war ach gar neiſcht guts: der hot alles ab- „geles. Mer wolle Se gehrn (gern) beholen, wann „Se ſich ſchund (ſchon) mannichmol behaen (betrin- „ken); Se ſeyn doch aͤ guter Parre.“ Meine Leſer glauben vielleicht, daß ſo vielfaͤl- tige Zuͤchtigungen mich werden gewitzigt haben und ich endlich einmal zu einer beſſern Lebensart geſchrit- ten ſey; aber Sie irren ſich, meine Leſer! Ich fuhr fort, wie ichs ehedem getrieben hatte. Der Dichter hat recht: Quo ſemel eſt imbura recens, ſervabit odorem teſta diu. – – Und Naturam expellas furca, tamen usque recurret. Natura heißt mir in dieſer Stelle; unartige Ge- wohnheit. Ich war des wilden Lebens zu ſehr gewohnt, als daß ich mich ins Ordentliche haͤtte fuͤ- gen koͤnnen. Auſſerdem hatte ich zu wenig Intereſſe bei der Pfafferei, als daß ich mir haͤtte wehe thun

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/71>, abgerufen am 24.11.2024.