"Es ist vielleicht kein Buch, das dem gemei- "meinen Mann schädlicher wäre: denn es schadet "nur dem Verständigen, dem Redlichen. Der "Schlimme lieset es nicht: der Gleichgültige kehrt "sich daran nicht: der Stumpfe versteht es nicht: "der Verständige, der Gewissenhafte allein studiert "es, verwirrt sich und wird ein Opfer seiner Gewis- "senhaftigkeit. Mir blutet die Seele, wenn ich an "die vielen redlichen Menschen aus meiner Bekannt- "schaft denke, die durch ihre eigene Frömmigkeit bei "Lesung der Bibel unglücklich geworden sind. Einer "hängte sich, zwei stürzten sich ins Wasser, mehrere "verloren den Gebrauch ihres Verstandes: eine noch "weit größere Anzahl wurden von ihren Zweifeln "herumgetrieben, Tag und Nacht gemartert, für "ihr Hauswesen unbrauchbar und den Ihrigen zur "Last. Sprecht redliche Pfarrer in Ländern, wo "dem Landmann Muße gelaßen ist zu denken: wie "oft Ihr mit diesen Bibellesern zu kämpfen hab't! "Welch unsinniges Zeug sich aus diesem Lesen in den "Köpfen solcher Leute erzeugt! Welcher Aberglaube "ist möglich, den sie nicht in diesem Buche bestätigt "glauben! Geisterbeschwörung, Schatzgräberei, Teu- "felsbannerei, Hexen, Gespenster, Goldmacherei, "Zauberei: alle diese Undinge finden Sie in Glau- "bensartikel verwandelt, und manche wohl gar, wie "sie meynen, als erlaubt gerechtfertigt. Schwärme-
„Es iſt vielleicht kein Buch, das dem gemei- „meinen Mann ſchaͤdlicher waͤre: denn es ſchadet „nur dem Verſtaͤndigen, dem Redlichen. Der „Schlimme lieſet es nicht: der Gleichguͤltige kehrt „ſich daran nicht: der Stumpfe verſteht es nicht: „der Verſtaͤndige, der Gewiſſenhafte allein ſtudiert „es, verwirrt ſich und wird ein Opfer ſeiner Gewiſ- „ſenhaftigkeit. Mir blutet die Seele, wenn ich an „die vielen redlichen Menſchen aus meiner Bekannt- „ſchaft denke, die durch ihre eigene Froͤmmigkeit bei „Leſung der Bibel ungluͤcklich geworden ſind. Einer „haͤngte ſich, zwei ſtuͤrzten ſich ins Waſſer, mehrere „verloren den Gebrauch ihres Verſtandes: eine noch „weit groͤßere Anzahl wurden von ihren Zweifeln „herumgetrieben, Tag und Nacht gemartert, fuͤr „ihr Hausweſen unbrauchbar und den Ihrigen zur „Laſt. Sprecht redliche Pfarrer in Laͤndern, wo „dem Landmann Muße gelaßen iſt zu denken: wie „oft Ihr mit dieſen Bibelleſern zu kaͤmpfen hab't! „Welch unſinniges Zeug ſich aus dieſem Leſen in den „Koͤpfen ſolcher Leute erzeugt! Welcher Aberglaube „iſt moͤglich, den ſie nicht in dieſem Buche beſtaͤtigt „glauben! Geiſterbeſchwoͤrung, Schatzgraͤberei, Teu- „felsbannerei, Hexen, Geſpenſter, Goldmacherei, „Zauberei: alle dieſe Undinge finden Sie in Glau- „bensartikel verwandelt, und manche wohl gar, wie „ſie meynen, als erlaubt gerechtfertigt. Schwaͤrme-
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„Es iſt vielleicht kein Buch, das dem gemei-
„meinen Mann ſchaͤdlicher waͤre: denn es ſchadet
„nur dem Verſtaͤndigen, dem Redlichen. Der
„Schlimme lieſet es nicht: der Gleichguͤltige kehrt
„ſich daran nicht: der Stumpfe verſteht es nicht:
„der Verſtaͤndige, der Gewiſſenhafte allein ſtudiert
„es, verwirrt ſich und wird ein Opfer ſeiner Gewiſ-
„ſenhaftigkeit. Mir blutet die Seele, wenn ich an
„die vielen redlichen Menſchen aus meiner Bekannt-
„ſchaft denke, die durch ihre eigene Froͤmmigkeit bei
„Leſung der Bibel ungluͤcklich geworden ſind. Einer
„haͤngte ſich, zwei ſtuͤrzten ſich ins Waſſer, mehrere
„verloren den Gebrauch ihres Verſtandes: eine noch
„weit groͤßere Anzahl wurden von ihren Zweifeln
„herumgetrieben, Tag und Nacht gemartert, fuͤr
„ihr Hausweſen unbrauchbar und den Ihrigen zur
„Laſt. Sprecht redliche Pfarrer in Laͤndern, wo
„dem Landmann Muße gelaßen iſt zu denken: wie
„oft Ihr mit dieſen Bibelleſern zu kaͤmpfen hab't!
„Welch unſinniges Zeug ſich aus dieſem Leſen in den
„Koͤpfen ſolcher Leute erzeugt! Welcher Aberglaube
„iſt moͤglich, den ſie nicht in dieſem Buche beſtaͤtigt
„glauben! Geiſterbeſchwoͤrung, Schatzgraͤberei, Teu-
„felsbannerei, Hexen, Geſpenſter, Goldmacherei,
„Zauberei: alle dieſe Undinge finden Sie in Glau-
„bensartikel verwandelt, und manche wohl gar, wie
„ſie meynen, als erlaubt gerechtfertigt. Schwaͤrme-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 429[431]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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