Im Februar 1790 starb K. JosephII, und nun kam es bald zu Irrungen. Preussen verlangte, Oestreich sollte Frieden mit den Türken machen, aber Leopold sträubte sich. Also wurden von Preussischer Seite Anstalten zum Feldzuge gemacht, und endlich wurde selbst marschirt.
Der Preussische Soldat, im ganzen genommen, geht weit ungerner ins Feld, als irgend ein anderer. Ich sage dieses gar nicht, als zweifelte ich an dem Muth unserer Krieger: ich bin vielmehr versichert daß sich bei keiner Armee mehr wahrer Muth reget, als bei der Unsrigen. Die Sache hat aber einen ganz andern Grund. Bei der kaiserlichen Armee, und bei der ehemaligen Französischen, wie auch bei andern Heeren, ist das Heurathen dem Soldaten sehr erschwert: kaum kann langer Dienst und beson- dere Umstände endlich ihm die Erlaubniß dazu aus- wirken. Allein bei unserer Armee ist nichts leichter, als einen Trauschein zu erhalten. Es ist daher sogar das Sprüchwort entstanden: "für einen Thaler und
vereinten Kräften von Seiten der Befehlshaber sowohl, als der Subalternen, ohne Eifersucht und ohne Falsch, auf Einen gemeinschaftlichen Punkt hinarbeiten. Selt- sam komplicirt ist die Kraft, Masse und deren Richtung hier allerdings; und fährt Freund Zufall, von Seiten der Franzosen selbst keinen Alexander herbei, so könnte der jetzt geschlungene Knoten weit schwerer zu lösen seyn, als vorzeiten der Gordische.
Im Februar 1790 ſtarb K. JoſephII, und nun kam es bald zu Irrungen. Preuſſen verlangte, Oeſtreich ſollte Frieden mit den Tuͤrken machen, aber Leopold ſtraͤubte ſich. Alſo wurden von Preuſſiſcher Seite Anſtalten zum Feldzuge gemacht, und endlich wurde ſelbſt marſchirt.
Der Preuſſiſche Soldat, im ganzen genommen, geht weit ungerner ins Feld, als irgend ein anderer. Ich ſage dieſes gar nicht, als zweifelte ich an dem Muth unſerer Krieger: ich bin vielmehr verſichert daß ſich bei keiner Armee mehr wahrer Muth reget, als bei der Unſrigen. Die Sache hat aber einen ganz andern Grund. Bei der kaiſerlichen Armee, und bei der ehemaligen Franzoͤſiſchen, wie auch bei andern Heeren, iſt das Heurathen dem Soldaten ſehr erſchwert: kaum kann langer Dienſt und beſon- dere Umſtaͤnde endlich ihm die Erlaubniß dazu aus- wirken. Allein bei unſerer Armee iſt nichts leichter, als einen Trauſchein zu erhalten. Es iſt daher ſogar das Spruͤchwort entſtanden: „fuͤr einen Thaler und
vereinten Kraͤften von Seiten der Befehlshaber ſowohl, als der Subalternen, ohne Eiferſucht und ohne Falſch, auf Einen gemeinſchaftlichen Punkt hinarbeiten. Selt- ſam komplicirt iſt die Kraft, Maſſe und deren Richtung hier allerdings; und faͤhrt Freund Zufall, von Seiten der Franzoſen ſelbſt keinen Alexander herbei, ſo koͤnnte der jetzt geſchlungene Knoten weit ſchwerer zu loͤſen ſeyn, als vorzeiten der Gordiſche.
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Im Februar 1790 ſtarb K. Joſeph II, und
nun kam es bald zu Irrungen. Preuſſen verlangte,
Oeſtreich ſollte Frieden mit den Tuͤrken machen, aber
Leopold ſtraͤubte ſich. Alſo wurden von Preuſſiſcher
Seite Anſtalten zum Feldzuge gemacht, und endlich
wurde ſelbſt marſchirt.
Der Preuſſiſche Soldat, im ganzen genommen,
geht weit ungerner ins Feld, als irgend ein anderer.
Ich ſage dieſes gar nicht, als zweifelte ich an dem
Muth unſerer Krieger: ich bin vielmehr verſichert
daß ſich bei keiner Armee mehr wahrer Muth reget,
als bei der Unſrigen. Die Sache hat aber einen
ganz andern Grund. Bei der kaiſerlichen Armee,
und bei der ehemaligen Franzoͤſiſchen, wie auch bei
andern Heeren, iſt das Heurathen dem Soldaten
ſehr erſchwert: kaum kann langer Dienſt und beſon-
dere Umſtaͤnde endlich ihm die Erlaubniß dazu aus-
wirken. Allein bei unſerer Armee iſt nichts leichter,
als einen Trauſchein zu erhalten. Es iſt daher ſogar
das Spruͤchwort entſtanden: „fuͤr einen Thaler und
r) vereinten Kraͤften von Seiten der Befehlshaber ſowohl,
als der Subalternen, ohne Eiferſucht und ohne Falſch,
auf Einen gemeinſchaftlichen Punkt hinarbeiten. Selt-
ſam komplicirt iſt die Kraft, Maſſe und deren Richtung
hier allerdings; und faͤhrt Freund Zufall, von Seiten
der Franzoſen ſelbſt keinen Alexander herbei, ſo
koͤnnte der jetzt geſchlungene Knoten weit ſchwerer zu
loͤſen ſeyn, als vorzeiten der Gordiſche.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 394[396]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/398>, abgerufen am 22.11.2024.
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