einen Posten gestellt wurde, der seinen Kenntnissen und Talenten entsprochen hätte? Allein hernach konnte ich mir diese Frage leicht auflösen: Herr Bispink ist ein Philosoph zu Fuße, der sich aus der Complimen- ten-Welt nicht viel macht, und Freimüthigkeit ge- nug besizt, das zu tadeln, was Tadel verdient. Auch mag es seyn, daß einige Herren nicht gern mit einem Mann zusammenkommen mochten, der in manchem Stücke sie übersah. Ueberdies weiß man, daß der liebe Nepotismus viele würdige und verdienstliche Männer zurücksezt, um die Herren Vetter zu Amt und Brodt zu verhelfen.
"Aber Herr Bispink ist -- Proselyt!" -- Gut! er wards, um seine bürgerliche Freiheit auf seiner Reise nach Halle im Köllnischen Sauerland wider alle möglichen Anfälle der dortigen katholi- schen Obrigkeit, nach dem Westphälischen Frie- den und Bergischen Receß, zu sichern. Wer ihn kennt, wird wissen, daß Brodsucht oder eingeengte theologische Denkungsart der Grund davon bei ihm nicht war. Er weis sehr wohl, daß es immer Thor- heit ist, die eine Thorheit gegen die andere auszu- tauschen: aber warum machen unsere bürgerlichen Verfassungen dies oft zur Noth? -- Und was ist denn ein Proselyt? Nicht wahr, ein Mensch, dem es beliebt, mit den Materialien und der Form seines kirchlichen Denkens und Handelns eine autori-
einen Poſten geſtellt wurde, der ſeinen Kenntniſſen und Talenten entſprochen haͤtte? Allein hernach konnte ich mir dieſe Frage leicht aufloͤſen: Herr Bispink iſt ein Philoſoph zu Fuße, der ſich aus der Complimen- ten-Welt nicht viel macht, und Freimuͤthigkeit ge- nug beſizt, das zu tadeln, was Tadel verdient. Auch mag es ſeyn, daß einige Herren nicht gern mit einem Mann zuſammenkommen mochten, der in manchem Stuͤcke ſie uͤberſah. Ueberdies weiß man, daß der liebe Nepotismus viele wuͤrdige und verdienſtliche Maͤnner zuruͤckſezt, um die Herren Vetter zu Amt und Brodt zu verhelfen.
„Aber Herr Bispink iſt — Proſelyt!“ — Gut! er wards, um ſeine buͤrgerliche Freiheit auf ſeiner Reiſe nach Halle im Koͤllniſchen Sauerland wider alle moͤglichen Anfaͤlle der dortigen katholi- ſchen Obrigkeit, nach dem Weſtphaͤliſchen Frie- den und Bergiſchen Receß, zu ſichern. Wer ihn kennt, wird wiſſen, daß Brodſucht oder eingeengte theologiſche Denkungsart der Grund davon bei ihm nicht war. Er weis ſehr wohl, daß es immer Thor- heit iſt, die eine Thorheit gegen die andere auszu- tauſchen: aber warum machen unſere buͤrgerlichen Verfaſſungen dies oft zur Noth? — Und was iſt denn ein Proſelyt? Nicht wahr, ein Menſch, dem es beliebt, mit den Materialien und der Form ſeines kirchlichen Denkens und Handelns eine autori-
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einen Poſten geſtellt wurde, der ſeinen Kenntniſſen
und Talenten entſprochen haͤtte? Allein hernach konnte
ich mir dieſe Frage leicht aufloͤſen: Herr Bispink iſt
ein Philoſoph zu Fuße, der ſich aus der Complimen-
ten-Welt nicht viel macht, und Freimuͤthigkeit ge-
nug beſizt, das zu tadeln, was Tadel verdient. Auch
mag es ſeyn, daß einige Herren nicht gern mit einem
Mann zuſammenkommen mochten, der in manchem
Stuͤcke ſie uͤberſah. Ueberdies weiß man, daß der
liebe Nepotismus viele wuͤrdige und verdienſtliche
Maͤnner zuruͤckſezt, um die Herren Vetter zu Amt
und Brodt zu verhelfen.
„Aber Herr Bispink iſt — Proſelyt!“ —
Gut! er wards, um ſeine buͤrgerliche Freiheit auf
ſeiner Reiſe nach Halle im Koͤllniſchen Sauerland
wider alle moͤglichen Anfaͤlle der dortigen katholi-
ſchen Obrigkeit, nach dem Weſtphaͤliſchen Frie-
den und Bergiſchen Receß, zu ſichern. Wer ihn
kennt, wird wiſſen, daß Brodſucht oder eingeengte
theologiſche Denkungsart der Grund davon bei ihm
nicht war. Er weis ſehr wohl, daß es immer Thor-
heit iſt, die eine Thorheit gegen die andere auszu-
tauſchen: aber warum machen unſere buͤrgerlichen
Verfaſſungen dies oft zur Noth? — Und was iſt
denn ein Proſelyt? Nicht wahr, ein Menſch, dem es
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 376[378]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/380>, abgerufen am 23.11.2024.
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