Ich ging einmal mit einem Schlesier, Herrn Martin, durch die Märkerstraße: Grossing be- gegnete uns, steif und gravitätisch auf dem breiten Stein einherschreitend. Herr Martin wich ihm aus, ich aber sagte aus Aerger auf französisch zu ihm: warum weichen sie denn einem Schuft aus? der Kerl ist ja ein Schurke! Grossing schritt fort, mir nichts, dir nichts. Am folgenden Tag ging ich über den großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte: er erblickte mich aus seinem Fenster, und schickte sei- nen Bedienten Zeising, der noch jetzt in Halle ist, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen sollte. Ich besann mich einen Augenblick, und ging zu dem sogenannten Baron. Er redete mich dreiste an, ob ich französisch spräche, und ob ich gestern so und so gesprochen hätte? und ohne meine Antwort abzuwar- ten, drohte er mir, mich beim Obristen, unserm jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da würde ich denn auf sein Wort in Arrest geworfen werden, und da sollte mirs gehen, wie dem Gug- genthalm). Die Großsprecherei und Imperti-
m)Guggenthal war Soldat und Grossings treuer Ge- hülfe bei Huren- und Pasquillgeschäften. Es ist sehr wahrscheinlich, daß eben er am hiesigen Soldatengalgen die schändliche Bemerkung geklebt habe: daß der König von England besser gethan haben würde, den Johann Rheinhold Forster zum Schweinhirten zu machen, als
Ich ging einmal mit einem Schleſier, Herrn Martin, durch die Maͤrkerſtraße: Groſſing be- gegnete uns, ſteif und gravitaͤtiſch auf dem breiten Stein einherſchreitend. Herr Martin wich ihm aus, ich aber ſagte aus Aerger auf franzoͤſiſch zu ihm: warum weichen ſie denn einem Schuft aus? der Kerl iſt ja ein Schurke! Groſſing ſchritt fort, mir nichts, dir nichts. Am folgenden Tag ging ich uͤber den großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte: er erblickte mich aus ſeinem Fenſter, und ſchickte ſei- nen Bedienten Zeiſing, der noch jetzt in Halle iſt, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen ſollte. Ich beſann mich einen Augenblick, und ging zu dem ſogenannten Baron. Er redete mich dreiſte an, ob ich franzoͤſiſch ſpraͤche, und ob ich geſtern ſo und ſo geſprochen haͤtte? und ohne meine Antwort abzuwar- ten, drohte er mir, mich beim Obriſten, unſerm jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da wuͤrde ich denn auf ſein Wort in Arreſt geworfen werden, und da ſollte mirs gehen, wie dem Gug- genthalm). Die Großſprecherei und Imperti-
m)Guggenthal war Soldat und Groſſings treuer Ge- huͤlfe bei Huren- und Pasquillgeſchaͤften. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß eben er am hieſigen Soldatengalgen die ſchaͤndliche Bemerkung geklebt habe: daß der Koͤnig von England beſſer gethan haben wuͤrde, den Johann Rheinhold Forſter zum Schweinhirten zu machen, als
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[309[319]/0321]
Ich ging einmal mit einem Schleſier, Herrn
Martin, durch die Maͤrkerſtraße: Groſſing be-
gegnete uns, ſteif und gravitaͤtiſch auf dem breiten
Stein einherſchreitend. Herr Martin wich ihm
aus, ich aber ſagte aus Aerger auf franzoͤſiſch zu ihm:
warum weichen ſie denn einem Schuft aus? der Kerl
iſt ja ein Schurke! Groſſing ſchritt fort, mir nichts,
dir nichts. Am folgenden Tag ging ich uͤber den
großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte:
er erblickte mich aus ſeinem Fenſter, und ſchickte ſei-
nen Bedienten Zeiſing, der noch jetzt in Halle
iſt, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen ſollte.
Ich beſann mich einen Augenblick, und ging zu dem
ſogenannten Baron. Er redete mich dreiſte an, ob
ich franzoͤſiſch ſpraͤche, und ob ich geſtern ſo und ſo
geſprochen haͤtte? und ohne meine Antwort abzuwar-
ten, drohte er mir, mich beim Obriſten, unſerm
jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da
wuͤrde ich denn auf ſein Wort in Arreſt geworfen
werden, und da ſollte mirs gehen, wie dem Gug-
genthal m). Die Großſprecherei und Imperti-
m) Guggenthal war Soldat und Groſſings treuer Ge-
huͤlfe bei Huren- und Pasquillgeſchaͤften. Es iſt ſehr
wahrſcheinlich, daß eben er am hieſigen Soldatengalgen
die ſchaͤndliche Bemerkung geklebt habe: daß der Koͤnig
von England beſſer gethan haben wuͤrde, den Johann
Rheinhold Forſter zum Schweinhirten zu machen, als
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 309[319]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/321>, abgerufen am 25.11.2024.
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