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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Ich ging einmal mit einem Schlesier, Herrn
Martin, durch die Märkerstraße: Grossing be-
gegnete uns, steif und gravitätisch auf dem breiten
Stein einherschreitend. Herr Martin wich ihm
aus, ich aber sagte aus Aerger auf französisch zu ihm:
warum weichen sie denn einem Schuft aus? der Kerl
ist ja ein Schurke! Grossing schritt fort, mir nichts,
dir nichts. Am folgenden Tag ging ich über den
großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte:
er erblickte mich aus seinem Fenster, und schickte sei-
nen Bedienten Zeising, der noch jetzt in Halle
ist, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen sollte.
Ich besann mich einen Augenblick, und ging zu dem
sogenannten Baron. Er redete mich dreiste an, ob
ich französisch spräche, und ob ich gestern so und so
gesprochen hätte? und ohne meine Antwort abzuwar-
ten, drohte er mir, mich beim Obristen, unserm
jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da
würde ich denn auf sein Wort in Arrest geworfen
werden, und da sollte mirs gehen, wie dem Gug-
genthal m). Die Großsprecherei und Imperti-

m) Guggenthal war Soldat und Grossings treuer Ge-
hülfe bei Huren- und Pasquillgeschäften. Es ist sehr
wahrscheinlich, daß eben er am hiesigen Soldatengalgen
die schändliche Bemerkung geklebt habe: daß der König
von England besser gethan haben würde, den Johann
Rheinhold Forster zum Schweinhirten zu machen, als

Ich ging einmal mit einem Schleſier, Herrn
Martin, durch die Maͤrkerſtraße: Groſſing be-
gegnete uns, ſteif und gravitaͤtiſch auf dem breiten
Stein einherſchreitend. Herr Martin wich ihm
aus, ich aber ſagte aus Aerger auf franzoͤſiſch zu ihm:
warum weichen ſie denn einem Schuft aus? der Kerl
iſt ja ein Schurke! Groſſing ſchritt fort, mir nichts,
dir nichts. Am folgenden Tag ging ich uͤber den
großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte:
er erblickte mich aus ſeinem Fenſter, und ſchickte ſei-
nen Bedienten Zeiſing, der noch jetzt in Halle
iſt, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen ſollte.
Ich beſann mich einen Augenblick, und ging zu dem
ſogenannten Baron. Er redete mich dreiſte an, ob
ich franzoͤſiſch ſpraͤche, und ob ich geſtern ſo und ſo
geſprochen haͤtte? und ohne meine Antwort abzuwar-
ten, drohte er mir, mich beim Obriſten, unſerm
jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da
wuͤrde ich denn auf ſein Wort in Arreſt geworfen
werden, und da ſollte mirs gehen, wie dem Gug-
genthal m). Die Großſprecherei und Imperti-

m) Guggenthal war Soldat und Groſſings treuer Ge-
huͤlfe bei Huren- und Pasquillgeſchaͤften. Es iſt ſehr
wahrſcheinlich, daß eben er am hieſigen Soldatengalgen
die ſchaͤndliche Bemerkung geklebt habe: daß der Koͤnig
von England beſſer gethan haben wuͤrde, den Johann
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[309[319]/0321] Ich ging einmal mit einem Schleſier, Herrn Martin, durch die Maͤrkerſtraße: Groſſing be- gegnete uns, ſteif und gravitaͤtiſch auf dem breiten Stein einherſchreitend. Herr Martin wich ihm aus, ich aber ſagte aus Aerger auf franzoͤſiſch zu ihm: warum weichen ſie denn einem Schuft aus? der Kerl iſt ja ein Schurke! Groſſing ſchritt fort, mir nichts, dir nichts. Am folgenden Tag ging ich uͤber den großen Berlin, wo der Aventurier damals wohnte: er erblickte mich aus ſeinem Fenſter, und ſchickte ſei- nen Bedienten Zeiſing, der noch jetzt in Halle iſt, hinter mir drein, daß ich zu ihm kommen ſollte. Ich beſann mich einen Augenblick, und ging zu dem ſogenannten Baron. Er redete mich dreiſte an, ob ich franzoͤſiſch ſpraͤche, und ob ich geſtern ſo und ſo geſprochen haͤtte? und ohne meine Antwort abzuwar- ten, drohte er mir, mich beim Obriſten, unſerm jetzigen General von Thadden, anzugeben. Da wuͤrde ich denn auf ſein Wort in Arreſt geworfen werden, und da ſollte mirs gehen, wie dem Gug- genthal m). Die Großſprecherei und Imperti- m) Guggenthal war Soldat und Groſſings treuer Ge- huͤlfe bei Huren- und Pasquillgeſchaͤften. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß eben er am hieſigen Soldatengalgen die ſchaͤndliche Bemerkung geklebt habe: daß der Koͤnig von England beſſer gethan haben wuͤrde, den Johann Rheinhold Forſter zum Schweinhirten zu machen, als

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 309[319]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/321>, abgerufen am 25.11.2024.