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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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gewogen, und unterhielt sich gern mit mir in der
französischen Sprache, welche er mit guter Fertig-
keit redete.

Mein Vater lag mir, wie billig, gleich vom
Anfang meiner neuen Lebensart, stark im Sinne.
Was wird der ehrliche Alte empfinden und sagen,
wenn er erfährt, daß nun alles an dir auf einmal,
ohne alle Hoffnung verlohren ist? Dieser Gedanke
fuhr mir immer durch Kopf und Herz, und vergällte
mir jeden Augenblick. Um dieser Quaal los zu wer-
den, bath ich den D. Semler schriftlich -- denn per-
sönlich wollte ich den ehrwürdigen Mann in meiner
Soldaten-Uniform noch nicht angehen -- er möchte
suchen, meinem Vater meinen Schritt zum Soldaten-
stande auf die glimpflichste Art beizubringen. Der
gute Mann antwortete mir, das sey schon geschehen:
er hoffe, mein Vater würde mich mehr bedauren,
als über mich zürnen. Der Hauptmann hatte auch
schon geschrieben: allein lange erschien keine Ant-
wort. Endlich kam ein Brief von meinem Vater an
den Herrn von Müffling in sehr gemäßigtem und ge-
setztem Ton. "Er kenne, schrieb er, das mensch-
liche Herz, und mein Schritt käme ihm, da er meine
Sitten, meine Denkungsart, und meinen Leichtsinn
auch kenne, gar nicht fremde vor. Er vergäbe mir
von Herzen meine Verirrungen, sogar den letzten
desperaten Schritt, so sehr er ihn sonst schmerzte,

gewogen, und unterhielt ſich gern mit mir in der
franzoͤſiſchen Sprache, welche er mit guter Fertig-
keit redete.

Mein Vater lag mir, wie billig, gleich vom
Anfang meiner neuen Lebensart, ſtark im Sinne.
Was wird der ehrliche Alte empfinden und ſagen,
wenn er erfaͤhrt, daß nun alles an dir auf einmal,
ohne alle Hoffnung verlohren iſt? Dieſer Gedanke
fuhr mir immer durch Kopf und Herz, und vergaͤllte
mir jeden Augenblick. Um dieſer Quaal los zu wer-
den, bath ich den D. Semler ſchriftlich — denn per-
ſoͤnlich wollte ich den ehrwuͤrdigen Mann in meiner
Soldaten-Uniform noch nicht angehen — er moͤchte
ſuchen, meinem Vater meinen Schritt zum Soldaten-
ſtande auf die glimpflichſte Art beizubringen. Der
gute Mann antwortete mir, das ſey ſchon geſchehen:
er hoffe, mein Vater wuͤrde mich mehr bedauren,
als uͤber mich zuͤrnen. Der Hauptmann hatte auch
ſchon geſchrieben: allein lange erſchien keine Ant-
wort. Endlich kam ein Brief von meinem Vater an
den Herrn von Muͤffling in ſehr gemaͤßigtem und ge-
ſetztem Ton. „Er kenne, ſchrieb er, das menſch-
liche Herz, und mein Schritt kaͤme ihm, da er meine
Sitten, meine Denkungsart, und meinen Leichtſinn
auch kenne, gar nicht fremde vor. Er vergaͤbe mir
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[273[283]/0285] gewogen, und unterhielt ſich gern mit mir in der franzoͤſiſchen Sprache, welche er mit guter Fertig- keit redete. Mein Vater lag mir, wie billig, gleich vom Anfang meiner neuen Lebensart, ſtark im Sinne. Was wird der ehrliche Alte empfinden und ſagen, wenn er erfaͤhrt, daß nun alles an dir auf einmal, ohne alle Hoffnung verlohren iſt? Dieſer Gedanke fuhr mir immer durch Kopf und Herz, und vergaͤllte mir jeden Augenblick. Um dieſer Quaal los zu wer- den, bath ich den D. Semler ſchriftlich — denn per- ſoͤnlich wollte ich den ehrwuͤrdigen Mann in meiner Soldaten-Uniform noch nicht angehen — er moͤchte ſuchen, meinem Vater meinen Schritt zum Soldaten- ſtande auf die glimpflichſte Art beizubringen. Der gute Mann antwortete mir, das ſey ſchon geſchehen: er hoffe, mein Vater wuͤrde mich mehr bedauren, als uͤber mich zuͤrnen. Der Hauptmann hatte auch ſchon geſchrieben: allein lange erſchien keine Ant- wort. Endlich kam ein Brief von meinem Vater an den Herrn von Muͤffling in ſehr gemaͤßigtem und ge- ſetztem Ton. „Er kenne, ſchrieb er, das menſch- liche Herz, und mein Schritt kaͤme ihm, da er meine Sitten, meine Denkungsart, und meinen Leichtſinn auch kenne, gar nicht fremde vor. Er vergaͤbe mir von Herzen meine Verirrungen, ſogar den letzten deſperaten Schritt, ſo ſehr er ihn ſonſt ſchmerzte,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 273[283]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/285>, abgerufen am 21.05.2024.