einem unschuldigen verliebten Mädchen, wie weiland meine Therese war! Noch kränkt mich der Gedanke an dieses gute, ehrliche Geschöpf!
Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal- lischen Nachtwächter erzählen. -- Ich war in dem Hause des Kaufmanns c) Mörtschke auf dem alten Markte bekannt geworden. In diesem Hause war des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium. Es bestand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf- mann Mörtschke, seinem Bruder, dem Trätöhr, dem Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem Kontrollöhr Bauer, aus zwei Waisenhäuser Stu- denten, deren einer hernach Inspector ward, und endlich aus mir. Ich muß gestehen, daß ich in die- ser sehr gemischten Gesellschaft manche angenehme Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht, Schnapps dazu getrunken, und über die Zeitungen, auch wohl manchmal über gelehrte Dinge gekannen- giessert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewöhn- lich gingen wir so vergnügt auseinander, als wir zusammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte zwei Töchter, damals noch Kinder: die älteste gefiel
c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann. Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und sonst- wo, weiß man sehr gut zu unterscheiden zwischen Kauf- mann und Krämer.
einem unſchuldigen verliebten Maͤdchen, wie weiland meine Thereſe war! Noch kraͤnkt mich der Gedanke an dieſes gute, ehrliche Geſchoͤpf!
Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal- liſchen Nachtwaͤchter erzaͤhlen. — Ich war in dem Hauſe des Kaufmanns c) Moͤrtſchke auf dem alten Markte bekannt geworden. In dieſem Hauſe war des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium. Es beſtand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf- mann Moͤrtſchke, ſeinem Bruder, dem Traͤtoͤhr, dem Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem Kontrolloͤhr Bauer, aus zwei Waiſenhaͤuſer Stu- denten, deren einer hernach Inſpector ward, und endlich aus mir. Ich muß geſtehen, daß ich in die- ſer ſehr gemiſchten Geſellſchaft manche angenehme Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht, Schnapps dazu getrunken, und uͤber die Zeitungen, auch wohl manchmal uͤber gelehrte Dinge gekannen- gieſſert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewoͤhn- lich gingen wir ſo vergnuͤgt auseinander, als wir zuſammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte zwei Toͤchter, damals noch Kinder: die aͤlteſte gefiel
c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann. Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und ſonſt- wo, weiß man ſehr gut zu unterſcheiden zwiſchen Kauf- mann und Kraͤmer.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0222"n="220"/><p>einem unſchuldigen verliebten Maͤdchen, wie weiland<lb/>
meine Thereſe war! Noch kraͤnkt mich der Gedanke<lb/>
an dieſes gute, ehrliche Geſchoͤpf!</p><lb/><p>Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal-<lb/>
liſchen Nachtwaͤchter erzaͤhlen. — Ich war in dem<lb/>
Hauſe des Kaufmanns <noteplace="foot"n="c)">Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann.<lb/>
Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und ſonſt-<lb/>
wo, weiß man ſehr gut zu unterſcheiden zwiſchen Kauf-<lb/>
mann und Kraͤmer.</note> Moͤrtſchke auf dem alten<lb/>
Markte bekannt geworden. In dieſem Hauſe war<lb/>
des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium.<lb/>
Es beſtand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf-<lb/>
mann Moͤrtſchke, ſeinem Bruder, dem Traͤtoͤhr, dem<lb/>
Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem<lb/>
Kontrolloͤhr Bauer, aus zwei Waiſenhaͤuſer Stu-<lb/>
denten, deren einer hernach Inſpector ward, und<lb/>
endlich aus mir. Ich muß geſtehen, daß ich in die-<lb/>ſer ſehr gemiſchten Geſellſchaft manche angenehme<lb/>
Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht,<lb/>
Schnapps dazu getrunken, und uͤber die Zeitungen,<lb/>
auch wohl manchmal uͤber gelehrte Dinge gekannen-<lb/>
gieſſert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewoͤhn-<lb/>
lich gingen wir ſo vergnuͤgt auseinander, als wir<lb/>
zuſammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte<lb/>
zwei Toͤchter, damals noch Kinder: die aͤlteſte gefiel<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0222]
einem unſchuldigen verliebten Maͤdchen, wie weiland
meine Thereſe war! Noch kraͤnkt mich der Gedanke
an dieſes gute, ehrliche Geſchoͤpf!
Nun muß ich meine Begebenheit mit dem hal-
liſchen Nachtwaͤchter erzaͤhlen. — Ich war in dem
Hauſe des Kaufmanns c) Moͤrtſchke auf dem alten
Markte bekannt geworden. In dieſem Hauſe war
des Abends ein Schnapps- und Tabacks-Kollegium.
Es beſtand aus dem Zinngießer Leiche, dem Kauf-
mann Moͤrtſchke, ſeinem Bruder, dem Traͤtoͤhr, dem
Kaufmann Kraft vom Strohhofe, ferner aus dem
Kontrolloͤhr Bauer, aus zwei Waiſenhaͤuſer Stu-
denten, deren einer hernach Inſpector ward, und
endlich aus mir. Ich muß geſtehen, daß ich in die-
ſer ſehr gemiſchten Geſellſchaft manche angenehme
Stunden verlebt habe: es wurde Taback geraucht,
Schnapps dazu getrunken, und uͤber die Zeitungen,
auch wohl manchmal uͤber gelehrte Dinge gekannen-
gieſſert. Selten paßirte eine Schnurre; und gewoͤhn-
lich gingen wir ſo vergnuͤgt auseinander, als wir
zuſammen gekommen waren. Der Kaufmann hatte
zwei Toͤchter, damals noch Kinder: die aͤlteſte gefiel
c) Alles, was etwas feil hat, heißt in Halle Kaufmann.
Zu Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim und ſonſt-
wo, weiß man ſehr gut zu unterſcheiden zwiſchen Kauf-
mann und Kraͤmer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/222>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.