Sauerteig bei solchen Gelegenheiten vortrug, ihn aber doch immer als alten Sauerteig beschrieb, und meine Freunde, welche solchen Sauerteig von mir foderten, jederzeit und angelegentlich ermahnte, ja dem alten unbrauchbaren Wust nicht nachzuhän- gen, und lieber sonst was zu studieren, als Dogma- tik, es sey denn, daß es geschähe, um das System näher kennen zu lernen und zu verwerfen: das sagte ich selbst Semlern, und Semler hieß mein Beneh- men gut.
Das erste halbe Jahr meiner öffentlichen Lese- reien verging ruhig, wenn ich die vorhin erzählten Händel mit meinem Herrn Censor ausnehme, welche ich aber bald vergaß. Meine Sitten waren den Sommer über sehr gut, nämlich wie man Sitten von außen als sehr gut ansehen muß. Ich besuchte keine Kneipen, keine Dörfer, als nur höchst selten, und wo ich hinkam, ging wenigstens alles ehrbar zu, so lange ich da war. Große Gesellschaften habe ich selten besucht, und vornehme ganz und gar nicht. Einmal haßte ich allen Zwang, der in vornehmern Zirkeln gewöhnlich ist, und war sodann in Halle zu wenig bekannt, als daß ich auch nur Eingang dazu hätte finden können. Meine Sitten waren oben- drein zu rauh und zu wenig abgehobelt, als daß ich hätte gefallen können. Der Burschenkomment macht keine feinen Sitten; und ich hatte von jeher das
Sauerteig bei ſolchen Gelegenheiten vortrug, ihn aber doch immer als alten Sauerteig beſchrieb, und meine Freunde, welche ſolchen Sauerteig von mir foderten, jederzeit und angelegentlich ermahnte, ja dem alten unbrauchbaren Wuſt nicht nachzuhaͤn- gen, und lieber ſonſt was zu ſtudieren, als Dogma- tik, es ſey denn, daß es geſchaͤhe, um das Syſtem naͤher kennen zu lernen und zu verwerfen: das ſagte ich ſelbſt Semlern, und Semler hieß mein Beneh- men gut.
Das erſte halbe Jahr meiner oͤffentlichen Leſe- reien verging ruhig, wenn ich die vorhin erzaͤhlten Haͤndel mit meinem Herrn Cenſor ausnehme, welche ich aber bald vergaß. Meine Sitten waren den Sommer uͤber ſehr gut, naͤmlich wie man Sitten von außen als ſehr gut anſehen muß. Ich beſuchte keine Kneipen, keine Doͤrfer, als nur hoͤchſt ſelten, und wo ich hinkam, ging wenigſtens alles ehrbar zu, ſo lange ich da war. Große Geſellſchaften habe ich ſelten beſucht, und vornehme ganz und gar nicht. Einmal haßte ich allen Zwang, der in vornehmern Zirkeln gewoͤhnlich iſt, und war ſodann in Halle zu wenig bekannt, als daß ich auch nur Eingang dazu haͤtte finden koͤnnen. Meine Sitten waren oben- drein zu rauh und zu wenig abgehobelt, als daß ich haͤtte gefallen koͤnnen. Der Burſchenkomment macht keine feinen Sitten; und ich hatte von jeher das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0214"n="212"/>
Sauerteig bei ſolchen Gelegenheiten vortrug, ihn<lb/>
aber doch immer als <hirendition="#g">alten Sauerteig</hi> beſchrieb,<lb/>
und meine Freunde, welche ſolchen Sauerteig von<lb/>
mir foderten, jederzeit und angelegentlich ermahnte,<lb/>
ja dem alten unbrauchbaren Wuſt nicht nachzuhaͤn-<lb/>
gen, und lieber ſonſt was zu ſtudieren, als Dogma-<lb/>
tik, es ſey denn, daß es geſchaͤhe, um das Syſtem<lb/>
naͤher kennen zu lernen und zu verwerfen: das ſagte<lb/>
ich ſelbſt Semlern, und Semler hieß mein Beneh-<lb/>
men gut.</p><lb/><p>Das erſte halbe Jahr meiner oͤffentlichen Leſe-<lb/>
reien verging ruhig, wenn ich die vorhin erzaͤhlten<lb/>
Haͤndel mit meinem Herrn Cenſor ausnehme, welche<lb/>
ich aber bald vergaß. Meine Sitten waren den<lb/>
Sommer uͤber ſehr gut, naͤmlich wie man Sitten<lb/>
von außen als ſehr gut anſehen muß. Ich beſuchte<lb/>
keine Kneipen, keine Doͤrfer, als nur hoͤchſt ſelten,<lb/>
und wo ich hinkam, ging wenigſtens alles ehrbar<lb/>
zu, ſo lange ich da war. Große Geſellſchaften habe<lb/>
ich ſelten beſucht, und vornehme ganz und gar nicht.<lb/>
Einmal haßte ich allen Zwang, der in vornehmern<lb/>
Zirkeln gewoͤhnlich iſt, und war ſodann in Halle zu<lb/>
wenig bekannt, als daß ich auch nur Eingang dazu<lb/>
haͤtte finden koͤnnen. Meine Sitten waren oben-<lb/>
drein zu rauh und zu wenig abgehobelt, als daß ich<lb/>
haͤtte gefallen koͤnnen. Der Burſchenkomment macht<lb/>
keine feinen Sitten; und ich hatte von jeher das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0214]
Sauerteig bei ſolchen Gelegenheiten vortrug, ihn
aber doch immer als alten Sauerteig beſchrieb,
und meine Freunde, welche ſolchen Sauerteig von
mir foderten, jederzeit und angelegentlich ermahnte,
ja dem alten unbrauchbaren Wuſt nicht nachzuhaͤn-
gen, und lieber ſonſt was zu ſtudieren, als Dogma-
tik, es ſey denn, daß es geſchaͤhe, um das Syſtem
naͤher kennen zu lernen und zu verwerfen: das ſagte
ich ſelbſt Semlern, und Semler hieß mein Beneh-
men gut.
Das erſte halbe Jahr meiner oͤffentlichen Leſe-
reien verging ruhig, wenn ich die vorhin erzaͤhlten
Haͤndel mit meinem Herrn Cenſor ausnehme, welche
ich aber bald vergaß. Meine Sitten waren den
Sommer uͤber ſehr gut, naͤmlich wie man Sitten
von außen als ſehr gut anſehen muß. Ich beſuchte
keine Kneipen, keine Doͤrfer, als nur hoͤchſt ſelten,
und wo ich hinkam, ging wenigſtens alles ehrbar
zu, ſo lange ich da war. Große Geſellſchaften habe
ich ſelten beſucht, und vornehme ganz und gar nicht.
Einmal haßte ich allen Zwang, der in vornehmern
Zirkeln gewoͤhnlich iſt, und war ſodann in Halle zu
wenig bekannt, als daß ich auch nur Eingang dazu
haͤtte finden koͤnnen. Meine Sitten waren oben-
drein zu rauh und zu wenig abgehobelt, als daß ich
haͤtte gefallen koͤnnen. Der Burſchenkomment macht
keine feinen Sitten; und ich hatte von jeher das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/214>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.