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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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In Neumark kehrte ich bei dem Wirth Tho-
mas ein. Das ist ein Original von Wirth: Er ist
immer eher besoffen, als seine Gäste, und dabei ein
gefährlicher Mensch. Kaum war ich bei ihm einge-
kehrt, als er mir Brüderschaft anboth, und mich
zum Trinken nöthigte. Ich mußte über Nacht bei
ihm bleiben. Abends wurde gespielt, ich nahm Theil
an dem Spiele -- es war Tippen -- und verlohr
mein Reisegeld bis auf 12 Groschen. Nach meinem
Leichtsinn machte ich mir nicht viel daraus, und hoffte
noch immer nach Jena reisen zu können mit 12 Gr.
Den folgenden Tag regnete es, und ich kam nicht
weiter, als nach Leiha; einem Dorfe ohnweit Roß-
bach. Hier ward mein Geld alle. Ich schickte also
den Sohn des Wirths nach Halle an meinen Bru-
der, und bat ihn um einige Thaler Reisegeld. Mein
Bruder schickte sie, aber er schickte auch einen Stu-
denten mit, Namens Stork, einen Landsmann,
der an Liederlichkeit, und Sauferei alle andre auf
der Universität übertraf. Das war mir freilich sehr
zuwider. Ich kannte den Stork, und dachte mir

wort, daß man mich den Großen schlechthin, auch
den großen Gigo nannte. Ich war über diese
Namen niemals böse, weil sie eigentlich auf nichts bö-
ses deuteten: es war doch besser, ich hieß großer
Gigo, als -- Magister Weitmaul, Curtius Rufus,
[ - 1 Zeichen fehlt]anghals, Gänshals, u. s. w.

In Neumark kehrte ich bei dem Wirth Tho-
mas ein. Das iſt ein Original von Wirth: Er iſt
immer eher beſoffen, als ſeine Gaͤſte, und dabei ein
gefaͤhrlicher Menſch. Kaum war ich bei ihm einge-
kehrt, als er mir Bruͤderſchaft anboth, und mich
zum Trinken noͤthigte. Ich mußte uͤber Nacht bei
ihm bleiben. Abends wurde geſpielt, ich nahm Theil
an dem Spiele — es war Tippen — und verlohr
mein Reiſegeld bis auf 12 Groſchen. Nach meinem
Leichtſinn machte ich mir nicht viel daraus, und hoffte
noch immer nach Jena reiſen zu koͤnnen mit 12 Gr.
Den folgenden Tag regnete es, und ich kam nicht
weiter, als nach Leiha; einem Dorfe ohnweit Roß-
bach. Hier ward mein Geld alle. Ich ſchickte alſo
den Sohn des Wirths nach Halle an meinen Bru-
der, und bat ihn um einige Thaler Reiſegeld. Mein
Bruder ſchickte ſie, aber er ſchickte auch einen Stu-
denten mit, Namens Stork, einen Landsmann,
der an Liederlichkeit, und Sauferei alle andre auf
der Univerſitaͤt uͤbertraf. Das war mir freilich ſehr
zuwider. Ich kannte den Stork, und dachte mir

wort, daß man mich den Großen ſchlechthin, auch
den großen Gigo nannte. Ich war uͤber dieſe
Namen niemals boͤſe, weil ſie eigentlich auf nichts boͤ-
ſes deuteten: es war doch beſſer, ich hieß großer
Gigo, als — Magiſter Weitmaul, Curtius Rufus,
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[192/0194] In Neumark kehrte ich bei dem Wirth Tho- mas ein. Das iſt ein Original von Wirth: Er iſt immer eher beſoffen, als ſeine Gaͤſte, und dabei ein gefaͤhrlicher Menſch. Kaum war ich bei ihm einge- kehrt, als er mir Bruͤderſchaft anboth, und mich zum Trinken noͤthigte. Ich mußte uͤber Nacht bei ihm bleiben. Abends wurde geſpielt, ich nahm Theil an dem Spiele — es war Tippen — und verlohr mein Reiſegeld bis auf 12 Groſchen. Nach meinem Leichtſinn machte ich mir nicht viel daraus, und hoffte noch immer nach Jena reiſen zu koͤnnen mit 12 Gr. Den folgenden Tag regnete es, und ich kam nicht weiter, als nach Leiha; einem Dorfe ohnweit Roß- bach. Hier ward mein Geld alle. Ich ſchickte alſo den Sohn des Wirths nach Halle an meinen Bru- der, und bat ihn um einige Thaler Reiſegeld. Mein Bruder ſchickte ſie, aber er ſchickte auch einen Stu- denten mit, Namens Stork, einen Landsmann, der an Liederlichkeit, und Sauferei alle andre auf der Univerſitaͤt uͤbertraf. Das war mir freilich ſehr zuwider. Ich kannte den Stork, und dachte mir x) x) wort, daß man mich den Großen ſchlechthin, auch den großen Gigo nannte. Ich war uͤber dieſe Namen niemals boͤſe, weil ſie eigentlich auf nichts boͤ- ſes deuteten: es war doch beſſer, ich hieß großer Gigo, als — Magiſter Weitmaul, Curtius Rufus, _anghals, Gaͤnshals, u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/194>, abgerufen am 21.11.2024.