Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

verstorbene Hofrath Karsten und Herr Schulze,
der Dekan, gegenwärtig. Es wurde überall Latein
gesprochen, welches ich ziemlich fertig mitreden konnte.
Die Fragen und Antworten übergehe ich: sie betra-
fen meistens philosophische, historische, geographische
und philologische Gegenstände. Das Examen dauer-
te bis gegen sieben Uhr Abends, wo ich abtrat, und
bald zurück gerufen wurde, und die tröstliche Ent-
scheidung vernahm, daß ich immerhin promoviren
könnte. Wer war froher als ich! ich lief gleich zu
meinem Bruder, theilte ihm meine Freude mit, und
schlief hernach ganz unvergleichlich wol.

Meine Disputation wurde inzwischen abgedruckt,
und am 18ten Jänner disputirte ich. Meine Op-
ponenten waren Herr D. Semler, Herr Wald
und mein Bruder, nebst einem Schlesier Teisner.
Ich hatte am Ende meiner Dissertation einige Sätze
aus meines Vaters System angehängt, und man
hatte das nicht einmal bemerkt n): ich war froh dar-
über; sonst hätte man sie vielleicht gestrichen.


n) Hier sind einige davon: unicitas Dei est ex essentia
numeri demonstrabilis. Deus in rebus omnibus
existit, sed nulli rei coexistit: ipsa rerum possibili-
tas a Deo dependet: Deus supremam perfectionem
s. realitatem non gradu, sed complexu possidet.

Die Sätze sind freilich sehr dunkel; aber ein Kenner des
Pantheismus sieht leicht, daß hier eine Schlange im
Grase liege.

verſtorbene Hofrath Karſten und Herr Schulze,
der Dekan, gegenwaͤrtig. Es wurde uͤberall Latein
geſprochen, welches ich ziemlich fertig mitreden konnte.
Die Fragen und Antworten uͤbergehe ich: ſie betra-
fen meiſtens philoſophiſche, hiſtoriſche, geographiſche
und philologiſche Gegenſtaͤnde. Das Examen dauer-
te bis gegen ſieben Uhr Abends, wo ich abtrat, und
bald zuruͤck gerufen wurde, und die troͤſtliche Ent-
ſcheidung vernahm, daß ich immerhin promoviren
koͤnnte. Wer war froher als ich! ich lief gleich zu
meinem Bruder, theilte ihm meine Freude mit, und
ſchlief hernach ganz unvergleichlich wol.

Meine Diſputation wurde inzwiſchen abgedruckt,
und am 18ten Jaͤnner diſputirte ich. Meine Op-
ponenten waren Herr D. Semler, Herr Wald
und mein Bruder, nebſt einem Schleſier Teisner.
Ich hatte am Ende meiner Diſſertation einige Saͤtze
aus meines Vaters Syſtem angehaͤngt, und man
hatte das nicht einmal bemerkt n): ich war froh dar-
uͤber; ſonſt haͤtte man ſie vielleicht geſtrichen.


n) Hier ſind einige davon: unicitas Dei eſt ex eſſentia
numeri demonſtrabilis. Deus in rebus omnibus
exiſtit, ſed nulli rei coexiſtit: ipſa rerum poſſibili-
tas a Deo dependet: Deus ſupremam perfectionem
ſ. realitatem non gradu, ſed complexu poſſidet.

Die Saͤtze ſind freilich ſehr dunkel; aber ein Kenner des
Pantheismus ſieht leicht, daß hier eine Schlange im
Graſe liege.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0169" n="167"/>
ver&#x017F;torbene Hofrath <hi rendition="#g">Kar&#x017F;ten</hi> und Herr <hi rendition="#g">Schulze</hi>,<lb/>
der Dekan, gegenwa&#x0364;rtig. Es wurde u&#x0364;berall Latein<lb/>
ge&#x017F;prochen, welches ich ziemlich fertig mitreden konnte.<lb/>
Die Fragen und Antworten u&#x0364;bergehe ich: &#x017F;ie betra-<lb/>
fen mei&#x017F;tens philo&#x017F;ophi&#x017F;che, hi&#x017F;tori&#x017F;che, geographi&#x017F;che<lb/>
und philologi&#x017F;che Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde. Das Examen dauer-<lb/>
te bis gegen &#x017F;ieben Uhr Abends, wo ich abtrat, und<lb/>
bald zuru&#x0364;ck gerufen wurde, und die tro&#x0364;&#x017F;tliche Ent-<lb/>
&#x017F;cheidung vernahm, daß ich immerhin promoviren<lb/>
ko&#x0364;nnte. Wer war froher als ich! ich lief gleich zu<lb/>
meinem Bruder, theilte ihm meine Freude mit, und<lb/>
&#x017F;chlief hernach ganz unvergleichlich wol.</p><lb/>
        <p>Meine Di&#x017F;putation wurde inzwi&#x017F;chen abgedruckt,<lb/>
und am 18ten Ja&#x0364;nner di&#x017F;putirte ich. Meine Op-<lb/>
ponenten waren Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Semler</hi>, Herr <hi rendition="#g">Wald</hi><lb/>
und mein Bruder, neb&#x017F;t einem Schle&#x017F;ier <hi rendition="#g">Teisner</hi>.<lb/>
Ich hatte am Ende meiner Di&#x017F;&#x017F;ertation einige Sa&#x0364;tze<lb/>
aus meines Vaters Sy&#x017F;tem angeha&#x0364;ngt, und man<lb/>
hatte das nicht einmal bemerkt <note place="foot" n="n)">Hier &#x017F;ind einige davon: <hi rendition="#aq">unicitas Dei e&#x017F;t ex e&#x017F;&#x017F;entia<lb/>
numeri demon&#x017F;trabilis. Deus in rebus omnibus<lb/>
exi&#x017F;tit, &#x017F;ed nulli rei coexi&#x017F;tit: ip&#x017F;a rerum po&#x017F;&#x017F;ibili-<lb/>
tas a Deo dependet: Deus &#x017F;upremam perfectionem<lb/>
&#x017F;. realitatem non gradu, &#x017F;ed complexu po&#x017F;&#x017F;idet.</hi><lb/>
Die Sa&#x0364;tze &#x017F;ind freilich &#x017F;ehr dunkel; aber ein Kenner des<lb/>
Pantheismus &#x017F;ieht leicht, daß hier eine Schlange im<lb/>
Gra&#x017F;e liege.</note>: ich war froh dar-<lb/>
u&#x0364;ber; &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tte man &#x017F;ie vielleicht ge&#x017F;trichen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0169] verſtorbene Hofrath Karſten und Herr Schulze, der Dekan, gegenwaͤrtig. Es wurde uͤberall Latein geſprochen, welches ich ziemlich fertig mitreden konnte. Die Fragen und Antworten uͤbergehe ich: ſie betra- fen meiſtens philoſophiſche, hiſtoriſche, geographiſche und philologiſche Gegenſtaͤnde. Das Examen dauer- te bis gegen ſieben Uhr Abends, wo ich abtrat, und bald zuruͤck gerufen wurde, und die troͤſtliche Ent- ſcheidung vernahm, daß ich immerhin promoviren koͤnnte. Wer war froher als ich! ich lief gleich zu meinem Bruder, theilte ihm meine Freude mit, und ſchlief hernach ganz unvergleichlich wol. Meine Diſputation wurde inzwiſchen abgedruckt, und am 18ten Jaͤnner diſputirte ich. Meine Op- ponenten waren Herr D. Semler, Herr Wald und mein Bruder, nebſt einem Schleſier Teisner. Ich hatte am Ende meiner Diſſertation einige Saͤtze aus meines Vaters Syſtem angehaͤngt, und man hatte das nicht einmal bemerkt n): ich war froh dar- uͤber; ſonſt haͤtte man ſie vielleicht geſtrichen. n) Hier ſind einige davon: unicitas Dei eſt ex eſſentia numeri demonſtrabilis. Deus in rebus omnibus exiſtit, ſed nulli rei coexiſtit: ipſa rerum poſſibili- tas a Deo dependet: Deus ſupremam perfectionem ſ. realitatem non gradu, ſed complexu poſſidet. Die Saͤtze ſind freilich ſehr dunkel; aber ein Kenner des Pantheismus ſieht leicht, daß hier eine Schlange im Graſe liege.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/169
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/169>, abgerufen am 01.05.2024.