nung nach, über mein Misgeschick empfand, so ließ ers unter der väterlichen Einschränkung, keine Excesse zu machen, gut seyn. Freilich in den Häusern des Inspektors Birau zu Alzey, meines Stubers, Fresenius und anderer gingen auch keine Excesse vor; aber wenn ich beim Chirurgus L., im Bock zu Flonheim oder sonst in einer Kneipe kampirte; so wurde nicht nur sehr scharf gesoffen, sondern auch anderer Unfug getrieben. -- Ich verlohr durch dieses rohe und unbestimmte Leben nach und nach alle Ach- tung für meinen Kandidatenstand, und da galt es mir gleich viel, mit wem ich umging, wovon ich redete, und wie ich mich betrug. Ich saß oft ganze Nächte in den Bauernkneipen, und raisonnirte mit den besoffenen Kerls über allerlei. Die Leute hörten mich immer gern schwatzen, und da ich in jener Ge- gend für einen Gelehrten passirte, so schätzten sichs fast alle für eine Ehre, wenn ich bei ihnen saß und mit ihnen zechte. Dieses Betragen schwächte meinen Kredit bei dem geistlichen Stande noch mehr, und ich sank so sehr in meiner besondern Achtung, daß meine Freunde, besonders mein ehrlicher Haag und mein guter Job, mich oft und angelegentlich baten und ermahnten, anders und besser zu werden, we- nigstens den Besuch der Wirthshäuser einzustellen. Allein es half nichts: ich ästimirte mich selbst nicht mehr, wie sollte ich also für meine Reputation sor-
nung nach, uͤber mein Misgeſchick empfand, ſo ließ ers unter der vaͤterlichen Einſchraͤnkung, keine Exceſſe zu machen, gut ſeyn. Freilich in den Haͤuſern des Inſpektors Birau zu Alzey, meines Stubers, Freſenius und anderer gingen auch keine Exceſſe vor; aber wenn ich beim Chirurgus L., im Bock zu Flonheim oder ſonſt in einer Kneipe kampirte; ſo wurde nicht nur ſehr ſcharf geſoffen, ſondern auch anderer Unfug getrieben. — Ich verlohr durch dieſes rohe und unbeſtimmte Leben nach und nach alle Ach- tung fuͤr meinen Kandidatenſtand, und da galt es mir gleich viel, mit wem ich umging, wovon ich redete, und wie ich mich betrug. Ich ſaß oft ganze Naͤchte in den Bauernkneipen, und raiſonnirte mit den beſoffenen Kerls uͤber allerlei. Die Leute hoͤrten mich immer gern ſchwatzen, und da ich in jener Ge- gend fuͤr einen Gelehrten paſſirte, ſo ſchaͤtzten ſichs faſt alle fuͤr eine Ehre, wenn ich bei ihnen ſaß und mit ihnen zechte. Dieſes Betragen ſchwaͤchte meinen Kredit bei dem geiſtlichen Stande noch mehr, und ich ſank ſo ſehr in meiner beſondern Achtung, daß meine Freunde, beſonders mein ehrlicher Haag und mein guter Job, mich oft und angelegentlich baten und ermahnten, anders und beſſer zu werden, we- nigſtens den Beſuch der Wirthshaͤuſer einzuſtellen. Allein es half nichts: ich aͤſtimirte mich ſelbſt nicht mehr, wie ſollte ich alſo fuͤr meine Reputation ſor-
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nung nach, uͤber mein Misgeſchick empfand, ſo ließ
ers unter der vaͤterlichen Einſchraͤnkung, keine Exceſſe
zu machen, gut ſeyn. Freilich in den Haͤuſern des
Inſpektors Birau zu Alzey, meines Stubers,
Freſenius und anderer gingen auch keine Exceſſe
vor; aber wenn ich beim Chirurgus L., im Bock
zu Flonheim oder ſonſt in einer Kneipe kampirte; ſo
wurde nicht nur ſehr ſcharf geſoffen, ſondern auch
anderer Unfug getrieben. — Ich verlohr durch dieſes
rohe und unbeſtimmte Leben nach und nach alle Ach-
tung fuͤr meinen Kandidatenſtand, und da galt es
mir gleich viel, mit wem ich umging, wovon ich
redete, und wie ich mich betrug. Ich ſaß oft ganze
Naͤchte in den Bauernkneipen, und raiſonnirte mit
den beſoffenen Kerls uͤber allerlei. Die Leute hoͤrten
mich immer gern ſchwatzen, und da ich in jener Ge-
gend fuͤr einen Gelehrten paſſirte, ſo ſchaͤtzten ſichs
faſt alle fuͤr eine Ehre, wenn ich bei ihnen ſaß und
mit ihnen zechte. Dieſes Betragen ſchwaͤchte meinen
Kredit bei dem geiſtlichen Stande noch mehr, und
ich ſank ſo ſehr in meiner beſondern Achtung, daß
meine Freunde, beſonders mein ehrlicher Haag und
mein guter Job, mich oft und angelegentlich baten
und ermahnten, anders und beſſer zu werden, we-
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Allein es half nichts: ich aͤſtimirte mich ſelbſt nicht
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/357>, abgerufen am 18.12.2024.
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