Ich: Da weis ich kein Wort von! Was ist denn das für ein Ding?
Jaun: Do seyn dä Versch uf unsere Wei. Eß eß was grausames, wie der Wei erunner gemacht eß. Wonn das die Leute hörä, sä kofe uns ach kän Troppä mäh ab.
Ich las die Knittelverse, und konnte mich des Lachens nicht enthalten. Dann versicherte ich den Vorsteher, daß ich das Gedicht nicht gemacht hätte und es jetzt das erstemal sähe: ich dächte aber den Urheber herauszubringen: denn ich müßte mich sehr irren, oder der Oberschulz Brüg wäre Verfas- ser. Jaun gab mir Recht, und ich schrieb noch denselben Tag an Brüg, und erhielt zur Antwort, daß er die Verse schon vor langer gemacht hätte, und recht froh wäre, daß es die Udenheimer Grobians wüßten, und sich baß ärgerten. So kam ich bei meinen Bauern wieder in Kredit, und der Jaun, ein Bruder des Kirchenvorstehers, bat mich im Na- men der ganzen Gemeinde um Nachsicht mit ihrer Uebereilung.
Mit dem Pfarrer Thiels ward ich ziemlich gut fertig: ich gab ihm in allem Recht und disputirte mit ihm brav aus den Zeitungen. Wir lebten sehr friedlich zusammen, und wenn er manchmal mit mir zanken wollte; so ging ich fort, und ließ ihn sitzen. Er kam gar nicht aus seiner Stube; ich aber lief flei-
Ich: Da weis ich kein Wort von! Was iſt denn das fuͤr ein Ding?
Jaun: Do ſeyn daͤ Verſch uf unſere Wei. Eß eß was grauſames, wie der Wei erunner gemacht eß. Wonn das die Leute hoͤraͤ, ſaͤ kofe uns ach kaͤn Troppaͤ maͤh ab.
Ich las die Knittelverſe, und konnte mich des Lachens nicht enthalten. Dann verſicherte ich den Vorſteher, daß ich das Gedicht nicht gemacht haͤtte und es jetzt das erſtemal ſaͤhe: ich daͤchte aber den Urheber herauszubringen: denn ich muͤßte mich ſehr irren, oder der Oberſchulz Bruͤg waͤre Verfaſ- ſer. Jaun gab mir Recht, und ich ſchrieb noch denſelben Tag an Bruͤg, und erhielt zur Antwort, daß er die Verſe ſchon vor langer gemacht haͤtte, und recht froh waͤre, daß es die Udenheimer Grobians wuͤßten, und ſich baß aͤrgerten. So kam ich bei meinen Bauern wieder in Kredit, und der Jaun, ein Bruder des Kirchenvorſtehers, bat mich im Na- men der ganzen Gemeinde um Nachſicht mit ihrer Uebereilung.
Mit dem Pfarrer Thiels ward ich ziemlich gut fertig: ich gab ihm in allem Recht und diſputirte mit ihm brav aus den Zeitungen. Wir lebten ſehr friedlich zuſammen, und wenn er manchmal mit mir zanken wollte; ſo ging ich fort, und ließ ihn ſitzen. Er kam gar nicht aus ſeiner Stube; ich aber lief flei-
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Ich: Da weis ich kein Wort von! Was iſt
denn das fuͤr ein Ding?
Jaun: Do ſeyn daͤ Verſch uf unſere Wei. Eß
eß was grauſames, wie der Wei erunner gemacht eß.
Wonn das die Leute hoͤraͤ, ſaͤ kofe uns ach kaͤn Troppaͤ
maͤh ab.
Ich las die Knittelverſe, und konnte mich
des Lachens nicht enthalten. Dann verſicherte ich
den Vorſteher, daß ich das Gedicht nicht gemacht
haͤtte und es jetzt das erſtemal ſaͤhe: ich daͤchte aber
den Urheber herauszubringen: denn ich muͤßte mich
ſehr irren, oder der Oberſchulz Bruͤg waͤre Verfaſ-
ſer. Jaun gab mir Recht, und ich ſchrieb noch
denſelben Tag an Bruͤg, und erhielt zur Antwort,
daß er die Verſe ſchon vor langer gemacht haͤtte, und
recht froh waͤre, daß es die Udenheimer Grobians
wuͤßten, und ſich baß aͤrgerten. So kam ich bei
meinen Bauern wieder in Kredit, und der Jaun,
ein Bruder des Kirchenvorſtehers, bat mich im Na-
men der ganzen Gemeinde um Nachſicht mit ihrer
Uebereilung.
Mit dem Pfarrer Thiels ward ich ziemlich gut
fertig: ich gab ihm in allem Recht und diſputirte
mit ihm brav aus den Zeitungen. Wir lebten ſehr
friedlich zuſammen, und wenn er manchmal mit mir
zanken wollte; ſo ging ich fort, und ließ ihn ſitzen.
Er kam gar nicht aus ſeiner Stube; ich aber lief flei-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/336>, abgerufen am 16.02.2025.
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