er sollte auch einmal eine Stelle in diesem Fürsten- thum bekleiden: allein sein Wendelsheim war ihm lieber. Nun aber dachte er daran, ob er mich vielleicht an eine Stelle bringen könnte, etwa an eine Schul- stelle, deren es in dem Darmstädtischen manche giebt. Er schrieb daher an seinen Freund den Hof- prediger Kremer. Dieser antwortete, er dürfe sich deshalb gerade an den Landgrafen wenden: der wäre ein guter Herr, und wenn er bei dem Re- gierungs-Rath Stauch Eingang finden könnte; so wären die Sachen so gut, wie fertig. Stauch war seines Handwerks ein Schneider von Kyrn an der Nohe, und ein Vetter meines Freundes, des ehr- lichen Pfarrers Stuber zu Flonheim. Da er gut schreiben konnte, auch französisch auf der Wander- schaft gelernt hatte, so ward er erst Schreiber bei dem Rath Kappesd) zu Pirmasens. Nach Rath Kappes Kassirung kam er in Landgräfliche Dienste, benutzte die äusserst schwachen Seiten des Landgrafen zu seinem Vortheil, und ward Regierungsrath, pro titulo nämlich, denn im Grunde regierte er das ganze Land. Ich bat Herr Stubern um eine Em-
d) Dieser Kappes war ein Erzfilou, von welchem die guten Darmstädter noch lange ein Liedchen singen wer- den: der Landgraf hat ihn 1776 als einen Schelmen weggejagt.
er ſollte auch einmal eine Stelle in dieſem Fuͤrſten- thum bekleiden: allein ſein Wendelsheim war ihm lieber. Nun aber dachte er daran, ob er mich vielleicht an eine Stelle bringen koͤnnte, etwa an eine Schul- ſtelle, deren es in dem Darmſtaͤdtiſchen manche giebt. Er ſchrieb daher an ſeinen Freund den Hof- prediger Kremer. Dieſer antwortete, er duͤrfe ſich deshalb gerade an den Landgrafen wenden: der waͤre ein guter Herr, und wenn er bei dem Re- gierungs-Rath Stauch Eingang finden koͤnnte; ſo waͤren die Sachen ſo gut, wie fertig. Stauch war ſeines Handwerks ein Schneider von Kyrn an der Nohe, und ein Vetter meines Freundes, des ehr- lichen Pfarrers Stuber zu Flonheim. Da er gut ſchreiben konnte, auch franzoͤſiſch auf der Wander- ſchaft gelernt hatte, ſo ward er erſt Schreiber bei dem Rath Kappesd) zu Pirmaſens. Nach Rath Kappes Kaſſirung kam er in Landgraͤfliche Dienſte, benutzte die aͤuſſerſt ſchwachen Seiten des Landgrafen zu ſeinem Vortheil, und ward Regierungsrath, pro titulo naͤmlich, denn im Grunde regierte er das ganze Land. Ich bat Herr Stubern um eine Em-
d) Dieſer Kappes war ein Erzfilou, von welchem die guten Darmſtaͤdter noch lange ein Liedchen ſingen wer- den: der Landgraf hat ihn 1776 als einen Schelmen weggejagt.
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er ſollte auch einmal eine Stelle in dieſem Fuͤrſten-
thum bekleiden: allein ſein Wendelsheim war ihm
lieber. Nun aber dachte er daran, ob er mich vielleicht
an eine Stelle bringen koͤnnte, etwa an eine Schul-
ſtelle, deren es in dem Darmſtaͤdtiſchen manche
giebt. Er ſchrieb daher an ſeinen Freund den Hof-
prediger Kremer. Dieſer antwortete, er duͤrfe
ſich deshalb gerade an den Landgrafen wenden: der
waͤre ein guter Herr, und wenn er bei dem Re-
gierungs-Rath Stauch Eingang finden koͤnnte; ſo
waͤren die Sachen ſo gut, wie fertig. Stauch war
ſeines Handwerks ein Schneider von Kyrn an der
Nohe, und ein Vetter meines Freundes, des ehr-
lichen Pfarrers Stuber zu Flonheim. Da er gut
ſchreiben konnte, auch franzoͤſiſch auf der Wander-
ſchaft gelernt hatte, ſo ward er erſt Schreiber bei
dem Rath Kappes d) zu Pirmaſens. Nach Rath
Kappes Kaſſirung kam er in Landgraͤfliche Dienſte,
benutzte die aͤuſſerſt ſchwachen Seiten des Landgrafen
zu ſeinem Vortheil, und ward Regierungsrath, pro
titulo naͤmlich, denn im Grunde regierte er das
ganze Land. Ich bat Herr Stubern um eine Em-
d) Dieſer Kappes war ein Erzfilou, von welchem die
guten Darmſtaͤdter noch lange ein Liedchen ſingen wer-
den: der Landgraf hat ihn 1776 als einen Schelmen
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/325>, abgerufen am 02.02.2025.
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