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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Kreuzer Ausgabe dafür, zu erhalten, und dies von
dem Kurfürsten zu Mainz, der daselbst Patron ist,
und der, als Erzbischof einer heiligen Kirche, eine
ketzerische Pfarrstelle wol nicht ohne Geld hingegeben
hätte, wenn nicht andere Gründe da gewesen wären.
Mein Vater hat mir diese Gründe zwar niemals ent-
deckt; daß sie aber da gewesen seyn müssen, erhellet
daraus, daß alle und jede gute protestantische
Pfarren, welche der Kurfürst zu Mainz vergiebt,
von alten Zeiten her bis auf den heutigen Tag, ver-
kauft werden a)

Meine Leser werden es nicht ungern sehen, wenn
ich eine kurze Beschreibung von meinem Vater lie-
fere, der sich ohne Ruhm zu melden, von den übri-
gen protestantischen Herren Pfarrern in der Pfalz
merklich unterschieden hat.

Er hatte in seiner Jugend sehr fleißig studirt,
und hatte besonders die Wolffische Philosophie zu
seinem Lieblingsstudium gemacht. Er bekannte mir
oft, daß ihn die Grundsätze der Wolffischen Meta-
physik b) dahin gebracht hätten, daß er an den Haupt-
dogmen der lutherischen Lehre gezweifelt hätte. In

a) Der jetzige Inhaber der Pfarrei zu Wendelsheim hat,
wie ich aus Briefen weis, 1000 Gulden rheinisch das
für bezahlen müssen.
b) Besonders den ontologischen Satz: quaecunque sunt
in ente, vel essentialia sunt, vel attributa, vel
modi, vel modi analogici.

Kreuzer Ausgabe dafuͤr, zu erhalten, und dies von
dem Kurfuͤrſten zu Mainz, der daſelbſt Patron iſt,
und der, als Erzbiſchof einer heiligen Kirche, eine
ketzeriſche Pfarrſtelle wol nicht ohne Geld hingegeben
haͤtte, wenn nicht andere Gruͤnde da geweſen waͤren.
Mein Vater hat mir dieſe Gruͤnde zwar niemals ent-
deckt; daß ſie aber da geweſen ſeyn muͤſſen, erhellet
daraus, daß alle und jede gute proteſtantiſche
Pfarren, welche der Kurfuͤrſt zu Mainz vergiebt,
von alten Zeiten her bis auf den heutigen Tag, ver-
kauft werden a)

Meine Leſer werden es nicht ungern ſehen, wenn
ich eine kurze Beſchreibung von meinem Vater lie-
fere, der ſich ohne Ruhm zu melden, von den uͤbri-
gen proteſtantiſchen Herren Pfarrern in der Pfalz
merklich unterſchieden hat.

Er hatte in ſeiner Jugend ſehr fleißig ſtudirt,
und hatte beſonders die Wolffiſche Philoſophie zu
ſeinem Lieblingsſtudium gemacht. Er bekannte mir
oft, daß ihn die Grundſaͤtze der Wolffiſchen Meta-
phyſik b) dahin gebracht haͤtten, daß er an den Haupt-
dogmen der lutheriſchen Lehre gezweifelt haͤtte. In

a) Der jetzige Inhaber der Pfarrei zu Wendelsheim hat,
wie ich aus Briefen weis, 1000 Gulden rheiniſch das
fuͤr bezahlen muͤſſen.
b) Beſonders den ontologiſchen Satz: quaecunque ſunt
in ente, vel eſſentialia ſunt, vel attributa, vel
modi, vel modi analogici.
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[2/0016] Kreuzer Ausgabe dafuͤr, zu erhalten, und dies von dem Kurfuͤrſten zu Mainz, der daſelbſt Patron iſt, und der, als Erzbiſchof einer heiligen Kirche, eine ketzeriſche Pfarrſtelle wol nicht ohne Geld hingegeben haͤtte, wenn nicht andere Gruͤnde da geweſen waͤren. Mein Vater hat mir dieſe Gruͤnde zwar niemals ent- deckt; daß ſie aber da geweſen ſeyn muͤſſen, erhellet daraus, daß alle und jede gute proteſtantiſche Pfarren, welche der Kurfuͤrſt zu Mainz vergiebt, von alten Zeiten her bis auf den heutigen Tag, ver- kauft werden a) Meine Leſer werden es nicht ungern ſehen, wenn ich eine kurze Beſchreibung von meinem Vater lie- fere, der ſich ohne Ruhm zu melden, von den uͤbri- gen proteſtantiſchen Herren Pfarrern in der Pfalz merklich unterſchieden hat. Er hatte in ſeiner Jugend ſehr fleißig ſtudirt, und hatte beſonders die Wolffiſche Philoſophie zu ſeinem Lieblingsſtudium gemacht. Er bekannte mir oft, daß ihn die Grundſaͤtze der Wolffiſchen Meta- phyſik b) dahin gebracht haͤtten, daß er an den Haupt- dogmen der lutheriſchen Lehre gezweifelt haͤtte. In a) Der jetzige Inhaber der Pfarrei zu Wendelsheim hat, wie ich aus Briefen weis, 1000 Gulden rheiniſch das fuͤr bezahlen muͤſſen. b) Beſonders den ontologiſchen Satz: quaecunque ſunt in ente, vel eſſentialia ſunt, vel attributa, vel modi, vel modi analogici.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/16>, abgerufen am 18.12.2024.