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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Wer den Gießer Studenten Petimäterei schuld
giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meisten tra-
ten einher -- nach dem Liedchen -- wie die Schwei-
ne. Ein gewisser Nöllner aus dem Elsaß hatte keine
Lust, das Burschikose mitzumachen; er kam also sel-
ten in die Gelage, und ließ sich auch ein gutes Kleid
machen. Dies war Losung genug, ihn nicht schlecht
zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Musik
gemacht, und auf der Straße nachgeschrieen. Das
wurde so lange getrieben, bis er endlich abzog, und
nach Göttingen gieng: hier konnte er nun freilich
ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in seinem ro-
then Kleide mit dem seidnen Futter spanisch einher-
treten.

In Kleidern verthut der Bursche in Gießen da-
her blutwenig: ein Flausch ist sein Kleid am Sonn-
tag und am Werktag: selten hat einer neben dem
Flausch noch einen Rock. Dann trägt er lederne
Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen
Beinkleider selten gewaschen werden; so sehen sie ge-
meiniglich aus, wie die der Fleischer.

Nur wenig Studenten in Gießen machen
Knöpfe e): das wird überhaupt daselbst für petimä-

e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten:
daher Knopfmacher. Diese Phrasis ist auch in Wezlar
bekannt, und schon in einem Stück des deutschen Mu-
seums erklärt worden.

Wer den Gießer Studenten Petimaͤterei ſchuld
giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meiſten tra-
ten einher — nach dem Liedchen — wie die Schwei-
ne. Ein gewiſſer Noͤllner aus dem Elſaß hatte keine
Luſt, das Burſchikoſe mitzumachen; er kam alſo ſel-
ten in die Gelage, und ließ ſich auch ein gutes Kleid
machen. Dies war Loſung genug, ihn nicht ſchlecht
zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Muſik
gemacht, und auf der Straße nachgeſchrieen. Das
wurde ſo lange getrieben, bis er endlich abzog, und
nach Goͤttingen gieng: hier konnte er nun freilich
ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in ſeinem ro-
then Kleide mit dem ſeidnen Futter ſpaniſch einher-
treten.

In Kleidern verthut der Burſche in Gießen da-
her blutwenig: ein Flauſch iſt ſein Kleid am Sonn-
tag und am Werktag: ſelten hat einer neben dem
Flauſch noch einen Rock. Dann traͤgt er lederne
Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen
Beinkleider ſelten gewaſchen werden; ſo ſehen ſie ge-
meiniglich aus, wie die der Fleiſcher.

Nur wenig Studenten in Gießen machen
Knoͤpfe e): das wird uͤberhaupt daſelbſt fuͤr petimaͤ-

e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten:
daher Knopfmacher. Dieſe Phraſis iſt auch in Wezlar
bekannt, und ſchon in einem Stuͤck des deutſchen Mu-
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[98/0112] Wer den Gießer Studenten Petimaͤterei ſchuld giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meiſten tra- ten einher — nach dem Liedchen — wie die Schwei- ne. Ein gewiſſer Noͤllner aus dem Elſaß hatte keine Luſt, das Burſchikoſe mitzumachen; er kam alſo ſel- ten in die Gelage, und ließ ſich auch ein gutes Kleid machen. Dies war Loſung genug, ihn nicht ſchlecht zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Muſik gemacht, und auf der Straße nachgeſchrieen. Das wurde ſo lange getrieben, bis er endlich abzog, und nach Goͤttingen gieng: hier konnte er nun freilich ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in ſeinem ro- then Kleide mit dem ſeidnen Futter ſpaniſch einher- treten. In Kleidern verthut der Burſche in Gießen da- her blutwenig: ein Flauſch iſt ſein Kleid am Sonn- tag und am Werktag: ſelten hat einer neben dem Flauſch noch einen Rock. Dann traͤgt er lederne Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen Beinkleider ſelten gewaſchen werden; ſo ſehen ſie ge- meiniglich aus, wie die der Fleiſcher. Nur wenig Studenten in Gießen machen Knoͤpfe e): das wird uͤberhaupt daſelbſt fuͤr petimaͤ- e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten: daher Knopfmacher. Dieſe Phraſis iſt auch in Wezlar bekannt, und ſchon in einem Stuͤck des deutſchen Mu- ſeums erklaͤrt worden.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/112>, abgerufen am 04.05.2024.