Wer den Gießer Studenten Petimäterei schuld giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meisten tra- ten einher -- nach dem Liedchen -- wie die Schwei- ne. Ein gewisser Nöllner aus dem Elsaß hatte keine Lust, das Burschikose mitzumachen; er kam also sel- ten in die Gelage, und ließ sich auch ein gutes Kleid machen. Dies war Losung genug, ihn nicht schlecht zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Musik gemacht, und auf der Straße nachgeschrieen. Das wurde so lange getrieben, bis er endlich abzog, und nach Göttingen gieng: hier konnte er nun freilich ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in seinem ro- then Kleide mit dem seidnen Futter spanisch einher- treten.
In Kleidern verthut der Bursche in Gießen da- her blutwenig: ein Flausch ist sein Kleid am Sonn- tag und am Werktag: selten hat einer neben dem Flausch noch einen Rock. Dann trägt er lederne Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen Beinkleider selten gewaschen werden; so sehen sie ge- meiniglich aus, wie die der Fleischer.
Nur wenig Studenten in Gießen machen Knöpfe e): das wird überhaupt daselbst für petimä-
e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten: daher Knopfmacher. Diese Phrasis ist auch in Wezlar bekannt, und schon in einem Stück des deutschen Mu- seums erklärt worden.
Wer den Gießer Studenten Petimaͤterei ſchuld giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meiſten tra- ten einher — nach dem Liedchen — wie die Schwei- ne. Ein gewiſſer Noͤllner aus dem Elſaß hatte keine Luſt, das Burſchikoſe mitzumachen; er kam alſo ſel- ten in die Gelage, und ließ ſich auch ein gutes Kleid machen. Dies war Loſung genug, ihn nicht ſchlecht zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Muſik gemacht, und auf der Straße nachgeſchrieen. Das wurde ſo lange getrieben, bis er endlich abzog, und nach Goͤttingen gieng: hier konnte er nun freilich ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in ſeinem ro- then Kleide mit dem ſeidnen Futter ſpaniſch einher- treten.
In Kleidern verthut der Burſche in Gießen da- her blutwenig: ein Flauſch iſt ſein Kleid am Sonn- tag und am Werktag: ſelten hat einer neben dem Flauſch noch einen Rock. Dann traͤgt er lederne Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen Beinkleider ſelten gewaſchen werden; ſo ſehen ſie ge- meiniglich aus, wie die der Fleiſcher.
Nur wenig Studenten in Gießen machen Knoͤpfe e): das wird uͤberhaupt daſelbſt fuͤr petimaͤ-
e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten: daher Knopfmacher. Dieſe Phraſis iſt auch in Wezlar bekannt, und ſchon in einem Stuͤck des deutſchen Mu- ſeums erklaͤrt worden.
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Wer den Gießer Studenten Petimaͤterei ſchuld
giebt, thut ihnen wahrlich Unrecht. Die meiſten tra-
ten einher — nach dem Liedchen — wie die Schwei-
ne. Ein gewiſſer Noͤllner aus dem Elſaß hatte keine
Luſt, das Burſchikoſe mitzumachen; er kam alſo ſel-
ten in die Gelage, und ließ ſich auch ein gutes Kleid
machen. Dies war Loſung genug, ihn nicht ſchlecht
zu verfolgen: in allen Kollegien wurde ihm Muſik
gemacht, und auf der Straße nachgeſchrieen. Das
wurde ſo lange getrieben, bis er endlich abzog, und
nach Goͤttingen gieng: hier konnte er nun freilich
ohne Gefahr, ausgepfiffen zu werden, in ſeinem ro-
then Kleide mit dem ſeidnen Futter ſpaniſch einher-
treten.
In Kleidern verthut der Burſche in Gießen da-
her blutwenig: ein Flauſch iſt ſein Kleid am Sonn-
tag und am Werktag: ſelten hat einer neben dem
Flauſch noch einen Rock. Dann traͤgt er lederne
Beinkleider und Stiefeln: weil aber die ledernen
Beinkleider ſelten gewaſchen werden; ſo ſehen ſie ge-
meiniglich aus, wie die der Fleiſcher.
Nur wenig Studenten in Gießen machen
Knoͤpfe e): das wird uͤberhaupt daſelbſt fuͤr petimaͤ-
e) Knopfmachen heißt dem Frauenzimmer aufwarten:
daher Knopfmacher. Dieſe Phraſis iſt auch in Wezlar
bekannt, und ſchon in einem Stuͤck des deutſchen Mu-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/112>, abgerufen am 04.05.2024.
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