mals, wo ich wüst vom Lesen war, und nur nach Abwechselung verlangte, wo ich wie ein Gefängniß- dilettant mich betrug, ward mir auch von vorn- herein eine Freistunde bewilligt, um auf einem klei- nen verschlossenen Hofe herumzugehen, und ich thörichter Mensch nahm gar kein Jnteresse daran; es war heißer Sommer, wenig Schatten im Hofe, und eine Stunde lang dort auf- und abzugehen, schien mir sehr langweilig, ich dünkte mir ein wil- des Thier, dessen Käfigdeckel aufgeschoben wird, und das vor Leuten hin und her rennt. Einige Arbeits- stuben der Behörde nämlich, und mehrere Gefäng- nisse sahen in den Hof, ordinaire Gefangne spot- teten über mich, daß ich im Hut und mit Hand- schuhen herumging; wenn ich gar eben ein frisches Hemd hatte, dessen Manschetten sichtbar waren, so mußte die Wache oft dem Spotte Ruhe gebieten. Das kränkte mich tief, und ich ließ die Stunde oft vorübergehn -- jetzt bin ich so abgestumpft, daß ich Alles thäte einer Freistunde willen: so schmachte ich nach frischer Luft, so dürste ich dar- nach. Jch ginge mit meinem langen Barte und meinem wahrscheinlich verbleichten Antlitze auf einer
mals, wo ich wüſt vom Leſen war, und nur nach Abwechſelung verlangte, wo ich wie ein Gefängniß- dilettant mich betrug, ward mir auch von vorn- herein eine Freiſtunde bewilligt, um auf einem klei- nen verſchloſſenen Hofe herumzugehen, und ich thörichter Menſch nahm gar kein Jntereſſe daran; es war heißer Sommer, wenig Schatten im Hofe, und eine Stunde lang dort auf- und abzugehen, ſchien mir ſehr langweilig, ich dünkte mir ein wil- des Thier, deſſen Käfigdeckel aufgeſchoben wird, und das vor Leuten hin und her rennt. Einige Arbeits- ſtuben der Behörde nämlich, und mehrere Gefäng- niſſe ſahen in den Hof, ordinaire Gefangne ſpot- teten über mich, daß ich im Hut und mit Hand- ſchuhen herumging; wenn ich gar eben ein friſches Hemd hatte, deſſen Manſchetten ſichtbar waren, ſo mußte die Wache oft dem Spotte Ruhe gebieten. Das kränkte mich tief, und ich ließ die Stunde oft vorübergehn — jetzt bin ich ſo abgeſtumpft, daß ich Alles thäte einer Freiſtunde willen: ſo ſchmachte ich nach friſcher Luft, ſo dürſte ich dar- nach. Jch ginge mit meinem langen Barte und meinem wahrſcheinlich verbleichten Antlitze auf einer
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mals, wo ich wüſt vom Leſen war, und nur nach
Abwechſelung verlangte, wo ich wie ein Gefängniß-
dilettant mich betrug, ward mir auch von vorn-
herein eine Freiſtunde bewilligt, um auf einem klei-
nen verſchloſſenen Hofe herumzugehen, und ich
thörichter Menſch nahm gar kein Jntereſſe daran;
es war heißer Sommer, wenig Schatten im Hofe,
und eine Stunde lang dort auf- und abzugehen,
ſchien mir ſehr langweilig, ich dünkte mir ein wil-
des Thier, deſſen Käfigdeckel aufgeſchoben wird, und
das vor Leuten hin und her rennt. Einige Arbeits-
ſtuben der Behörde nämlich, und mehrere Gefäng-
niſſe ſahen in den Hof, ordinaire Gefangne ſpot-
teten über mich, daß ich im Hut und mit Hand-
ſchuhen herumging; wenn ich gar eben ein friſches
Hemd hatte, deſſen Manſchetten ſichtbar waren, ſo
mußte die Wache oft dem Spotte Ruhe gebieten.
Das kränkte mich tief, und ich ließ die Stunde
oft vorübergehn — jetzt bin ich ſo abgeſtumpft,
daß ich Alles thäte einer Freiſtunde willen: ſo
ſchmachte ich nach friſcher Luft, ſo dürſte ich dar-
nach. Jch ginge mit meinem langen Barte und
meinem wahrſcheinlich verbleichten Antlitze auf einer
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/91>, abgerufen am 26.11.2024.
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