Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

müsse, um zu dem vergitterten Fenster zu kommen,
und in den Hof hinabzufehen. Jndessen, die Ein-
drücke waren sehr flüchtig; zu Anfange denkt man
auch, das werde nicht lange dauern, man ist noch
zerstreuend mit der letzten Außenwelt beschäftigt.
Die Gefängnißentbehrungen traten mir auch noch
milde vor die Augen: im Felde hatte ich mir das
leidige Tabackrauchen wieder angewöhnt, man gab
mir Feuerzeug und Pfeife, ich hatte eine volle Börse
in der Tasche, es wurde nicht darnach gefragt,
kurz: es war nichts grell aufstörendes Gefängliches
da. Am andern Tage ward ich verhört; der Jn-
quirent war ein sehr artiger Mann, welcher sich
theilnehmend nach den kleinen Lebensbedürfnissen
erkundigte, mir seine Bibliothek anbot, und die
lebhafte Hoffnung bestätigte, daß mein Arrest wohl
nicht lange dauern würde. Die aufgeregte Zeit
mache größere Strenge und Sorgfalt nöthig, man
wisse, daß ich revolutionaire Grundsätze gehegt und
mich dafür bewaffnet habe, um mich der polnischen
Revolution anzuschließen. Das leugnete ich nicht,
setzte aber hinzu, daß die polnische Sache einmal
für eine historisch rechtmäßige gelte, und daß ich

müſſe, um zu dem vergitterten Fenſter zu kommen,
und in den Hof hinabzufehen. Jndeſſen, die Ein-
drücke waren ſehr flüchtig; zu Anfange denkt man
auch, das werde nicht lange dauern, man iſt noch
zerſtreuend mit der letzten Außenwelt beſchäftigt.
Die Gefängnißentbehrungen traten mir auch noch
milde vor die Augen: im Felde hatte ich mir das
leidige Tabackrauchen wieder angewöhnt, man gab
mir Feuerzeug und Pfeife, ich hatte eine volle Börſe
in der Taſche, es wurde nicht darnach gefragt,
kurz: es war nichts grell aufſtörendes Gefängliches
da. Am andern Tage ward ich verhört; der Jn-
quirent war ein ſehr artiger Mann, welcher ſich
theilnehmend nach den kleinen Lebensbedürfniſſen
erkundigte, mir ſeine Bibliothek anbot, und die
lebhafte Hoffnung beſtätigte, daß mein Arreſt wohl
nicht lange dauern würde. Die aufgeregte Zeit
mache größere Strenge und Sorgfalt nöthig, man
wiſſe, daß ich revolutionaire Grundſätze gehegt und
mich dafür bewaffnet habe, um mich der polniſchen
Revolution anzuſchließen. Das leugnete ich nicht,
ſetzte aber hinzu, daß die polniſche Sache einmal
für eine hiſtoriſch rechtmäßige gelte, und daß ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="77"/>&#x017F;&#x017F;e, um zu dem vergitterten Fen&#x017F;ter zu kommen,<lb/>
und in den Hof hinabzufehen. Jnde&#x017F;&#x017F;en, die Ein-<lb/>
drücke waren &#x017F;ehr flüchtig; zu Anfange denkt man<lb/>
auch, das werde nicht lange dauern, man i&#x017F;t noch<lb/>
zer&#x017F;treuend mit der letzten Außenwelt be&#x017F;chäftigt.<lb/>
Die Gefängnißentbehrungen traten mir auch noch<lb/>
milde vor die Augen: im Felde hatte ich mir das<lb/>
leidige Tabackrauchen wieder angewöhnt, man gab<lb/>
mir Feuerzeug und Pfeife, ich hatte eine volle Bör&#x017F;e<lb/>
in der Ta&#x017F;che, es wurde nicht darnach gefragt,<lb/>
kurz: es war nichts grell auf&#x017F;törendes Gefängliches<lb/>
da. Am andern Tage ward ich verhört; der Jn-<lb/>
quirent war ein &#x017F;ehr artiger Mann, welcher &#x017F;ich<lb/>
theilnehmend nach den kleinen Lebensbedürfni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
erkundigte, mir &#x017F;eine Bibliothek anbot, und die<lb/>
lebhafte Hoffnung be&#x017F;tätigte, daß mein Arre&#x017F;t wohl<lb/>
nicht lange dauern würde. Die aufgeregte Zeit<lb/>
mache größere Strenge und Sorgfalt nöthig, man<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e, daß ich revolutionaire Grund&#x017F;ätze gehegt und<lb/>
mich dafür bewaffnet habe, um mich der polni&#x017F;chen<lb/>
Revolution anzu&#x017F;chließen. Das leugnete ich nicht,<lb/>
&#x017F;etzte aber hinzu, daß die polni&#x017F;che Sache einmal<lb/>
für eine hi&#x017F;tori&#x017F;ch rechtmäßige gelte, und daß ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] müſſe, um zu dem vergitterten Fenſter zu kommen, und in den Hof hinabzufehen. Jndeſſen, die Ein- drücke waren ſehr flüchtig; zu Anfange denkt man auch, das werde nicht lange dauern, man iſt noch zerſtreuend mit der letzten Außenwelt beſchäftigt. Die Gefängnißentbehrungen traten mir auch noch milde vor die Augen: im Felde hatte ich mir das leidige Tabackrauchen wieder angewöhnt, man gab mir Feuerzeug und Pfeife, ich hatte eine volle Börſe in der Taſche, es wurde nicht darnach gefragt, kurz: es war nichts grell aufſtörendes Gefängliches da. Am andern Tage ward ich verhört; der Jn- quirent war ein ſehr artiger Mann, welcher ſich theilnehmend nach den kleinen Lebensbedürfniſſen erkundigte, mir ſeine Bibliothek anbot, und die lebhafte Hoffnung beſtätigte, daß mein Arreſt wohl nicht lange dauern würde. Die aufgeregte Zeit mache größere Strenge und Sorgfalt nöthig, man wiſſe, daß ich revolutionaire Grundſätze gehegt und mich dafür bewaffnet habe, um mich der polniſchen Revolution anzuſchließen. Das leugnete ich nicht, ſetzte aber hinzu, daß die polniſche Sache einmal für eine hiſtoriſch rechtmäßige gelte, und daß ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/85
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/85>, abgerufen am 26.11.2024.