nur von zehn Minuten. Denke Dir das Entsetz- liche, wenn ich früh erwache, das kleine düstre Gemach wieder sehe, was ich im Schlaf vergessen habe, und mit Entsetzen wieder daran erinnert werde, daß mein Leben beendigt ist auf eine so trostlose Art! Wir haben geklagt, wenn's keinen Reiz gab, ach Freund, was ist's erst, wenn's gar kein Ge- schäft giebt! Sobald ich aufgestanden bin, mich angekleidet und mein kärglich Frühstück verzehrt habe, dann bin ich fertig, nun liegt der lange, öde Tag vor mir, grau wie die Unterwelt der Alten, ich habe kein Buch, ich höre nichts, ich sehe nichts, es ist mir keine Thätigkeit übrig, als in dem klei- nen Raume herumzugehen, die Gedanken schweifen zu lassen bis sie schwindlich werden gleich meinem Kopfe, ruckweis kommen und gehen, athemlos am Ende die Dienste versagen. Gegen zwölf, oft lange vor zwölf bringt der Wärter das Mittagbrod; das ist doch eine Unterbrechung, die magere Speise ist doch ein Gegebenes, woran der Gedanke sich wieder aufrichtet, ich möchte langsam darüber wenigstens eine halbe Stunde hinziehn, wenn auch die eigent- liche Mahlzeit in zehn Minuten verzehrt sein kann,
nur von zehn Minuten. Denke Dir das Entſetz- liche, wenn ich früh erwache, das kleine düſtre Gemach wieder ſehe, was ich im Schlaf vergeſſen habe, und mit Entſetzen wieder daran erinnert werde, daß mein Leben beendigt iſt auf eine ſo troſtloſe Art! Wir haben geklagt, wenn’s keinen Reiz gab, ach Freund, was iſt’s erſt, wenn’s gar kein Ge- ſchäft giebt! Sobald ich aufgeſtanden bin, mich angekleidet und mein kärglich Frühſtück verzehrt habe, dann bin ich fertig, nun liegt der lange, öde Tag vor mir, grau wie die Unterwelt der Alten, ich habe kein Buch, ich höre nichts, ich ſehe nichts, es iſt mir keine Thätigkeit übrig, als in dem klei- nen Raume herumzugehen, die Gedanken ſchweifen zu laſſen bis ſie ſchwindlich werden gleich meinem Kopfe, ruckweis kommen und gehen, athemlos am Ende die Dienſte verſagen. Gegen zwölf, oft lange vor zwölf bringt der Wärter das Mittagbrod; das iſt doch eine Unterbrechung, die magere Speiſe iſt doch ein Gegebenes, woran der Gedanke ſich wieder aufrichtet, ich möchte langſam darüber wenigſtens eine halbe Stunde hinziehn, wenn auch die eigent- liche Mahlzeit in zehn Minuten verzehrt ſein kann,
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nur von zehn Minuten. Denke Dir das Entſetz-
liche, wenn ich früh erwache, das kleine düſtre
Gemach wieder ſehe, was ich im Schlaf vergeſſen
habe, und mit Entſetzen wieder daran erinnert werde,
daß mein Leben beendigt iſt auf eine ſo troſtloſe
Art! Wir haben geklagt, wenn’s keinen Reiz gab,
ach Freund, was iſt’s erſt, wenn’s gar kein Ge-
ſchäft giebt! Sobald ich aufgeſtanden bin, mich
angekleidet und mein kärglich Frühſtück verzehrt
habe, dann bin ich fertig, nun liegt der lange, öde
Tag vor mir, grau wie die Unterwelt der Alten,
ich habe kein Buch, ich höre nichts, ich ſehe nichts,
es iſt mir keine Thätigkeit übrig, als in dem klei-
nen Raume herumzugehen, die Gedanken ſchweifen
zu laſſen bis ſie ſchwindlich werden gleich meinem
Kopfe, ruckweis kommen und gehen, athemlos am
Ende die Dienſte verſagen. Gegen zwölf, oft lange
vor zwölf bringt der Wärter das Mittagbrod; das
iſt doch eine Unterbrechung, die magere Speiſe iſt
doch ein Gegebenes, woran der Gedanke ſich wieder
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liche Mahlzeit in zehn Minuten verzehrt ſein kann,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/78>, abgerufen am 25.11.2024.
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