bettelhafteste Armuth, und neben ihr noch alle Frech- heit der Armuth. Gold haben sie und suchen sie, aber kein Leben; aller Reichthum des Menschen, seine Lust, seine Klage, sein Sehnen, sein Feind, sein ewiges Herz, sein schaukelnder Gedanke, sein Titanengedanke, seine Wollust, seine Verzweiflung, der ganze Roman des Menschen, um den allein es sich lohnt, Morgens aufzustehen, Abends sich nie- derzulegen, Alles das haben sie jenseits des Meeres gelassen, davon sind sie frei, das ist ihre Freiheit. Auch das Thier ist frei von menschlicher Sorge -- oh!"
"Jetzt fühle ich, was Tod heißt, zum ersten Male in meinem Leben, es ist ein giftiger Reif auf mein Auge, auf mein Herz gefallen, mein innerster Kern lös't sich gähnend in Stücke, ich bin träumerisch, melancholisch, ich schreibe auf ein- zelne Papierstreifen, ich fliehe die Menschen, und suche die Bücher, ich liege im verschlossenen Zim- mer, und fürchte die Natur; vor dem Meere zittre ich. Jch zitt're, ich Hippolyt -- die Spiegel habe
bettelhafteſte Armuth, und neben ihr noch alle Frech- heit der Armuth. Gold haben ſie und ſuchen ſie, aber kein Leben; aller Reichthum des Menſchen, ſeine Luſt, ſeine Klage, ſein Sehnen, ſein Feind, ſein ewiges Herz, ſein ſchaukelnder Gedanke, ſein Titanengedanke, ſeine Wolluſt, ſeine Verzweiflung, der ganze Roman des Menſchen, um den allein es ſich lohnt, Morgens aufzuſtehen, Abends ſich nie- derzulegen, Alles das haben ſie jenſeits des Meeres gelaſſen, davon ſind ſie frei, das iſt ihre Freiheit. Auch das Thier iſt frei von menſchlicher Sorge — oh!“
„Jetzt fühle ich, was Tod heißt, zum erſten Male in meinem Leben, es iſt ein giftiger Reif auf mein Auge, auf mein Herz gefallen, mein innerſter Kern löſ’t ſich gähnend in Stücke, ich bin träumeriſch, melancholiſch, ich ſchreibe auf ein- zelne Papierſtreifen, ich fliehe die Menſchen, und ſuche die Bücher, ich liege im verſchloſſenen Zim- mer, und fürchte die Natur; vor dem Meere zittre ich. Jch zitt’re, ich Hippolyt — die Spiegel habe
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bettelhafteſte Armuth, und neben ihr noch alle Frech-
heit der Armuth. Gold haben ſie und ſuchen ſie,
aber kein Leben; aller Reichthum des Menſchen,
ſeine Luſt, ſeine Klage, ſein Sehnen, ſein Feind,
ſein ewiges Herz, ſein ſchaukelnder Gedanke, ſein
Titanengedanke, ſeine Wolluſt, ſeine Verzweiflung,
der ganze Roman des Menſchen, um den allein es
ſich lohnt, Morgens aufzuſtehen, Abends ſich nie-
derzulegen, Alles das haben ſie jenſeits des Meeres
gelaſſen, davon ſind ſie frei, das iſt ihre Freiheit.
Auch das Thier iſt frei von menſchlicher Sorge
— oh!“
„Jetzt fühle ich, was Tod heißt, zum erſten
Male in meinem Leben, es iſt ein giftiger Reif
auf mein Auge, auf mein Herz gefallen, mein
innerſter Kern löſ’t ſich gähnend in Stücke, ich
bin träumeriſch, melancholiſch, ich ſchreibe auf ein-
zelne Papierſtreifen, ich fliehe die Menſchen, und
ſuche die Bücher, ich liege im verſchloſſenen Zim-
mer, und fürchte die Natur; vor dem Meere zittre
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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