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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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sprach mein Geist zu mir, Du befängst Dich in
Abgeschiedenheit, betrachte rasch die fremde Welt
mit einem prüfenden Blicke. Einige Meilen von
uns liegt ein Bergstädtchen, wo sich viele Straßen
kreuzen, mancherlei Fremde zusammen finden, wo
ein reger Menschenverkehr sich bewegt -- dorthin
ritt ich, und siedelte mich an, um einige Wochen
zuzuschauen.

Wen fand ich dort? Jch trat in eine kleine
Gesellschaft, und an meinen Hals flog Camilla. Die
Leute kuckten, steckten die Köpfe zu einander, ver-
wunderten, fragten sich. Das arme Mädchen war
zu einer Verwandten hierher geflüchtet, und lebte
still und anspruchslos -- da erscheine ich, der natür-
lichste Gedanke, daß ich sie aufgesucht, fliegt wie
ein Frühlingswind durch ihr Herz; sie fragt nicht,
sie beachtet nicht, sie liebt, das gute Mädchen!

Du hast eine Antipathie gegen die Ehe, sagt
sie; Valerius, widersprich nicht, ich weiß es, sie
soll Dir nicht gestört werden, ich komme zu Dir
als Deine Geliebte, ich will nie mehr sein, als
Deine Geliebte, nimm mich auf! Was kümmert

ſprach mein Geiſt zu mir, Du befängſt Dich in
Abgeſchiedenheit, betrachte raſch die fremde Welt
mit einem prüfenden Blicke. Einige Meilen von
uns liegt ein Bergſtädtchen, wo ſich viele Straßen
kreuzen, mancherlei Fremde zuſammen finden, wo
ein reger Menſchenverkehr ſich bewegt — dorthin
ritt ich, und ſiedelte mich an, um einige Wochen
zuzuſchauen.

Wen fand ich dort? Jch trat in eine kleine
Geſellſchaft, und an meinen Hals flog Camilla. Die
Leute kuckten, ſteckten die Köpfe zu einander, ver-
wunderten, fragten ſich. Das arme Mädchen war
zu einer Verwandten hierher geflüchtet, und lebte
ſtill und anſpruchslos — da erſcheine ich, der natür-
lichſte Gedanke, daß ich ſie aufgeſucht, fliegt wie
ein Frühlingswind durch ihr Herz; ſie fragt nicht,
ſie beachtet nicht, ſie liebt, das gute Mädchen!

Du haſt eine Antipathie gegen die Ehe, ſagt
ſie; Valerius, widerſprich nicht, ich weiß es, ſie
ſoll Dir nicht geſtört werden, ich komme zu Dir
als Deine Geliebte, ich will nie mehr ſein, als
Deine Geliebte, nimm mich auf! Was kümmert

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[260/0268] ſprach mein Geiſt zu mir, Du befängſt Dich in Abgeſchiedenheit, betrachte raſch die fremde Welt mit einem prüfenden Blicke. Einige Meilen von uns liegt ein Bergſtädtchen, wo ſich viele Straßen kreuzen, mancherlei Fremde zuſammen finden, wo ein reger Menſchenverkehr ſich bewegt — dorthin ritt ich, und ſiedelte mich an, um einige Wochen zuzuſchauen. Wen fand ich dort? Jch trat in eine kleine Geſellſchaft, und an meinen Hals flog Camilla. Die Leute kuckten, ſteckten die Köpfe zu einander, ver- wunderten, fragten ſich. Das arme Mädchen war zu einer Verwandten hierher geflüchtet, und lebte ſtill und anſpruchslos — da erſcheine ich, der natür- lichſte Gedanke, daß ich ſie aufgeſucht, fliegt wie ein Frühlingswind durch ihr Herz; ſie fragt nicht, ſie beachtet nicht, ſie liebt, das gute Mädchen! Du haſt eine Antipathie gegen die Ehe, ſagt ſie; Valerius, widerſprich nicht, ich weiß es, ſie ſoll Dir nicht geſtört werden, ich komme zu Dir als Deine Geliebte, ich will nie mehr ſein, als Deine Geliebte, nimm mich auf! Was kümmert

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/268>, abgerufen am 22.11.2024.