mühevoll vom starken, widerspenstigen Leibe, und stürzt drohend in's All hinaus, um ihre Verbindung mit der Gottheit zu suchen, ihre unmittelbare Ver- bindung. Armer Hippolytos! Das ist eben der tragische Mensch, daß er nur mittelbar der Gottheit sich bemächtigen kann, und es ist wenig Aussicht vorhanden, daß die Unmittelbarkeit gleich nach diesem Leben eintreten werde! Armer Hippolytos!
Ja wohl, ja wohl, wir haben uns einst Alle erhoben für die Freiheit, aber die Freiheit für Civi- lisirte ist nur ein freies Gesetz; ja wohl haben wir uns erhoben für den wahrhaften, ächten Verkehr zwischen den Geschlechtern und gegen die lügenhafte Ehe, aber nur gegen die lügenhafte; wo in Wahr- heit zwei Wesen in eines aufgehen, da ist eine Er- füllung des Menschenthums gewonnen. Was mir eine Geliebte zurief, das bezeichnet für mich den wahren Standpunkt, sie sagte: Den verehelichten Personen gelte der Kampf, nicht der Ehe.
Haltet die Ehe offen, wie der Herr des Him- mels seine Hand offen erhält für den wahrhaft noth- wendigen Wechsel der irdischen Welt, den Wechsel von Tag zu Nacht, von Schnee zu Blumen; schüt-
mühevoll vom ſtarken, widerſpenſtigen Leibe, und ſtürzt drohend in’s All hinaus, um ihre Verbindung mit der Gottheit zu ſuchen, ihre unmittelbare Ver- bindung. Armer Hippolytos! Das iſt eben der tragiſche Menſch, daß er nur mittelbar der Gottheit ſich bemächtigen kann, und es iſt wenig Ausſicht vorhanden, daß die Unmittelbarkeit gleich nach dieſem Leben eintreten werde! Armer Hippolytos!
Ja wohl, ja wohl, wir haben uns einſt Alle erhoben für die Freiheit, aber die Freiheit für Civi- liſirte iſt nur ein freies Geſetz; ja wohl haben wir uns erhoben für den wahrhaften, ächten Verkehr zwiſchen den Geſchlechtern und gegen die lügenhafte Ehe, aber nur gegen die lügenhafte; wo in Wahr- heit zwei Weſen in eines aufgehen, da iſt eine Er- füllung des Menſchenthums gewonnen. Was mir eine Geliebte zurief, das bezeichnet für mich den wahren Standpunkt, ſie ſagte: Den verehelichten Perſonen gelte der Kampf, nicht der Ehe.
Haltet die Ehe offen, wie der Herr des Him- mels ſeine Hand offen erhält für den wahrhaft noth- wendigen Wechſel der irdiſchen Welt, den Wechſel von Tag zu Nacht, von Schnee zu Blumen; ſchüt-
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mühevoll vom ſtarken, widerſpenſtigen Leibe, und
ſtürzt drohend in’s All hinaus, um ihre Verbindung
mit der Gottheit zu ſuchen, ihre unmittelbare Ver-
bindung. Armer Hippolytos! Das iſt eben der
tragiſche Menſch, daß er nur mittelbar der Gottheit
ſich bemächtigen kann, und es iſt wenig Ausſicht
vorhanden, daß die Unmittelbarkeit gleich nach dieſem
Leben eintreten werde! Armer Hippolytos!
Ja wohl, ja wohl, wir haben uns einſt Alle
erhoben für die Freiheit, aber die Freiheit für Civi-
liſirte iſt nur ein freies Geſetz; ja wohl haben wir
uns erhoben für den wahrhaften, ächten Verkehr
zwiſchen den Geſchlechtern und gegen die lügenhafte
Ehe, aber nur gegen die lügenhafte; wo in Wahr-
heit zwei Weſen in eines aufgehen, da iſt eine Er-
füllung des Menſchenthums gewonnen. Was mir
eine Geliebte zurief, das bezeichnet für mich den
wahren Standpunkt, ſie ſagte: Den verehelichten
Perſonen gelte der Kampf, nicht der Ehe.
Haltet die Ehe offen, wie der Herr des Him-
mels ſeine Hand offen erhält für den wahrhaft noth-
wendigen Wechſel der irdiſchen Welt, den Wechſel
von Tag zu Nacht, von Schnee zu Blumen; ſchüt-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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