Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

unterdessen ebenfalls verheurathet, bleich, schwer-
müthig tritt er ihr entgegen, aber durch den Nebel
glaubt sie die alte verborgne Zärtlichkeit zu sehen.
Eines Abends ergriff er ihre Hand, bedeckt sie mit
Küssen, und sagt: Marie, wir sind beide unglücklich!

Marie fällt in Ohnmacht; sie muß nach Hause
gebracht werden; und von der Stunde an hat sie
ihr Lager nicht mehr verlassen, es entwickelt sich
eine Herzkrankheit, an welcher sie stirbt.

Das sind Eure kläglich halben Zustände und
Verlangnisse. Leopold sagt, er sei lange besinnungs-
los gewesen vor Schmerz, jetzt hat er's lange ver-
gessen, und erzählt die Sache seiner kurzen Ver-
heirathung wie eine Novelle sonstwoher.



unterdeſſen ebenfalls verheurathet, bleich, ſchwer-
muͤthig tritt er ihr entgegen, aber durch den Nebel
glaubt ſie die alte verborgne Zaͤrtlichkeit zu ſehen.
Eines Abends ergriff er ihre Hand, bedeckt ſie mit
Kuͤſſen, und ſagt: Marie, wir ſind beide ungluͤcklich!

Marie faͤllt in Ohnmacht; ſie muß nach Hauſe
gebracht werden; und von der Stunde an hat ſie
ihr Lager nicht mehr verlaſſen, es entwickelt ſich
eine Herzkrankheit, an welcher ſie ſtirbt.

Das ſind Eure klaͤglich halben Zuſtaͤnde und
Verlangniſſe. Leopold ſagt, er ſei lange beſinnungs-
los geweſen vor Schmerz, jetzt hat er’s lange ver-
geſſen, und erzaͤhlt die Sache ſeiner kurzen Ver-
heirathung wie eine Novelle ſonſtwoher.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="196"/>
unterde&#x017F;&#x017F;en ebenfalls verheurathet, bleich, &#x017F;chwer-<lb/>
mu&#x0364;thig tritt er ihr entgegen, aber durch den Nebel<lb/>
glaubt &#x017F;ie die alte verborgne Za&#x0364;rtlichkeit zu &#x017F;ehen.<lb/>
Eines Abends ergriff er ihre Hand, bedeckt &#x017F;ie mit<lb/>
Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;agt: Marie, wir &#x017F;ind beide unglu&#x0364;cklich!</p><lb/>
          <p>Marie fa&#x0364;llt in Ohnmacht; &#x017F;ie muß nach Hau&#x017F;e<lb/>
gebracht werden; und von der Stunde an hat &#x017F;ie<lb/>
ihr Lager nicht mehr verla&#x017F;&#x017F;en, es entwickelt &#x017F;ich<lb/>
eine Herzkrankheit, an welcher &#x017F;ie &#x017F;tirbt.</p><lb/>
          <p>Das &#x017F;ind Eure kla&#x0364;glich halben Zu&#x017F;ta&#x0364;nde und<lb/>
Verlangni&#x017F;&#x017F;e. Leopold &#x017F;agt, er &#x017F;ei lange be&#x017F;innungs-<lb/>
los gewe&#x017F;en vor Schmerz, jetzt hat er&#x2019;s lange ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, und erza&#x0364;hlt die Sache &#x017F;einer kurzen Ver-<lb/>
heirathung wie eine Novelle &#x017F;on&#x017F;twoher.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0204] unterdeſſen ebenfalls verheurathet, bleich, ſchwer- muͤthig tritt er ihr entgegen, aber durch den Nebel glaubt ſie die alte verborgne Zaͤrtlichkeit zu ſehen. Eines Abends ergriff er ihre Hand, bedeckt ſie mit Kuͤſſen, und ſagt: Marie, wir ſind beide ungluͤcklich! Marie faͤllt in Ohnmacht; ſie muß nach Hauſe gebracht werden; und von der Stunde an hat ſie ihr Lager nicht mehr verlaſſen, es entwickelt ſich eine Herzkrankheit, an welcher ſie ſtirbt. Das ſind Eure klaͤglich halben Zuſtaͤnde und Verlangniſſe. Leopold ſagt, er ſei lange beſinnungs- los geweſen vor Schmerz, jetzt hat er’s lange ver- geſſen, und erzaͤhlt die Sache ſeiner kurzen Ver- heirathung wie eine Novelle ſonſtwoher.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/204
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/204>, abgerufen am 08.05.2024.