Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

wir uns am Schluß der Universitätszeit verbunden
hatten. Ein Herr Constantin von Müller, excen-
trisch über die Maaßen, und in der besten Verirrung
zum Jakobinerthum begriffen, war ein's der Mit-
glieder, und besonders intim mit Valerius; er ver-
läugnete seinen Adel, und ging nach Paris, mit der
schönsten Absicht, zu septembrisiren. Dort ist er
zu sich gekommen, und als Antirevolutionair heim-
gekehrt. Seine juristische Karriere hat ihm hier
bald eine gute Stellung gebracht, er war ein ge-
messener, sehr ordentlicher und belebter Geschäfts-
mann und ein feiner Mann guter Societät gewor-
den. Fräulein Julie, die Sie aus Grünschloß kennen,
wo sie vor dem frechen und rohen Hippolyt flüchtete,
war seine Gattin. Man sagt, Valerius sei auf
Herrn von Müllers Veranlassung in Haft gebracht
und streng gehalten worden. Des Freigelassenen
Rache wendete sich also gegen diesen würdigen Mann,
der den Abgerissenen noch obenein mildthätig auf-
genommen hatte, ja die gemeine Wuth begnügt sich
nicht an diesem einen Opfer des Hasses: vorgestern
erschießt dieser Tugendprediger Valerius den Mann
und die Frau, und entweicht.

wir uns am Schluß der Univerſitaͤtszeit verbunden
hatten. Ein Herr Conſtantin von Muͤller, excen-
triſch uͤber die Maaßen, und in der beſten Verirrung
zum Jakobinerthum begriffen, war ein’s der Mit-
glieder, und beſonders intim mit Valerius; er ver-
laͤugnete ſeinen Adel, und ging nach Paris, mit der
ſchoͤnſten Abſicht, zu ſeptembriſiren. Dort iſt er
zu ſich gekommen, und als Antirevolutionair heim-
gekehrt. Seine juriſtiſche Karriere hat ihm hier
bald eine gute Stellung gebracht, er war ein ge-
meſſener, ſehr ordentlicher und belebter Geſchaͤfts-
mann und ein feiner Mann guter Societaͤt gewor-
den. Fraͤulein Julie, die Sie aus Gruͤnſchloß kennen,
wo ſie vor dem frechen und rohen Hippolyt fluͤchtete,
war ſeine Gattin. Man ſagt, Valerius ſei auf
Herrn von Muͤllers Veranlaſſung in Haft gebracht
und ſtreng gehalten worden. Des Freigelaſſenen
Rache wendete ſich alſo gegen dieſen wuͤrdigen Mann,
der den Abgeriſſenen noch obenein mildthaͤtig auf-
genommen hatte, ja die gemeine Wuth begnuͤgt ſich
nicht an dieſem einen Opfer des Haſſes: vorgeſtern
erſchießt dieſer Tugendprediger Valerius den Mann
und die Frau, und entweicht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="182"/>
wir uns am Schluß der Univer&#x017F;ita&#x0364;tszeit verbunden<lb/>
hatten. Ein Herr Con&#x017F;tantin von Mu&#x0364;ller, excen-<lb/>
tri&#x017F;ch u&#x0364;ber die Maaßen, und in der be&#x017F;ten Verirrung<lb/>
zum Jakobinerthum begriffen, war ein&#x2019;s der Mit-<lb/>
glieder, und be&#x017F;onders intim mit Valerius; er ver-<lb/>
la&#x0364;ugnete &#x017F;einen Adel, und ging nach Paris, mit der<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ab&#x017F;icht, zu &#x017F;eptembri&#x017F;iren. Dort i&#x017F;t er<lb/>
zu &#x017F;ich gekommen, und als Antirevolutionair heim-<lb/>
gekehrt. Seine juri&#x017F;ti&#x017F;che Karriere hat ihm hier<lb/>
bald eine gute Stellung gebracht, er war ein ge-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ener, &#x017F;ehr ordentlicher und belebter Ge&#x017F;cha&#x0364;fts-<lb/>
mann und ein feiner Mann guter Societa&#x0364;t gewor-<lb/>
den. Fra&#x0364;ulein Julie, die Sie aus Gru&#x0364;n&#x017F;chloß kennen,<lb/>
wo &#x017F;ie vor dem frechen und rohen Hippolyt flu&#x0364;chtete,<lb/>
war &#x017F;eine Gattin. Man &#x017F;agt, Valerius &#x017F;ei auf<lb/>
Herrn von Mu&#x0364;llers Veranla&#x017F;&#x017F;ung in Haft gebracht<lb/>
und &#x017F;treng gehalten worden. Des Freigela&#x017F;&#x017F;enen<lb/>
Rache wendete &#x017F;ich al&#x017F;o gegen die&#x017F;en wu&#x0364;rdigen Mann,<lb/>
der den Abgeri&#x017F;&#x017F;enen noch obenein mildtha&#x0364;tig auf-<lb/>
genommen hatte, ja die gemeine Wuth begnu&#x0364;gt &#x017F;ich<lb/>
nicht an die&#x017F;em einen Opfer des Ha&#x017F;&#x017F;es: vorge&#x017F;tern<lb/>
er&#x017F;chießt die&#x017F;er Tugendprediger Valerius den Mann<lb/>
und die Frau, und entweicht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0190] wir uns am Schluß der Univerſitaͤtszeit verbunden hatten. Ein Herr Conſtantin von Muͤller, excen- triſch uͤber die Maaßen, und in der beſten Verirrung zum Jakobinerthum begriffen, war ein’s der Mit- glieder, und beſonders intim mit Valerius; er ver- laͤugnete ſeinen Adel, und ging nach Paris, mit der ſchoͤnſten Abſicht, zu ſeptembriſiren. Dort iſt er zu ſich gekommen, und als Antirevolutionair heim- gekehrt. Seine juriſtiſche Karriere hat ihm hier bald eine gute Stellung gebracht, er war ein ge- meſſener, ſehr ordentlicher und belebter Geſchaͤfts- mann und ein feiner Mann guter Societaͤt gewor- den. Fraͤulein Julie, die Sie aus Gruͤnſchloß kennen, wo ſie vor dem frechen und rohen Hippolyt fluͤchtete, war ſeine Gattin. Man ſagt, Valerius ſei auf Herrn von Muͤllers Veranlaſſung in Haft gebracht und ſtreng gehalten worden. Des Freigelaſſenen Rache wendete ſich alſo gegen dieſen wuͤrdigen Mann, der den Abgeriſſenen noch obenein mildthaͤtig auf- genommen hatte, ja die gemeine Wuth begnuͤgt ſich nicht an dieſem einen Opfer des Haſſes: vorgeſtern erſchießt dieſer Tugendprediger Valerius den Mann und die Frau, und entweicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/190
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/190>, abgerufen am 28.11.2024.