Heute vor acht Tagen ist der große Tag gekommen, den ich nicht mehr zu hoffen wagte: Vor einigen Wochen wurde uns ein ander Gefängniß gestattet -- wenn in den kleinen Hof unsrer Freistunde die Sonne hineinzüngelte, ach, da war mir's doch manchmal noch ein schmerzlicher Stich, daß ich wieder in das Dunkel unsers Gefängnisses zurück mußte, was nach der Mitternachtseite belegen war. Obwohl ich sonst stumpf und gleichgültig geworden, die Sonnenstrah- len, mein eigentlich Gottesleben, zündeten doch eine kleine Flacke in meiner ausgebrannten Seele. Jetzt führte man uns in ein kleines Stübchen, was auf den großen Hof sieht; es waren nur Gitter vor dem Fenster, eine Blende war nicht da, die Morgensonne
4. Valerius an Hippolyt.
Heute vor acht Tagen iſt der große Tag gekommen, den ich nicht mehr zu hoffen wagte: Vor einigen Wochen wurde uns ein ander Gefängniß geſtattet — wenn in den kleinen Hof unſrer Freiſtunde die Sonne hineinzüngelte, ach, da war mir’s doch manchmal noch ein ſchmerzlicher Stich, daß ich wieder in das Dunkel unſers Gefängniſſes zurück mußte, was nach der Mitternachtſeite belegen war. Obwohl ich ſonſt ſtumpf und gleichgültig geworden, die Sonnenſtrah- len, mein eigentlich Gottesleben, zündeten doch eine kleine Flacke in meiner ausgebrannten Seele. Jetzt führte man uns in ein kleines Stübchen, was auf den großen Hof ſieht; es waren nur Gitter vor dem Fenſter, eine Blende war nicht da, die Morgenſonne
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4.
Valerius an Hippolyt.
Heute vor acht Tagen iſt der große Tag gekommen,
den ich nicht mehr zu hoffen wagte: Vor einigen
Wochen wurde uns ein ander Gefängniß geſtattet —
wenn in den kleinen Hof unſrer Freiſtunde die Sonne
hineinzüngelte, ach, da war mir’s doch manchmal
noch ein ſchmerzlicher Stich, daß ich wieder in das
Dunkel unſers Gefängniſſes zurück mußte, was nach
der Mitternachtſeite belegen war. Obwohl ich ſonſt
ſtumpf und gleichgültig geworden, die Sonnenſtrah-
len, mein eigentlich Gottesleben, zündeten doch eine
kleine Flacke in meiner ausgebrannten Seele. Jetzt
führte man uns in ein kleines Stübchen, was auf
den großen Hof ſieht; es waren nur Gitter vor dem
Fenſter, eine Blende war nicht da, die Morgenſonne
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. [170]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/178>, abgerufen am 02.05.2024.
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