ist. Jn unserm damaligen Umgange lag der Frucht- knoten meines Lebens, der jetzt verdorrt ist; den kleinen Reiz, dessen ich noch fähig bin, gewährt mir von meinem ganzen Leben nur das Verhältniß zu jener Zeit. Sagen Sie mir, auf was für einem Standpunkte der Meinung sind Sie jetzt?"
Gott weiß, was ich ihm in meiner Entrüstung gesagt habe. Am ärgsten betroffen schien er von meiner Versicherung zu sein, daß ich kein eigent- licher Revolutionair mehr gewesen sei, als ich das Gefängniß betreten, daß ich niemals in eine Ver- zweiflung meiner Ansichten gerathen, daß ich auch jetzt darin besonnen und ruhig sei. Jch habe ihn lange und habe ihn todtenbleich gesprochen; als wir schieden, war es dunkel. Von dem Wenigen, was er erwiderte, erinnere ich mich nur der öfters wieder- kehrenden Worte: Befreien kann ich Dich jetzt selbst nicht mehr, es ist ein eingeleitet Verfahren.
Ermiß, welchen Sturm ich darnach mehrere Tage lang in meinem engen Käfig durchgelebt habe. Wohin geräth der Mensch, wenn er das Heil nur immer in den äußersten Gegensätzen sucht!
iſt. Jn unſerm damaligen Umgange lag der Frucht- knoten meines Lebens, der jetzt verdorrt iſt; den kleinen Reiz, deſſen ich noch fähig bin, gewährt mir von meinem ganzen Leben nur das Verhältniß zu jener Zeit. Sagen Sie mir, auf was für einem Standpunkte der Meinung ſind Sie jetzt?“
Gott weiß, was ich ihm in meiner Entrüſtung geſagt habe. Am ärgſten betroffen ſchien er von meiner Verſicherung zu ſein, daß ich kein eigent- licher Revolutionair mehr geweſen ſei, als ich das Gefängniß betreten, daß ich niemals in eine Ver- zweiflung meiner Anſichten gerathen, daß ich auch jetzt darin beſonnen und ruhig ſei. Jch habe ihn lange und habe ihn todtenbleich geſprochen; als wir ſchieden, war es dunkel. Von dem Wenigen, was er erwiderte, erinnere ich mich nur der öfters wieder- kehrenden Worte: Befreien kann ich Dich jetzt ſelbſt nicht mehr, es iſt ein eingeleitet Verfahren.
Ermiß, welchen Sturm ich darnach mehrere Tage lang in meinem engen Käfig durchgelebt habe. Wohin geräth der Menſch, wenn er das Heil nur immer in den äußerſten Gegenſätzen ſucht!
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iſt. Jn unſerm damaligen Umgange lag der Frucht-
knoten meines Lebens, der jetzt verdorrt iſt; den
kleinen Reiz, deſſen ich noch fähig bin, gewährt
mir von meinem ganzen Leben nur das Verhältniß
zu jener Zeit. Sagen Sie mir, auf was für einem
Standpunkte der Meinung ſind Sie jetzt?“
Gott weiß, was ich ihm in meiner Entrüſtung
geſagt habe. Am ärgſten betroffen ſchien er von
meiner Verſicherung zu ſein, daß ich kein eigent-
licher Revolutionair mehr geweſen ſei, als ich das
Gefängniß betreten, daß ich niemals in eine Ver-
zweiflung meiner Anſichten gerathen, daß ich auch
jetzt darin beſonnen und ruhig ſei. Jch habe ihn
lange und habe ihn todtenbleich geſprochen; als wir
ſchieden, war es dunkel. Von dem Wenigen, was
er erwiderte, erinnere ich mich nur der öfters wieder-
kehrenden Worte: Befreien kann ich Dich jetzt ſelbſt
nicht mehr, es iſt ein eingeleitet Verfahren.
Ermiß, welchen Sturm ich darnach mehrere
Tage lang in meinem engen Käfig durchgelebt habe.
Wohin geräth der Menſch, wenn er das Heil nur
immer in den äußerſten Gegenſätzen ſucht!
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/171>, abgerufen am 26.11.2024.
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