Wißt Jhr, was Resignation heißt? Jhr versagt Euch eine Freude, ja ihr entsagt manchem Noth- wendigen, aber Jhr lebt weiter. Jch kann dem trostlosen Vater, der verlassenen Geliebten mit kei- nem Worte beistehn, und ich bin endlich auch ru- hig geworden, ich schlafe wieder ein, ich esse meine bescheidene Kost, was man sagt, ich bin resignirt. Sind's doch Gedanken, neue Eindrücke gewesen, die ein Paar Tage erfüllt haben, ist doch solch stechender Schmerz auch ein Gewinn neben Oede und Langweile! Ach, Hippolyt, ich habe es oft mit Redensarten bekleidet, ich hielt's für Unrecht, das nackte, schonungslose Wort zu wählen, aber muß es nicht einmal gesagt sein, wenn es denn doch vorhanden ist? Wenn der Körper verschleimt und verstopft wird, und man hat selbst Freiheit vor die Thür zu gehn, was ist's mit dem Leben? Wenn die Welt aus den Fugen reißt, und nichts allge- mein Geglaubtes und Geachtetes übrig bleibt, was lohnt's zu leben? Bewahrst Du dabei Nerven wie straffe Stricke, wohl Dir, Du kannst mit Hilfe der körperlichen Elasticität hie und da einen Reiz gewinnen, die Verworrenheit zu einem pikanten
Wißt Jhr, was Reſignation heißt? Jhr verſagt Euch eine Freude, ja ihr entſagt manchem Noth- wendigen, aber Jhr lebt weiter. Jch kann dem troſtloſen Vater, der verlaſſenen Geliebten mit kei- nem Worte beiſtehn, und ich bin endlich auch ru- hig geworden, ich ſchlafe wieder ein, ich eſſe meine beſcheidene Koſt, was man ſagt, ich bin reſignirt. Sind’s doch Gedanken, neue Eindrücke geweſen, die ein Paar Tage erfüllt haben, iſt doch ſolch ſtechender Schmerz auch ein Gewinn neben Oede und Langweile! Ach, Hippolyt, ich habe es oft mit Redensarten bekleidet, ich hielt’s für Unrecht, das nackte, ſchonungsloſe Wort zu wählen, aber muß es nicht einmal geſagt ſein, wenn es denn doch vorhanden iſt? Wenn der Körper verſchleimt und verſtopft wird, und man hat ſelbſt Freiheit vor die Thür zu gehn, was iſt’s mit dem Leben? Wenn die Welt aus den Fugen reißt, und nichts allge- mein Geglaubtes und Geachtetes übrig bleibt, was lohnt’s zu leben? Bewahrſt Du dabei Nerven wie ſtraffe Stricke, wohl Dir, Du kannſt mit Hilfe der körperlichen Elaſticität hie und da einen Reiz gewinnen, die Verworrenheit zu einem pikanten
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Wißt Jhr, was Reſignation heißt? Jhr verſagt
Euch eine Freude, ja ihr entſagt manchem Noth-
wendigen, aber Jhr lebt weiter. Jch kann dem
troſtloſen Vater, der verlaſſenen Geliebten mit kei-
nem Worte beiſtehn, und ich bin endlich auch ru-
hig geworden, ich ſchlafe wieder ein, ich eſſe meine
beſcheidene Koſt, was man ſagt, ich bin reſignirt.
Sind’s doch Gedanken, neue Eindrücke geweſen,
die ein Paar Tage erfüllt haben, iſt doch ſolch
ſtechender Schmerz auch ein Gewinn neben Oede
und Langweile! Ach, Hippolyt, ich habe es oft
mit Redensarten bekleidet, ich hielt’s für Unrecht,
das nackte, ſchonungsloſe Wort zu wählen, aber
muß es nicht einmal geſagt ſein, wenn es denn
doch vorhanden iſt? Wenn der Körper verſchleimt
und verſtopft wird, und man hat ſelbſt Freiheit vor
die Thür zu gehn, was iſt’s mit dem Leben? Wenn
die Welt aus den Fugen reißt, und nichts allge-
mein Geglaubtes und Geachtetes übrig bleibt, was
lohnt’s zu leben? Bewahrſt Du dabei Nerven wie
ſtraffe Stricke, wohl Dir, Du kannſt mit Hilfe
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/145>, abgerufen am 22.11.2024.
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