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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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beim Bösewichte. Jch konnte Gott bitten, daß er
mir das Betteln erlasse, weil ein solch Verhältniß
zu ihm nie das meine gewesen, aber ich konnte
nicht bitten, daß er eingreifen möge in mein trau-
rig Schicksal; solches ruckweise Regieren der Welt
mag für Viele ein segensreicher Trost sein, wehe
dem, der ihn leichtsinnig den Menschen rauben
wollte, für mich ist er ein Fremdes, das eine mo-
mentane Stärkung sein mag, wenn man in meiner
sonstigen Ansicht sich selbst verliert. Jch habe mit
Gott gesprochen, aber mein Jndividuum ist dabei
für mich selbst unverloren geblieben. Sagt man,
ich habe keine Demuth, und sei deshalb noch weit
ab von dem, was das Dogma heische, so hat man
vollkommen Recht. Aber es ist eben mein Glaube,
daß ich nichts in mir aufnehmen kann, was mei-
ner besten Jnnerlichkeit nicht zupassen will, und daß
ich nicht im Stande bin, ja es für frevelhaft halte,
gegen mich selbst zu lügen.

Und nach alle dem wirst Du mir doch glauben,
daß es meine besten Stunden in diesem Elende
sind, wenn ich einen antwortreichen Verkehr mit
der Gottheit finde, wie ich mir sie denke durch

beim Böſewichte. Jch konnte Gott bitten, daß er
mir das Betteln erlaſſe, weil ein ſolch Verhältniß
zu ihm nie das meine geweſen, aber ich konnte
nicht bitten, daß er eingreifen möge in mein trau-
rig Schickſal; ſolches ruckweiſe Regieren der Welt
mag für Viele ein ſegensreicher Troſt ſein, wehe
dem, der ihn leichtſinnig den Menſchen rauben
wollte, für mich iſt er ein Fremdes, das eine mo-
mentane Stärkung ſein mag, wenn man in meiner
ſonſtigen Anſicht ſich ſelbſt verliert. Jch habe mit
Gott geſprochen, aber mein Jndividuum iſt dabei
für mich ſelbſt unverloren geblieben. Sagt man,
ich habe keine Demuth, und ſei deshalb noch weit
ab von dem, was das Dogma heiſche, ſo hat man
vollkommen Recht. Aber es iſt eben mein Glaube,
daß ich nichts in mir aufnehmen kann, was mei-
ner beſten Jnnerlichkeit nicht zupaſſen will, und daß
ich nicht im Stande bin, ja es für frevelhaft halte,
gegen mich ſelbſt zu lügen.

Und nach alle dem wirſt Du mir doch glauben,
daß es meine beſten Stunden in dieſem Elende
ſind, wenn ich einen antwortreichen Verkehr mit
der Gottheit finde, wie ich mir ſie denke durch

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[131/0139] beim Böſewichte. Jch konnte Gott bitten, daß er mir das Betteln erlaſſe, weil ein ſolch Verhältniß zu ihm nie das meine geweſen, aber ich konnte nicht bitten, daß er eingreifen möge in mein trau- rig Schickſal; ſolches ruckweiſe Regieren der Welt mag für Viele ein ſegensreicher Troſt ſein, wehe dem, der ihn leichtſinnig den Menſchen rauben wollte, für mich iſt er ein Fremdes, das eine mo- mentane Stärkung ſein mag, wenn man in meiner ſonſtigen Anſicht ſich ſelbſt verliert. Jch habe mit Gott geſprochen, aber mein Jndividuum iſt dabei für mich ſelbſt unverloren geblieben. Sagt man, ich habe keine Demuth, und ſei deshalb noch weit ab von dem, was das Dogma heiſche, ſo hat man vollkommen Recht. Aber es iſt eben mein Glaube, daß ich nichts in mir aufnehmen kann, was mei- ner beſten Jnnerlichkeit nicht zupaſſen will, und daß ich nicht im Stande bin, ja es für frevelhaft halte, gegen mich ſelbſt zu lügen. Und nach alle dem wirſt Du mir doch glauben, daß es meine beſten Stunden in dieſem Elende ſind, wenn ich einen antwortreichen Verkehr mit der Gottheit finde, wie ich mir ſie denke durch

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/139>, abgerufen am 07.05.2024.