Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

hätte sie so gern einmal gesehen, aber sie that's
nicht, mein Gefängniß lag zu tief gegen Mitter-
nacht, die Sonne konnt' es nicht finden, und das
Querhaus war dagegen. So viel ich bemerkte, war
steter Sonnenschein draußen, es muß ein wonne-
voller Frühherbst gewesen sein; wenn's möglich war,
wurde mein Leiden sehr dadurch erhöht. Auch keine
historischen Erinnerungen giebt's in diesem Hause,
Alles ist traurig weiß und grau angestrichen, drüben
im "Loche", wie mein erster Kerker genannt wird,
im "Verließ", wie das gute alte Wort sagt, fand
ich oben am Fensterchen die Worte Dante's mit
Bleistift angeschrieben, welche die Devise aller Ge-
fängnisse geworden und in allen zu finden sind,
die Worte: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrati
-- Lasset draußen die Hoffnung, die Jhr hier ein-
tretet -- Laßt draußen die Hoffnung, das hat lange,
lange in meinem Kopfe als einziger, ungedachter
Gedanke herumgeklappert; wie lange hab' ich von
dieser eintönigen Hoffnungslosigkeit gelebt! -- Eines
Morgens ward's besser, ich bekam ein andres Ge-
fängniß, mein jetziges, es liegt nicht an jenem Durch-
gange, wo die Wachtposten vorübertrampeln, das

hätte ſie ſo gern einmal geſehen, aber ſie that’s
nicht, mein Gefängniß lag zu tief gegen Mitter-
nacht, die Sonne konnt’ es nicht finden, und das
Querhaus war dagegen. So viel ich bemerkte, war
ſteter Sonnenſchein draußen, es muß ein wonne-
voller Frühherbſt geweſen ſein; wenn’s möglich war,
wurde mein Leiden ſehr dadurch erhöht. Auch keine
hiſtoriſchen Erinnerungen giebt’s in dieſem Hauſe,
Alles iſt traurig weiß und grau angeſtrichen, drüben
im „Loche“, wie mein erſter Kerker genannt wird,
im „Verließ“, wie das gute alte Wort ſagt, fand
ich oben am Fenſterchen die Worte Dante’s mit
Bleiſtift angeſchrieben, welche die Deviſe aller Ge-
fängniſſe geworden und in allen zu finden ſind,
die Worte: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrati
— Laſſet draußen die Hoffnung, die Jhr hier ein-
tretet — Laßt draußen die Hoffnung, das hat lange,
lange in meinem Kopfe als einziger, ungedachter
Gedanke herumgeklappert; wie lange hab’ ich von
dieſer eintönigen Hoffnungsloſigkeit gelebt! — Eines
Morgens ward’s beſſer, ich bekam ein andres Ge-
fängniß, mein jetziges, es liegt nicht an jenem Durch-
gange, wo die Wachtpoſten vorübertrampeln, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="118"/>
hätte &#x017F;ie &#x017F;o gern einmal ge&#x017F;ehen, aber &#x017F;ie that&#x2019;s<lb/>
nicht, mein Gefängniß lag zu tief gegen Mitter-<lb/>
nacht, die Sonne konnt&#x2019; es nicht finden, und das<lb/>
Querhaus war dagegen. So viel ich bemerkte, war<lb/>
&#x017F;teter Sonnen&#x017F;chein draußen, es muß ein wonne-<lb/>
voller Frühherb&#x017F;t gewe&#x017F;en &#x017F;ein; wenn&#x2019;s möglich war,<lb/>
wurde mein Leiden &#x017F;ehr dadurch erhöht. Auch keine<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;chen Erinnerungen giebt&#x2019;s in die&#x017F;em Hau&#x017F;e,<lb/>
Alles i&#x017F;t traurig weiß und grau ange&#x017F;trichen, drüben<lb/>
im &#x201E;Loche&#x201C;, wie mein er&#x017F;ter Kerker genannt wird,<lb/>
im &#x201E;Verließ&#x201C;, wie das gute alte Wort &#x017F;agt, fand<lb/>
ich oben am Fen&#x017F;terchen die Worte Dante&#x2019;s mit<lb/>
Blei&#x017F;tift ange&#x017F;chrieben, welche die Devi&#x017F;e aller Ge-<lb/>
fängni&#x017F;&#x017F;e geworden und in allen zu finden &#x017F;ind,<lb/>
die Worte: <hi rendition="#aq">Lasciate ogni speranza, voi ch&#x2019;entrati</hi><lb/>
&#x2014; La&#x017F;&#x017F;et draußen die Hoffnung, die Jhr hier ein-<lb/>
tretet &#x2014; Laßt draußen die Hoffnung, das hat lange,<lb/>
lange in meinem Kopfe als einziger, ungedachter<lb/>
Gedanke herumgeklappert; wie lange hab&#x2019; ich von<lb/>
die&#x017F;er eintönigen Hoffnungslo&#x017F;igkeit gelebt! &#x2014; Eines<lb/>
Morgens ward&#x2019;s be&#x017F;&#x017F;er, ich bekam ein andres Ge-<lb/>
fängniß, mein jetziges, es liegt nicht an jenem Durch-<lb/>
gange, wo die Wachtpo&#x017F;ten vorübertrampeln, das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0126] hätte ſie ſo gern einmal geſehen, aber ſie that’s nicht, mein Gefängniß lag zu tief gegen Mitter- nacht, die Sonne konnt’ es nicht finden, und das Querhaus war dagegen. So viel ich bemerkte, war ſteter Sonnenſchein draußen, es muß ein wonne- voller Frühherbſt geweſen ſein; wenn’s möglich war, wurde mein Leiden ſehr dadurch erhöht. Auch keine hiſtoriſchen Erinnerungen giebt’s in dieſem Hauſe, Alles iſt traurig weiß und grau angeſtrichen, drüben im „Loche“, wie mein erſter Kerker genannt wird, im „Verließ“, wie das gute alte Wort ſagt, fand ich oben am Fenſterchen die Worte Dante’s mit Bleiſtift angeſchrieben, welche die Deviſe aller Ge- fängniſſe geworden und in allen zu finden ſind, die Worte: Lasciate ogni speranza, voi ch’entrati — Laſſet draußen die Hoffnung, die Jhr hier ein- tretet — Laßt draußen die Hoffnung, das hat lange, lange in meinem Kopfe als einziger, ungedachter Gedanke herumgeklappert; wie lange hab’ ich von dieſer eintönigen Hoffnungsloſigkeit gelebt! — Eines Morgens ward’s beſſer, ich bekam ein andres Ge- fängniß, mein jetziges, es liegt nicht an jenem Durch- gange, wo die Wachtpoſten vorübertrampeln, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/126
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/126>, abgerufen am 07.05.2024.